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Flieg nicht so hoch

Dank Sky lebt die Bundesliga noch. Dank Sky haben wir die Mannschaft, der wir früher am Wochenende quer durch Deutschland hinterher reisten, noch nicht vollkommen vergessen. Dank Sky bekommen die Mainzer Spieler überhaupt noch Gehalt überwiesen. Dank Sky verdient Holger Badstuber in der Regionalliga kolportierte drei Millionen pro Jahr. Was würden wir nur ohne Sky machen?

Nun, es gibt das Bundesliga-Radio vom sympathischen Familienunternehmen Amazon, den Live-Ticker der lokalen Presse, oder eine kurze Schalte in der Schlussviertelstunde, wenn du vorher vom Gedudel auf SWR 1 noch keinen Drehwurm bekommen hast. Mit den unvergesslichen Radioreportagen eines Gerd Million in der SDR-Sendung „Heute im Stadion“ hat das nichts mehr zu tun. Wer dieser Tage Fußballfan bleiben möchte, muss ein dickes Fell haben. Ich habe mir sagen lassen, es gebe Leute, die bis zum Abend ausharren, um sich das Spiel des Herzensvereins im clubeigenen TV-Kanal anzuschauen.

Manche Bundesligisten bringen es angeblich fertig, ihren Anhängern auf diese Weise eine kleine Entschädigung dafür zu bieten, dass Stadionbesuche derzeit schwierig oder sogar unmöglich sind. Nicht so der VfB. Dessen Angebot ist nicht nur kostenpflichtig, sondern man fragt sich auch ständig, ob die Kindersicherung noch aktiviert ist. Zugegeben, die Darbietungen der Mannschaft waren in der zurückliegenden Saison bisweilen obszön, aber müssen die Cannstätter ihr Angebot deswegen gleich jugendfrei verpixeln? Ja, die „Cannstätter“, ihr habt richtig gelesen. So nennt der VfB-TV-Kommentator unsere Mannschaft liebevoll. Gerd Million würde sich im Grab umdrehen.

Genug der Vorrede, allen Widrigkeiten zum Trotz durfte ich zahlender Zeuge des 4:1-Auswärtssiegs werden. Seit dem 12. Mai 2018 hat der VfB in der Bundesliga auswärts nicht mehr so hoch gewonnen. Ihr erinnert euch sicher. Ich sage nur Ginczek, Donis, Akolo, Ginczek und: „Ich halte heute die erste Rede, in der die Abwärtsspirale der letzten Jahre keine Rolle mehr spielen wird.“ Auch nach dem Spiel in Mainz sind erste leicht euphorisierte Stimmen zu vernehmen, die von der Generation Endo – Silas – Sasa träumen. Ohne Zweifel stechen diese drei Spieler zum Saisonauftakt heraus und machen Mut, dass die Mannschaft mehr in die Waagschale werfen kann als letzte Saison. Das Zustandekommen des ersten Saisonsiegs sollten wir aber nicht außer Acht lassen. Es war ein glanzloser, am Ende um mindestens ein Tor zu hoch ausgefallener Pflichtsieg gegen einen bemerkenswert schwachen Gegner.

Zwischen der 13. und 78. Spielminute sahen die gut dreitausend  Zuschauer im Mainzer Wellblechpalast ein Spiel auf mittlerem Zweitliganiveau: kaum gelungene Spielzüge, viele Ballverluste und erbitterte Zweikämpfe im Mittelfeld. Die beiden VfB-Tore in dieser Phase waren sicher nicht das Ergebnis einer Drangperiode, sondern fielen quasi aus dem Nichts. Einmal dank eines energischen Antritts von Gonzalo Castro im Mittelkreis, gefolgt von einem ausnahmsweise einmal gut getimten Abspiel auf Silas Wamangituka, zum zweiten nach einem schönen Steckpass des unermüdlichen Endo unter gnädiger Beihilfe der Mainzer Hintermannschaft.

Mit den ersten und letzten zwölf Minuten darf man als VfB-Fan dennoch zufrieden sein. Zu Beginn des Spiels ließen die Olivgrünen den Ball endlich einmal so laufen, wie wir uns das vorstellen. Hellwach und handlungsschnell, nur leider im Abschluss wieder einmal zu inkonsequent. Sechs Ecken allein in der Anfangsphase, keine davon freilich auch nur ansatzweise gefährlich. Das muss man erstmal hinkriegen. Nach dem Platzverweis gegen Niakhaté nutzten die schnellen Einwechselspieler dann die Auflösungserscheinungen der Mainzer Abwehr. Schön zu sehen, dass in dieser Phase auch die Youngster Klimovicz, Massimo und Coulibaly ihre Nervosität ablegen und zum letztlich deutlichen Sieg beitragen konnten.

Ich halte es für klug, aus diesem Spiel nicht zu viele Rückschlüsse für die Saison zu ziehen. Das gute Gefühl und das Selbstbewusstsein, das die Rasselbande aus Mainz mitnehmen wird, sind für die Entwicklung der Mannschaft immerhin hilfreich. Und noch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die zahlreichen Trainer, die unsere Bank bevölkern, eine sinnvolle Liste für die Trainingsinhalte der kommenden Woche erstellen können. Standardsituationen und die Zuordnung in der Dreierkette sollten darauf ziemlich weit oben stehen.

Wenn kommenden Samstag der nächste Angstgegner auf dem Spielplan steht, erwarte ich nicht, dass unser Gegenüber wieder streikt oder uns zum Tore schießen einlädt. Dann gibt es an dieser Stelle vielleicht eine weitere Danksagung zu lesen. Nicht für die Rettung des Fußballs, sondern dafür, dass die rheinische Chemie AG den kleinen Ikarus davor bewahrt hat, sich die Flügel zu verbrennen.

FSV Mainz 05 – VfB 1:4

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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