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Positiv statt negativ

Sonnenaufgang über dem Neckarstadion: Schaffen auch die VfB-Mitglieder einen Neuanfang? (Foto: Hussein Muo)

Vier öffentliche Stellungnahmen von vier unterschiedlichen Interessensgruppen in vier Tagen: Der VfB zeigt sich vereinspolitisch wieder einmal in desolatem Zustand. Offensichtlich kann man sich in den Gremien von Verein und AG auf gar nichts mehr einigen. Das mit der Ausgliederung 2017 zusammengezimmerte Konstrukt ist dabei auseinanderzubrechen.

Schuldzuweisungen, Anfeindungen, Vorwürfe auf Grundlage unklarer Faktenlage – das Hauen und Stechen um die Deutungshoheit ist in vollem Gange. Für all diejenigen, denen Mitbestimmung und Mitgliederrechte am Herzen liegen, sind allerdings andere Fragen wichtig: Wie kann es jetzt weitergehen? Was sind die nächsten Schritte?

1. Transparenz

Benni Hofmann, Kicker-Redakteur und Autor des VfB-Buchs „Kapital oder Kurve?“, legt im Podcast Rasenfunk offen, was bisher über den Einstieg von Porsche bei der VfB AG und den damit verbundenen Wechsel beim Aufsichtsratsvorsitz öffentlich bekannt ist. An einigen Stellen muss aber selbst der gut informierte Investigativ-Journalist zugeben, dass ihm wichtige Informationen fehlen.

Welche Forderungen hat die Porsche AG als Voraussetzung für ihren Einstieg gestellt? Unter welchen Bedingungen kam die Absichtserklärung zustande, die angeblich die Grundlage für Vogts Abwahl als Vorsitzenden des Gremiums darstellt? Warum haben die drei von den Mitgliedern gewählten Aufsichtsräte zugestimmt, obwohl sie wussten, dass sie damit ein zentrales Ausgliederungsversprechen brechen?

Solange die Mitglieder über keine belastbaren Informationen verfügen, wie es zu diesem Vertrauensbruch kommen konnte, werden sich die Wogen nicht glätten. Ein Zusammenschluss organisierter Fangruppen aus der Cannstatter Kurve fordert den Rücktritt des gesamten Präsidiums.

2. Folgen der Abwahl

Der Aufsichtsrat besteht nunmehr aus elf Mitgliedern, die nach der Abwahl des bisherigen Vorsitzenden beweisen müssen, dass sie unter dem Vorsitz von Frau Gönner künftig professioneller und entscheidungsfreudiger agieren. Die erste Herausforderung steht bereits vor der Tür: Obwohl Alexander Wehrle im Sommer angekündigt hat, dass er das Amt des Sportvorstands zeitnah abgeben möchte, ist die Position bis heute nicht neu besetzt.

Des Weiteren wird die veränderte Zusammensetzung des Präsidialausschusses kritisch beäugt. Zustimmungspflichtige Geschäfte der AG werden in Zukunft von einem Ausschuss bewertet, den Frau Gönner in ihrer Funktion als Aufsichtsratsvorsitzende ebenfalls leitet. Vom eingetragenen Verein ist dort nur noch Rainer Adrion vertreten, der allerdings gegenüber den beiden nicht direkt gewählten Gremienkollegen in der Minderheit sein wird.

3. Ist der Verein noch handlungsfähig?

Ein angeschlagener Präsident, ein zerstrittenes Präsidium und ein Vereinsbeirat, der den Bruch des Ausgliederungsversprechens nicht verhindern konnte, sie müssen den Mitgliedern nun möglichst bald eine Perspektive aufzeigen. Der Wunsch nach Abwahl von Gremienmitgliedern steht im Raum, während gleichzeitig grundsätzliche Debatten über das Verhältnis zwischen e. V. und AG zu erwarten sind.

Soll noch vor den Sommerferien eine Mitgliederversammlung stattfinden, hat die Einladung zeitnah zu erfolgen. In einer zweiten Mitgliederversammlung im Herbst könnte die Nachwahl der vakanten Posten stattfinden. Die Übergangsphase samt einem möglichen Präsidentschaftswahlkampf zu moderieren, ist eine Mammutaufgabe. Verschiedene Kräfte von innen und außen werden versuchen, auf diese Prozesse Einfluss zu nehmen. Ein neuerlicher Machtkampf und eine weitere Zerreißprobe drohen.

4. Was wollen die Mitglieder?

Obwohl die Mitgliederzahl stetig ansteigt und auf die magische Grenze von 100 000 zusteuert, nehmen nur relativ wenige aktiv am Vereinsleben teil. In den sozialen Medien und Fanforen, aber auch in Blogs, Podcasts und der Presse wird der neuerliche Machtkampf beim VfB dagegen intensiv und kontrovers diskutiert.

Dabei ist nicht zu übersehen, dass es Kräfte gibt, die die alleinige Schuld beim amtierenden Präsidenten abladen wollen. Sobald Claus Vogt nicht mehr für Unruhe sorgt, werden sich die Dinge schnell einrenken, lautet die ziemlich naive Hoffnung. Offensichtlich haben manche vergessen, welche Konflikte seit inzwischen einem Jahrzehnt im Verein brodeln.

Andere stellen die Ausgliederung in eine AG grundsätzlich in Frage, da die Mitglieder in dieser Rechtsform sehr wenig Einfluss auf die Kapitalgesellschaft haben. Auch neue Impulse für die vereinsdemokratischen Prozesse werden gefordert, um dem Votum der Mitglieder mehr Gewicht zu verleihen.

„Pop pop poppeldipoppeldipositiv
positiv, nicht negativ
Deshalb denke absolut
und mache nicht auf relativ“

Aus: Die Fantastischen Vier – Lass die Sonne rein, 1992

Die Herausforderungen sind gewaltig, die Gräben tief. Die VfB-Mitglieder haben im Grunde nur eine Chance: zusammenhalten und an einem Strang ziehen. Destruktive Gegenrede ist im Umfeld zu einer Art Volkssport geworden, konstruktives Miteinander wird man sich mühsam erarbeiten müssen.

Zum Weiterlesen:

Nur Verlierer – Vertikalpass

Verein für Betrug – Rund um den Brustring

VfB-Aufsichtsratschefin Tanja Gönner: „Ich bin wohl eine Übergangslösung“ – VfB Stuttgart (stuttgarter-nachrichten.de)

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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