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Das Gesetz der Serie

Einen einzigen Sieg, 14 Pünktchen und 20:42 Tore holte der VfB aus den letzten 23 Auswärtsspielen in der Bundesliga. Bei der Zahl der Auswärtsfahrer liegen die Stuttgarter dagegen auf einem der vorderen Plätze. Dass viele Fans schon auf der Fahrt an den Niederrhein das eine oder andere Kaltgetränk öffnen, versteht sich von selbst. Aber warum tritt die Mannschaft in den ersten Minuten regelmäßig so auf, als hätten SIE vor dem Spiel einen ganzen Kasten geleert? Darauf hat offensichtlich auch Herr Wimmer keine Antwort.

Wieder ein frühes Gegentor: Hofmann trifft zum 1:0. (Bild: Getty Images)

Eine unreife Mannschaft

Man kann den Mannen um Kapitän Endo nicht vorwerfen, dass sie das Spiel im Borussia-Park abgeschenkt hätten. Stellenweise blitzt das Können der Mannschaft auf, wenn sich beispielsweise Tiago Tomás im Strafraum blitzschnell um einen Verteidiger dreht (35.), wenn Naou Ahamada im Mittelfeld mal schnell den Turbo anwirft, oder Sosa und Führich sich sehenswert auf links durchkombinieren. Der Haken an der Sache: Die Spielzüge werden in den seltensten Fällen konsequent abgeschlossen. Und: Einer gelungenen Aktion folgen in besorgniserregender Regelmäßigkeit Ungenauigkeiten und falsche Entscheidungen.

Erfolgreiche Mannschaften zeichnet eine gewisse Reife aus. Sie wissen intuitiv, was in der jeweiligen Spielsituation zu tun ist. Die Kunst besteht darin, einerseits die Stärken des Gegners zu erkennen und zu neutralisieren, andererseits seine Schwächen gnadenlos auszunutzen. Den Gästen gelingt am Freitagabend weder das eine noch das andere. Dabei wirkt die Gladbacher Abwehr um Ersatztorwart Sippel und die Innenverteidiger Friedrich und Jantschke alles andere als unüberwindbar.

Der VfB erinnert an ein kleines Kind, das die ersten Versuche auf dem Fahrrad unternimmt, endlich das Gleichgewicht findet und seiner Mutter stolz zuruft: Schau mal, Ma … – rumms! Und dann ist das Geschrei groß. In der Bundesliga reicht es eben nicht, talentierte Spieler zu haben. Du brauchst Wettkämpfer, die pünktlich zum Anpfiff in der Lage sind, ihre Qualität auf den Platz zu bringen.  

Frühe Gegentore mit Ansage

Borussia Mönchengladbach hat unter Trainer Daniel Farke einen Spielstil entwickelt, der von Spielkontrolle und Ballbesitz geprägt ist. Das dürfte den Schützlingen von Michael Wimmer vor dem Spiel bekannt gewesen sein. Trotzdem können sie in der vierten Minute einen geradezu geruhsam vorgetragenen Angriff der Gastgeber über die linke Seite nicht verteidigen. Jonas Hofmann darf Pleas Hereingabe in den Rückraum ungehindert verwandeln. Schon zum achten Mal (!) in dieser Saison liegt der VfB früh zurück.

Wie oft wurde diese Schwäche schon angesprochen? Wie oft wurde schon gefordert, von Anfang an hellwach und aggressiv zu sein? Doch weder Matarazzo noch Wimmer haben es bisher vermocht, einen Lernrpozess bei der Mannschaft auszulösen. Inzwischen macht sich allgemeine Ratlosigkeit breit. „Es hilft nichts anderes, als die jeweiligen Situationen der frühen Tore einzeln zu betrachten und zu analysieren“, kommentiert Sportdirektor Mislintat. Die Cannstatter Daueranalyse – da ist sie wieder.   

Neue Impulse

Seit Interimstrainer Wimmer übernommen hat, gelangen in drei Heimspielen drei Siege, auswärts ging man zweimal leer aus. Schreiben wir also das Gesetz der Serie fort, wird der VfB auch am kommenden Dienstag gegen die Hertha ein frühes Gegentor kassieren, die Partie dann aber mit einer gewaltigen Energieleistung drehen, um am Samstag die Punkte in Leverkusen abzuliefern.

Man muss kein Weltmeister, Champions-League-Gewinner und fünfmaliger italienischer Meister sein um zu erkennen, dass es beim VfB an vielem fehlt. Auch wenn die Mannschaft nicht müde wird, ihren derzeitigen Übungsleiter zu loben, ist es notwendig, neue Impulse zu setzen. Sami Khedira verfolgt das Freitagabendspiel wieder einmal mit besorgtem Blick von der Tribüne. Er dürfte schon ein paar Kandidaten im Kopf haben, denen er die Aufgabe zutrauen würde. Allerdings fungiert der Meisterspieler von 2007 nur als einer der externen Berater des Vorstandsvorsitzenden, der zunächst andere wichtige Entscheidungen zu treffen hat. Trotz WM-Pause steht dem VfB eine bewegte Adventszeit ins Haus.

VfL Borussia Mönchengladbach – VfB Stuttgart 3:1

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

Ein Kommentar

  • Thilo Schäfer - „Thilo Grauhaarseggl“

    Servus,

    dein Artikel trifft den Nagel auf den Kopf, für mein Gefühl kam gestern noch eine Bundesliga unwürdige Schirileistung dazu, wobei das als Grund nicht zählen darf.

    Renn schon seit 40 Jahren dem Verein hinterher, bin Mitglied und hatte sogar Möglichkeiten in den Vereinbeirat gewählt zu werden.

    Es ist wie wenn ein Fluch über allem liegt.

    Viele Grüße
    Thilo Schöfer

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