Erster Halt: Ronhof
Mit dem Auswärtsspiel in Fürth beginnt für den VfB am Samstag die Rückrunde. Die Erwartungshaltung ist klar: Gegen das abgeschlagene Schlusslicht muss wieder ein Dreier her. Dann kommen nach und nach die Verletzten zurück, und wenn die ersten Schneeglöckchen blühen, schauen wir entspannt auf die Abstiegszone herab. Im Frühjahr wird auch der neue Vorstandschef das Ruder übernehmen und uns alsbald einen zweiten Investor präsentieren. Zu kitschig? Richten wir zum Abschluss des Hinrundenfazits den Blick nach vorn.
In fünf Beiträgen wurde zuletzt die Hinrunde aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Die Defensive bescherte uns viele Gegentore und zwei neue Shooting-Stars, im Angriff herrschte weitgehend tote Hose, während dem Trainer auf der Suche nach mehr Stabilität die Leichtigkeit verloren ging. Obwohl der Kader zahlenmäßig groß ist, stellte sich die Mannschaft oft von selbst auf, denn der Nachwuchs ist zwar ein Versprechen für die Zukunft, mit der Gegenwart aber manchmal noch überfordert.
Erste Erfolge – alte Konflikte
Alleine die Tatsache, dass es beim VfB eine Strategie gibt, wie man sich unter veränderten Voraussetzungen wieder in der Bundesliga etablieren will, ist ein großer Fortschritt. Und siehe da: Die ersten Erfolge stellen sich ein. Man steigert die Marktwerte der Spieler, erzeugt Tranfereinnahmen, setzt moderne Trainings- und Ausbildungskonzepte um und beschäftigt inzwischen seit zwei Jahren den gleichen Cheftrainer.
Aber der neue Weg des VfB ist kein Selbstläufer. Die Entwicklung junger Spieler ist nur bis zu einem gewissen Grad planbar. Leistungsschwankungen und Misserfolge gehören zu jedem Entwicklungsprozess dazu. Wichtig ist, dass die Entscheider in kritischen Phasen nicht die Nerven verlieren und an einem Strang ziehen.
Aus der lokalen Sportredaktion schallt zum Jahreswechsel die These, dass Hitzlsperger den Klub verlasse, „weil sich eine neue Seilschaft gebildet hat“. Ich habe eher den Eindruck, dass die neu gewählten Gremienmitglieder noch im Basislager ihre sieben Sachen zusammensuchen. Die Sticheleien in der Presse sind ein untrügliches Zeichen dafür, dass es immer noch Bestrebungen gibt, alte Konflikte wieder hochzukochen. Auch auf den einschlägigen VfB-Plattformen im Internet tummeln sich weiterhin selbsternannte Experten, die einen Präsidenten nicht von einem Vorstandsvorsitzenden unterscheiden können.
Neuer Vorstand – leere Kassen
Wenn der VfB auf längere Sicht erfolgreich sein will, muss er sich einerseits klar zu dem eingeschlagenen Weg bekennen, sich aber andererseits möglichst unabhängig von einzelnen Personen machen. Der Abschied von Thomas Hitzlsperger stellt diesbezüglich eine Nagelprobe dar. Ab Frühjahr wird der AG-Vorstand nämlich ein völlig verändertes Gesicht zeigen. Alexander Wehrle (Vorstandsvorsitz), Dr. Thomas Ignatzi (Finanzen, Verwaltung und Operations) und Rouven Kasper (Marketing und Vertrieb) sollen künftig die Richtung vorgeben.
Wehrle hat sicher nicht die Strahlkraft, die vor dem verhängnisvollen offenen Brief von seinem Vorgänger ausging. Vielleicht können er und sein Team aber das Verhältnis zwischen AG und Verein auf neue Füße stellen und auf Grundlage des Erreichten weitere Entwicklungsschritte einleiten. Eine kluge Lösung für den vakanten Sportvorstandsposten wäre ein guter Anfang, auch die Investorensuche sollte endlich zum Abschluss gebracht werden.
In Pandemiezeiten brechen nämlich Einnahmen weg, die kein Unternehmen so einfach ersetzen kann. Sven Mislintat hätte den zweiten Investor gerne so bald wie möglich, weil er sonst im Sommer erneut einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag an Transfersummen erlösen muss. Dabei wurde in der Hinrunde deutlich, wie sehr die junge Mannschaft unter dem Verlust sportlicher Substanz leidet. Zwei weitere Schlüsselspieler zu verlieren, könnte die Gesamtentwicklung in Gefahr bringen.
