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Zu spät aufgewacht

Zu ungestüm: Leweling bringt Agu im Strafraum zu Fall. (Foto: Carmen Jaspersen / dpa)

Diesmal ist es nicht das „Dobbspiel“, sondern einer dieser Nachmittage am Bremer Osterdeich, die man als VfB-Fan in schlechter Erinnerung hat. Seit 2007 konnten die Weiß-Roten nämlich nur einen Sieg im Weserstadion erringen. Auch am Sonntag läuft es für die Schwaben nicht besonders gut, doch in der Endphase dieser fantastischen Saison können sie sich sogar eine Niederlage leisten.

Unsortiert

Sebastian Hoeneß lässt Nationalspieler Führich zunächst auf der Bank und setzt auf den formstarken Leweling sowie den ballsicheren Millot. Statt einer Flügelzange möchte der Coach den Gegner mit vielen Positionswechseln im Angriff überraschen. Dieser Plan geht nicht auf. Das sonst so starke Stuttgarter Positionsspiel gerät am Sonntag aus dem Gleichgewicht. Hinter der ersten Pressinglinie tun sich erstaunliche Lücken auf, viele zweite Bälle landen bei den Grün-Weißen.  

Ole Werner hat aus dem Hinspiel und der Klatsche in Leverkusen gelernt und bildet ein kompaktes Zentrum, das den Spielaufbau der Gäste empfindlich stört. Da braucht es schon einen Traumpass wie den von Ito auf Undav, den der 16-Tore-Mann leichtfertig vergibt (5.). Der Plan der Hausherren geht dann 20 Minuten später auf: Woltemade lässt prallen, Weiser schickt Agu mit einem schönen Schnittstellenpass, den Leweling plötzlich als letzter Mann verteidigen muss: Elfmeter. Besonders geschickt stellt sich der Flügelspieler dabei nicht an.

Gleiches gilt für Mittelstädt und Stiller, die Romano Schmid kurz nach Wiederanpfiff auf der rechten Bremer Angriffsseite ziehen lassen. Ito rückt nicht heraus und Anton ist im Zentrum falsch positioniert: Ducksch bedankt sich mit dem 2:0. Obwohl der VfB bis dahin die größeren Spielanteile und die klareren Torchancen hatte, rückt ein Auswärtssieg plötzlich in weite Ferne.

Abseits statt Elfmeter: Jung reißt Guirassy im Fünfmeterraum um. (Foto: IMAGO/RHR-Foto)

Den Hausherren ist dann auch das Glück hold, als Schiedsrichter Schröder zunächst Zetterers Hände im Gesicht von Stiller nicht ahndet (68.) und Videoreferee Zwayer in der Schlussphase die Abseitslinie so lange kalibriert, bis auf dem Bildschirm die rote Linie vor der schwarzen liegt. Pikant: Der vermeintlich im Abseits stehende Guirassy wird fünf Meter vor dem Tor von Jung umgerissen, was einen klaren Elfmeter bedeutet hätte. Leider nur im Konjunktiv, wie so vieles an diesem Nachmittag.

Nach 11 ungeschlagenen Bundesligapartien verliert der VfB in Bremen einerseits ein bisschen unglücklich, andererseits hat sich die Mannschaft die Niederlage selbst zuzuschreiben, weil sie erst nach 0:2-Rückstand richtig aufwacht.

Wer ersetzt Stiller?

Spieler im Brustring, die besonders herausstechen, gibt es diesmal keine. Widmen wir uns also an dieser Stelle dem japanischen Nationalspieler Hiroki Ito, einem der intelligentesten Verteidiger der Bundesliga. Seine Antizipation, sein Stellungsspiel, seine Spieleröffnung sind genauso bemerkenswert wie sein steiler Aufstieg aus der zweiten japanischen Liga. Abgesehen vom Pokal-Aus in Leverkusen erinnert man sich kaum an eine schlechtes Saisonspiel von ihm, in Bremen gehört er wieder einmal zu den Besten im Brustring.

Undav stochert den Ball zum Anschlusstreffer über die Linie. (Foto: vfb.de)

Auch Angelo Stiller tritt in dieser Saison so solide, dass er selbst mit einer schwächeren Leistung nicht abfällt. Im Mittelfeldzentrum kann er das Spiel diesmal nicht so dominieren wie gewohnt, in der Entstehung des 2:0 sieht auch er nicht gut aus. Besonders wird sich der Trainer über Stillers fünfte Gelbe Karte ärgern, weswegen das Mastermind des VfB-Spiels in der BayArena fehlen wird.

Mo Dahoud drängt sich als Ersatz nicht gerade auf. In Bremen fällt er durch unsaubere Kontakte und riskante Ballverluste auf. Dem Angriffsspiel kann er kaum Impulse geben. Millot ist eine weitere Option auf der Doppelsechs neben Karazor, doch auch der Franzose erwischt bei der zweiten Rückrundenniederlage nicht seinen besten Tag. Nach einer Rangelei mit Bittencourt wird er verwarnt und bleibt nach der Pause in der Kabine. Am kommenden Samstag müssen alle Brustringträger eine Schippe drauflegen, wenn sie gegen den Deutschen Meister eine Chance haben wollen.

Neue Anforderungen

Personell sind die ersten Pflöcke für die kommende Saison eingeschlagen: Nübel, Anton, Stiller und Millot bleiben den Schwaben wohl erhalten, Keitel, Woltemade und Diehl stehen dem Vernehmen nach kurz vor einer Verpflichtung. Die Mannschaft wird im Sommer ihr Gesicht stärker verändern, als es den Verantwortlichen lieb wäre. Auf ein weiteres Jahr mit Guirassy, Undav und Führich im Brustring möchte derzeit wohl niemand Wetten abschließen.  

Für die kommende Saison muss vor allem die zweite Reihe mehr Optionen bieten. Mindestens acht zusätzliche internationale Spiele erfordern einen Kader, der auch auf den Positionen 15 bis 18 wettbewerbsfähig besetzt ist. Für die Fans bedeutet das wahrscheinlich den Abschied von liebgewonnenen Spielern: Weder Silas noch Egloff dürfen sich Hoffnungen auf nennenswerte Einsatzzeiten machen. So beginnt vier Spieltage vor Saisonende schon der melancholische Teil einer rasanten Spielzeit. Die Champions-League-Teilnahme wird der Hoeneß-Elf trotz der Pleite in Bremen kaum mehr zu nehmen sein.

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Rund um den Brustring sieht in der Niederlage zwar einen Dämpfer, aber keinen Grund zur Besorgnis.

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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