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Erste Schritte aus dem Schlamassel

Ein dunkelhaariger Hüne mit der Nummer 18 auf dem Rücken steht vor der Cannstatter Kurve und klatscht in die Hände. Niemand kann glauben, dass der Junge, der soeben eine starke Bundesligapartie mit einem Doppelpack gekrönt hat, erst 18 Jahre alt ist. Niemand glaubte vor ein paar Wochen, dass wir überhaupt einen weiteren Innenverteidiger im Kader brauchen. „Isch bin mir sischa, dass die VfB-Fans noch viel Freude an dem Jungen haben werden.“ Wie oft haben wir diesen Satz in rheinischem Singsang gehört? BÄMM! Diesmal ist es ein Volltreffer. Eine Perle.

Szenenwechsel. Drei Männer in dunklen Sakkos stehen vor einem erlesenen Publikum im Mercedes-Benz-Museum, allerdings wirken zwei davon wie Schwarz-Weiß-Figuren aus einem alten Streifen, der keinen mehr hinter dem Ofen hervor lockt. Nur einer bringt Farbe ins Spiel. Hitzlsperger tritt authentisch, nahbar und kompetent auf, macht den Leuten Mut und bietet auch inhaltlich einige interessante Ansatzpunkte für den Weg aus dem Schlamassel.

Schlamassel? Eine sportliche Delle, würde Herr Röttgermann sagen. Und wenn die Mannschaft in den restlichen Spielen der Saison genauso auftritt wie beim 5:1 gegen Hannover, besteht die Gefahr, dass ihm am Ende sogar viele beipflichten werden. An dieser Stelle hebe ich den mahnenden Zeigefinger. Mit VfB im Dialog verhält es sich so ähnlich wie mit der Leistung der Mannschaft: Es war ein erster Schritt, aber noch lange nicht genug.

Bei so mancher Einschätzung der Herren Heim und Röttgermann schütteln die VfB-Fans nämlich verwundert den Kopf. Die Frage nach fehlender sportlicher Kompetenz in den Gremien sei „eine etwas populistische Frage“, findet der Vorstand für Vetrieb und Marketing. Ursachenanalyse? Geduldet euch. Schindelmeiser? Ein Thema der Vergangenheit. Die Kritik an Dietrich? Weder fair noch gerechtfertigt. Man habe in allen Bereichen Rekordumsätze und sei unabhängig vom Verkauf weiterer Anteile oder Spielerverkäufen handlungsfähig. Da sind sie also wieder: die hervorragenden Rahmenbedingungen.

Niemand möchte Erfolge in den Bereichen Sponsoring, Merchandising, Nachwuchsarbeit oder Infrastruktur in Abrede stellen, aber wer dieser Tage nicht erkennen will, dass der Club insgesamt in Schieflage gerät, dass von der Zusammenstellung des Lizenzspielerkaders über die Außendarstellung bis zur Stimmung im Aufsichtsrat gar nichts passt, dass man auf dem besten Wege ist, sich mit den Ausgliederungsmillionen sein eigenes Grab zu schaufeln, der sollte von der Zukunftsplanung des VfB die Finger lassen.

In einem muss ich den beiden Sakkoträgern, die symbolisch für den alten VfB stehen, aber Recht geben: Die Schuld alleine auf Dietrich abzuwälzen, wäre zu einfach. Seine Vorstandskollegen und die Herren im Aufsichtsrat sind auch in die Verantwortung zu nehmen. Vielleicht braucht der neue VfB, den wir uns so sehr wünschen, ja zunächst eine Rundumerneuerung in der Führung.

So las man beim „El Monarchico“, wie der „El Kackico“-Erfinder @Kitto_1896 das Abstiegsduell auf Twitter betitelte, selbst in der Untertürkheimer Kurve neben den großen „Kind muss weg“-Lettern im Gästeblock ein kleines, aber unübersehbares „Dietrich raus“, und die Cannstatter Kurve schloss die Spalter-Transparente wie selbstverständlich in die Feierlichkeiten des ersten Sieges im Kalenderjahr 2019 ein. Der Weg des großen Clubs aus Cannstatt wird noch steinig und schwer.

VfB – Hannover 96 5:1

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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