Zu gut, um abzusteigen?
„Wenn der VfB das zeigt, was er kann, wozu der Kader fähig ist, dann sollte das reichen“, hören wir in der Episode 185 des PodCannstatt. Bei jedem, der die Mannschaft mit dem Brustring schon eine Weile verfolgt, müssen da die Alarmglocken schrillen. Erinnert ihr euch noch an 2016 und die verfrühten Gratulationen zum Klassenerhalt nach dem fulminanten 5:1 gegen Hoffenheim? Oder an Reschkes Superkader aus dem Sommer 2018?
„Es muss verdammt viel zusammenkommen, damit das schief geht“, heißt es im Podcast der lokalen Sportredaktion weiter. Apropos viel zusammenkommen: Fünf Spieler (Mavropanos, Klimovicz, Silas, Ahamada, Faghir) fehlen zu Jahresbeginn wegen positiver Corona-Tests, weitere dürften folgen.
Ob die „gefühlten Neuzugänge“ das auffangen können? Dazu müssten sie jedenfalls schnell in Topform kommen, denn die Erfahrung lehrt: Wer gegen die direkten Konkurrenten nicht gewinnt und keine gefährlichen Strafraumspieler hat, wird sich auch in der entscheidenden Phase des Abstiegskampfs schwer tun.
Im direkten Vergleich mit den Mannschaften, die mit dem VfB um die Plätze 13 bis 15 konkurrieren, liegt Matarazzos Team noch hinter Augsburg, Bochum und Bielefeld auf dem vorletzten Platz.
Angesichts der geringen Abstände in der Tabelle ist natürlich noch alles möglich, aber wenn Matarazzos Schützlinge nicht bis zum letzten Spieltag zittern wollen, muss sich etwas ändern. Zum Beispiel darf die Mannschaft nicht so viele Gegentore zulassen wie in der Hinrunde. Gleichzeitig sollte die Offensivabteilung die Spitzenplätze in der Scorerliste nicht mehr den Abwehrspielern überlassen.
Streng nach Fahrplan
Der Fußballkalender 2022 ist verrückt. Nach einer Winterpause, die für die meisten Profis eher ein verlängertes Wochenende in Dubai war, startet die Bundesliga schon eine Woche nach Silvester in die Rückrunde. Klar, UEFA und FIFA müssen ihre Katar-Games respektive ihr Nations-League-Turnier unterbringen.
Während des Afrika-Cups, der unsinnigerweise vom 8.1. bis 5.2. stattfindet, muss der VfB auf den Ägypter Marmoush verzichten. Dass dann auch noch vom 24.1. bis 2.2. in ganz Europa der Spielbetrieb ruht, weil in Ozeanien und der Karibik aus Pandemiegründen verlegte Länderspiele nachgeholt werden, ist ein weiteres Kuriosum aus dem Paralleluniversum der Fußballverbände.
Der VfB spielt also vor der Länderspielpause gegen Fürth, Leipzig und Freiburg, danach geht es gegen Frankfurt, Leverkusen und Bochum weiter.
Fünf Punkte konnte die Mannschaft in der Hinrunde aus diesen sechs Partien holen. Dieses Mal dürfen es gerne ein paar mehr sein. Der Druck vor dem Spiel auf dem Ronhof ist dementsprechend hoch, auch ohne die schwäbische Bilanz dort zu konsultieren. Seit der Klub als Spielvereinigung Greuther Fürth firmiert, gab es für den VfB nämlich im Fränkischen in drei von vier Partien nichts zu holen.
Hoffen auf den Frühling
Wenn alle Stricke reißen, gibt es ja immer noch Otto Baric und sein legendäres: „Kommt Friehling, kommt VfB.“ Allzu lange sollte die Mannschaft aber nicht auf besseres Wetter warten, denn schon am 14. Mai endet die Saison mit einem Heimspiel gegen den 1. FC Köln. Und wer wird der Held vom Frühlingsfest? Seit den jüngsten Niederlagen im Pokal und in der Liga wissen alle VfB-Fans, dass die Antwort nur lauten kann: Anthony Modeste.
reybucanero74
Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson