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Kingu Wataru

Der Rechtsgelehrte Dr. Flemming Moos von der renommierten Wirtschaftskanzlei Osborne Clark erklärt es den zugeschalteten Pressevertretern nochmal ganz einfach: Einhunderttausend Datensätze hat ein unbekannter Mitarbeiter des VfB im Oktober 2018 an einen unbekannten Empfänger geschickt – und diese brisante Mail später wieder gelöscht. Beides rechtswidrig im Sinne des Datenschutzes. Nach dieser unangenehmen Nachricht möchte Thomas Hitzlsperger den Blick der Öffentlichkeit wieder auf den Sport lenken. Auf eine Mannschaft, an deren Gesicht er großen Anteil hat, eine Mannschaft, die einen Tag später zeigt, warum sie diese Saison nicht absteigen wird.  

Die Krönung des Wataru Endo

Einer der Garanten für den 5:1-Sieg gegen taumelnde Schalker zeigt nach dem Spiel sein seltenes, durch den Mundschutz immer etwas drollig wirkendes Lächeln. Erschöpft aber glücklich klatscht er mit seinen Kameraden ab und trottet in Richtung Spielertunnel. Wataru Endo krönt seine bislang überragende Saison mit den ersten beiden Bundesligatoren und zwei Vorlagen.

Auf der so wichtigen Position im zentralen defensiven Mittelfeld drückt der unscheinbar wirkende Japaner dem VfB-Spiel seinen Stempel auf. Im Spielaufbau lässt er sich oft in die Abwehrkette fallen, um mit schnörkellosen, wohltemperierten Pässen Angriffe einzuleiten. Im Spiel gegen den Ball schließt er mit einer fast schon unheimlichen Antizipation Räume und hängt den Gegnern wie eine Klette am Körper. Er vereint das Beste aus Gentner, Aogo, Ascacibar und Karazor zu einer perfekten Komposition des modernen Sechsers. Als er kurz vor Beginn der vergangenen Saison an den Neckar wechselte, galt er eine Zeit lang als Phantom. Heute dürfen wir ihn als Kingu Wataru von Cannstatt feiern.

Warum der VfB die Klasse halten wird

Dass die Schalker Abwehr ausgerechnet diesen Spieler gleich zwei Mal nach einer Ecke völlig ungedeckt am Fünfmeterraum stehen lässt, macht deutlich, warum das Team von Christian Gross wohl nicht mehr vor dem Gang in die zweite Liga zu retten ist. Man kann den Königsblauen nicht vorwerfen, dass sie nicht alles versucht, nicht gekämpft und phasenweise auch ganz ordentlich Fußball gespielt hätten. Aber am Ende hat der VfB genau das, was man braucht, um in der höchsten deutschen Spielklasse zu bestehen: eine funktionierende Mannschaft mit echten Führungsspielern und die Fähigkeit, auch einmal aus wenig viel zu machen.

Führungsspieler

Entscheidend für den am Ende zu hoch ausgefallenen Sieg ist Gregor Kobel. Der Schweizer dirigiert seine Vorderleute schon während der ganzen Saison lautstark. „Männer. Männer! Männer!!!“, tönt es da aus dem eigenen Strafraum, wenn die Umschaltbewegung nach hinten zu langsam ist. Schon nach fünf Minuten macht sich der Schweizer gegen den freistehenden Harit ganz groß, um in der zweiten Halbzeit dann gleich eine ganze Serie gefährlicher Abschlüsse zu entschärfen – darunter einen Elfmeter.

Erinnert ihr euch noch daran, als beim VfB verzweifelt nach Führungsspielern gesucht wurde? Die berüchtigte Weinzierl-Achse? In den letzten Monaten haben sich auf dem Platz Persönlichkeiten herauskristallisiert, die ihren Mitspielern Halt geben und in entscheidenden Situationen vorangehen.

Neben den bereits Erwähnten darf ich Waldemar Anton nicht vergessen. Was man sich von Badstuber erhofft, aber nicht immer bekommen hat, zeichnet den ehemaligen U21-Nationalspieler aus. Er dirigiert seine Nebenleute, geht kompromisslos in die Zweikämpfe und überzeugt mit sicherem Stellungsspiel sowie einer guten Spieleröffnung. Man hat das Gefühl, dass der 24-Jährige im Lauf der Saison immer besser wird und nach einer gewissen Stagnation in seiner Entwicklung noch einmal richtig angreifen will.

Gute Aussichten – im Bereich Sport

Wagt man den Ausblick auf die restlichen elf Spiele und vielleicht sogar darüber hinaus, stimmt vieles positiv. Der VfB ist nicht mehr von der Klasse einzelner Spieler abhängig, sondern tritt als Einheit auf. Mir ist nicht bange, wenn ich an mögliche Abgänge im Sommer denke. In der zweiten Reihe wachsen vielversprechende Talente heran, die das Team in Zukunft ergänzen können. Nimmt man den Leistungssprung einiger junger Spieler in dieser Saison zum Maßstab, dürfen wir uns auf weitere attraktive Bundesligapartien freuen – bald hoffentlich auch wieder im Stadion.     

Während die Tribünen nach wie vor verwaist sind, stößt die virtuelle Presserunde am Freitag auf reges Interesse. Kaum sind die Worte des Fachanwalts verhallt, fordert Hitzlsperger die Journalisten auf, doch endlich mit dem Ausgraben von Skandalen aufzuhören. Dabei gibt es noch so viele unbeantwortete Fragen. Die besagte Mail aus dem Jahr 2018 ist für die AG aus rechtlicher Sicht besonders relevant, ihr geheimnisvolles Verschwinden entlarvend, und doch ist sie nur die Spitze des Eisbergs an krummen Dingern, die man beim VfB zu verantworten hat. Mit einem Schwall Selbstgerechtigkeit sind einige Protagonisten inzwischen verschwunden, andere schummeln sich weiter durch. Als Vorstandsvorsitzender muss man sich mit solchen Dingen beschäftigen, sie verfolgen und vollständig ausräumen. Als Sportvorstand darf man sich über den immer näher rückenden Klassenerhalt freuen.

VfB – FC Schalke 04 5:1

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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