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Highway to Hell

„Wir wollen die besten von den Vieren sein.“ Markus Weinzierl läutete in der Pressekonferenz vor dem Bremen-Spiel die Play-downs ein. Wann gab es zuletzt vier Mannschaften, die förmlich um den Abstieg betteln? „Egal wer es schafft, es wird der erbärmlichste Klassenerhalt der Bundesligageschichte“, stichelt @twofourtwo auf Twitter. Es hat in der Tat etwas Erbärmliches, wenn der Trainer das letzte verbliebene Ziel vor dem Endspurt einer Saison formuliert, die als Sündenfall nach der Ausgliederung in die Vereinsgeschichte eingehen wird.

Wer kann sich auf Platz 15 retten?

Fünf der sechs direkten Duelle der Kellerkinder stehen noch aus. Die Prognose, dass sie für den Abstiegskampf entscheidend sein werden, ist nicht sonderlich gewagt, auch wenn nicht jeder seine Spiele gegen Spitzenteams willenlos abschenkt und gegen Gegner aus dem Niemandsland der Tabelle versagt. Hannover könnte beispielsweise gegen Mainz, Freiburg oder Düsseldorf etwas mitnehmen, Nürnberg punktete erst letzte Woche gegen den Spitzenreiter.

Und der VfB? Die Jungs aus Cannstatt haben am Freitag im Schneckenrennen ein Lebenszeichen gesendet und seit Langem mal wieder positiv überrascht. Fraglos habe man die Qualität, um die Klasse zu halten, „tausendprozentig“, rechnet ein ehemaliger Spitzenspieler vor. Aber wenn es ums Überleben geht, sind einstmals erreichte Erfolge oder fußballerisches Potenzial nichts als Schall und Rauch. Mannschaftliche Geschlossenheit, Willensstärke, die Fähigkeit mit Rückschlägen umzugehen und defensive Stabilität heißen die Trümpfe. Da muss man sich beim VfB ernsthafte Sorgen machen, gehören diese Aspekte doch in der laufenden Spielzeit zu den Schwächen der Mannschaft.

An der Mercedesstraße türmen sich pechschwarze Gewitterwolken auf. Wenige hoffen ernsthaft, dass der Club allein durch die überfällige Reschke-Entlassung wieder auf Kurs kommt. Dietrich steht heftig unter Beschuss, Weinzierl torkelt als Walking-Dead von Spieltag zu Spieltag, nur noch gestützt vom neuen Sportvorstand, der seinerseits Geschichte schreiben könnte: Vom smarten ARD-Experten zum Trainerkiller in wenigen Tagen. Die als Stützen eingeplanten „Führungsspieler“ haben sich nach und nach aus der Mannschaft gespielt oder kämpfen mit ihrer eigenen Formschwäche, andere haben immer noch nicht verstanden, worum es geht.

Eishockeyfans wissen, dass die K.O.-Spiele am Ende einer Saison ihre eigenen Gesetze haben. Die Platzierungen aus der Hauptrunde sind plötzlich unwichtig, die Spieler lassen sich lange Bärte wachsen und werden zu wilden Freibeutern, die ein Schiff nach dem anderen entern. Schaffen es Weinzierl und Hitzlsperger, die Mannschaft in den Play-down-Modus zu versetzen? Vier Ansatzpunkte:

1. Ein Trainer, der Spieltag für Spieltag in Frage gestellt wird, ist eine „Lame Duck“. Ein schwacher Trainer kann aber keine wild entschlossenen Spieler auf den Platz schicken. Hitzlsperger täte gut daran, schnell eine Entscheidung zu treffen und diese dann konsequent umzusetzen. Entweder vertraut man Weinzierl bis Saisonende oder er bekommt nach dem Hannover-Spiel den Laufpass. Der Knackpunkt: Glaubt die Mannschaft noch an das Konzept und die Vorgaben des Trainers? Die verbesserte kämpferische Leistung zuletzt könnte ein zartes Indiz dafür sein. Seine Autorität könnte andererseits durch die Konflikte mit Reschke, ausbleibende Erfolge und mangelnde Kommunikation mit der Mannschaft bereits zu stark angekratzt sein, um einen kraftvollen Endspurt hinzulegen.

2. Hitzlsperger muss die Position des Sportdirektors rasch besetzen, damit die wegweisenden Entscheidungen bezüglich Trainerteam und Kaderzusammenstellung für die kommende Saison angegangen werden können. Es darf keine Zweifel geben, dass dazu weitreichende Veränderungen notwendig sind, vor allem in der Entscheidungskultur. Denn die nächsten Personalien müssen sitzen, will man die einmaligen Erlöse der Ausgliederung nicht vollends verpulvern.

3. Der VfB macht sich schon seit geraumer Zeit mit seiner Außendarstellung zum Gespött der Nation. Schluss damit! Wenn dem angeschlagenen Präsidenten wirklich etwas am Club liegt, muss er endlich aufhören, andere zu diskreditieren und Machtspielchen zu treiben. Schweigen wäre dieser Tage nicht nur für ihn Gold. Die Spieler sollten bis auf weiteres keine Presse- und Marketingtermine mehr wahrnehmen. Taten statt Worte sind gefragt.

4. Im Sommer müssen dann alle Karten auf den Tisch. Die Entscheidungen seit der Ausgliederung sind kritisch zu analysieren und zu bewerten. Der Druck von allen Seiten könnte bis dahin so groß werden, dass die Daimler AG lieber auf den Stern verzichten würde, als Dietrich länger an der Spitze des VfB zu dulden.

Die Nervosität an der Mercedesstraße ist vor dem ersten Play-down-Spiel am kommenden Sonntag greifbar, die Unruhe bei Fans und Mitgliedern groß. Die hervorragenden Rahmenbedingungen entpuppen sich auf der Zielgeraden der Saison als Highway to Hell. Der VfB muss schleunigst eine der letzten Abfahrten nehmen, um nicht zu verbrennen.

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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