Die Selbstdemontage
Alle diejenigen, die beim VfB schon seit Längerem das Ziel verfolgen, den Verein zu schwächen, dürfen sich zufrieden die Hände reiben. Innerhalb von zwei Tagen demontiert sich das Präsidium selbst und bettelt damit förmlich um einen personellen Neuanfang.
Besonders beunruhigend: Claus Vogt und seine Präsidiumskollegen scheinen zumindest vorübergehend den Kontakt abgebrochen zu haben. Und Vorstand sowie Teil-Präsidium kündigen im Alleingang Maßnahmen an, die ohne die Vereinsgremien nicht umzusetzen sind. Satzungsarbeit und Besetzung des Aufsichtsrats fallen nämlich gar nicht in den Aufgabenbereich der AG-Vorstände.
1. Vogt im Kicker-Interview
Mit Benni Hofmann führt ein Journalist, der als Kicker-Redakteur und Autor eines VfB-Buchs so gut über die Wirren der Vereinspolitik in Bad Cannstatt Bescheid weiß wie kaum ein anderer, das ausführliche Interview mit dem VfB-Präsidenten.
Die wichtigsten Erkenntnisse: Claus Vogt lehnt Rücktrittsforderungen ab und fühlt sich nur der Mitgliederversammlung verpflichtet, die ihn ins Amt gewählt hat. Gleichzeitig spart er nicht mit Kritik: am Ablauf seiner Abwahl, dem Geschäftsgebaren des neuen Anteilseigners, der Verhandlungstaktik des Vorstands der VfB AG, seiner Nachfolgerin als Aufsichtsratsvorsitzende und dem Präsidiumskollegen Riethmüller.
Die alles entscheidende Frage kann Vogt allerdings nicht befriedigend beantworten: Warum hat er im Juni 2023 die Absichtserklärung unterschrieben, den Aufsichtsratsvorsitz zur Verfügung zu stellen? Sein Erklärungsversuch: Zeitdruck und die Befürchtung als Schuldiger für das Scheitern des Porsche-Einstiegs dazustehen.
Auch auf die Frage, warum er die Mitglieder nicht frühzeitig einbezogen hat, gibt es bis heute keine schlüssige Antwort. Stattdessen stellt der Präsident die ganz großen Themen zur Debatte: Wird 50-plus-1 beim VfB noch umgesetzt? Vogt findet, dass „die Einmischung des Kapitals (…) deutlich zu weit“ gehe.
2. Adrion im Podcast
Nur einen Tag nach der Veröffentlichung des Interviews mit dem Präsidenten meldet sich Vize Adrion beim Podcast VfB & STR zu Wort. Er hat offenkundig ein großes Bedürfnis, seine Sicht auf die Dinge mitzuteilen. Dabei spricht er häufig von „wir“. Mitunter bleibt aber unklar, ob er damit sich und seinen Präsidiumskollegen Riethmüller meint, das vollständige Präsidium oder den VfB als Ganzes.
Kongruenz und stringente Argumentation sind nicht seine Stärken – das mussten die Mitglieder bereits bei so mancher Rede feststellen. Auch im Podcast hinterlässt er viele Fragezeichen: Welche konkreten inhaltlichen Gründe gab es für den Wechsel beim Aufsichtsratsvorsitz? Woher die plötzliche Dringlichkeit? Und warum hat er sich selbst nicht für die Beteiligung der Mitglieder eingesetzt, als es um die Wurst ging?
Wenn Adrion davon spricht, dass „einer aus der Industrie den Aufsichtsrat führen“ solle, dass da andere Kompetenzen gefragt seien als bei einem Präsidenten, darf man als Mitglied bezweifeln, ob das VfB-Urgestein noch der richtige Vertreter für ihre Interessen ist. Das Präsidium ist gespalten, das muss auch Adrion zugeben. Trotzdem hält er es für sinnvoll, in dieser Konstellation bis 2025 weiterzumachen. Die „Vertrauensfrage“ bei der Mitgliederversammlung am 28. Juli soll Klarheit bringen, ob die Mitglieder das auch wollen.
3. Riethmüller und die Metadaten
Die Krone setzt dem Ganzen am Donnerstag Christian Riethmüller auf. Der gilt sowieso schon als einer, der gerne zu viel ausplaudert. Manche gehen weiter, sehen ihn als einen Ideengeber der gescheiterten Initiative „vfb-jetzt“ und bringen ihn mit einem anonymen Blogbeitrag in Verbindung, der vor einem Jahr eine wirre Anklageschrift gegen den Präsidenten formulierte.
Jetzt findet man seinen Namen in den Metadaten einer PDF-Datei, die von der just an diesem Tag bekannt gewordenen Initiative „Zukunft VfB“ versandt wurde. Er habe den Text nur Korrektur gelesen, lässt das Präsidiumsmitglied in einer eilig verfassten Erklärung wissen – und wirkt dabei wie ein Kind, das mit verschmiertem Mund aus der Küche kommt und schwört, das Nutellaglas nicht angerührt zu haben.
Ein Präsidiumsmitglied, das einer anonymen Initiative zuarbeitet, welche die Abwahl des Präsidenten fordert und gleichzeitig die Übergabe der Amtsgeschäfte unter anderem an ihn selbst? Da hat wohl jemand zu viele Krimis gelesen.
4. Und wie geht es jetzt weiter?
Gremienmitglieder bleiben so lange im Amt, bis sie zurücktreten oder abgewählt werden. Auch wenn Adrion, Riethmüller und der Vorstand in ihrem Statement vom Donnerstag so tun, als sei Vogt bereits ausgeschieden, wird der Präsident seine Positionen im Rahmen der Möglichkeiten weiter vertreten.
Aufgaben wie die Vorbereitung von Satzungsänderungen liegen zudem auch im Verantwortungsbereich des Vereinsbeirats, der zuletzt in einem Statement mehrheitlich die Argumentation des Präsidenten unterstützte. Der vom Vorstand vorgeschlagene Arbeitskreis in allen Ehren, aber wenn der Eindruck entsteht, dass die Mitglieder im Hauruckverfahren übervorteilt werden, bleibt es seitens der organisierten Fans sicher nicht beim Aufruf „Alle in Schwarz“.
Die von Adrion und Riethmüller angekündigte „Vertrauensfrage“ ist in der Satzung gar nicht vorgesehen. Bei Abwahlanträgen muss eine Dreiviertelmehrheit erreicht werden – auch nach den Erfahrungen der letzten Mitgliederversammlung leichter gesagt als getan. Wenn sich die Mitglieder also nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können, bleibt der Verein womöglich für ein weiteres Jahr gelähmt.
reybucanero74
Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson
Ein Kommentar
Schwabenpfeil a.D.
Tja, so sieht’s aus.
Kurios ist nur, dass im Prinzip alles super läuft. E.V. prosperiert, Profifußball erfolgreicher denn je, Mannschaft und Trainerteam harmonieren, AG Vorstand macht saubere Arbeit. Nur die Personen und Gremien, die für all das zuständig sind, bekommen sich selbst nicht organisiert!?
Mein persönliches Ranking nach all dem Bekannten bisher:
Kothaufen in Gold: Die Porsche-Fritzen (Frei nach Trap – was erlauba)
Kothaufen in Silber: Riethmüller der Hinterhofintrigant
Kothaufen in Bronze: Vogt – Integrationsfähigkeit -1893