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Rekord – was denn sonst?

Der Torschütze und der Vorbereiter feiern das Tor des Tages. (Foto: Ina Fassbender / AFP)

Vor dieser Saison waren Spiele gegen den selbsternannten Bayern-Verfolger aus Dortmund meistens Streichergebnisse. 14 der 18 Bundesligapartien zwischen 2013 und 2023 verlor der VfB. Umso bemerkenswerter die Bilanz in der laufenden Saison: drei Spiele, drei Siege. Beim BVB wissen sie genau, warum ihr Team sechs Spieltage vor Schluss um die Champions-League-Qualifikation bangen muss.

Das Jubiläumsspiel im Westfalenstadion ist kein Leckerbissen wie die Duelle mit Tabellenführer Leverkusen, sondern von Zweikämpfen und soliden Defensivreihen geprägt. Bei den Gästen steht dabei eine Abwehrkette auf dem Platz, die zum ersten Mal in dieser Formation zusammenspielt. Ange, der Libero – eine Geschichte wie aus einem Fußballroman.

Hoeneß überrascht mit Stiller

Im Vorfeld der Partie rätselten Presse und Fans, wer Kapitän Anton in der Innenverteidigung ersetzen könnte. Die Antwort: Angelo Stiller spielt zwischen Vagnoman und Ito zentral in einer Dreierkette, Karazor und Millot übernehmen das Ruder vor der Abwehr. Sebastian Hoeneß überrascht mit dieser Aufstellung sicher auch seinen Trainerkollegen, denn Stiller galt nicht nur als unersetzlich im Mittelfeld, sondern ist in einem Punktspiel noch nie als Verteidiger aufgelaufen.

Kann das angesichts der geballten Offensivkraft des Gegners gut gehen? Es kann. Obwohl der ehemalige Hoffenheimer bereits in der 10. Minute Gelb sieht, als er einen Konter regelwidrig unterbindet, hält er bis in die Nachspielzeit die VfB-Abwehr zusammen. Seine Ballsicherheit, das gute Stellungsspiel und der ruhige Spielaufbau geben dem VfB die notwendige Struktur. Dass Stiller nicht der beste Kopfballspieler und auch nicht der Schnellste ist, wissen die Dortmunder nicht für sich zu nutzen.

Schlotterbeck erkundigt sich bei Guirassy, wie man Tore schießt. (Foto: Ina Fassbender / AFP)

Sebastian Hoeneß hat es geschafft, seiner Mannschaft einen Spielstil zu verordnen, der selbst unter hohem Druck auf sauberes Kurzpassspiel setzt. Leweling und Mittelstädt unterstützen die Abwehrkette auf den Außenpositionen und geben dem Spiel bei eigenem Ballbesitz Breite. Selbst gegen einen ersatzgeschwächten VfB ist es in dieser Saison nicht leicht zu spielen. Die Gelb-Schwarzen bestimmen zwar über weite Strecken den Rhythmus, können ihre wenigen Torchancen aber nicht nutzen. So entscheidet Torjäger Guirassy das Duell der Champions-League-Aspiranten mit einer trockenen Direktabnahme aus elf Metern (64.).

Lauf, Jamie, lauf!

Der Mann des Tages ist für mich Jamie Leweling. Zu Beginn der Saison wirkten manche seiner Aktionen, ähnlich wie bei seinem direkten Konkurrenten um die Position auf dem rechten Flügel, ein bisschen unkoordiniert. In Dortmund liefert Leweling ein blitzsauberes Spiel als rechter Schienenspieler ab: defensiv aufmerksam gegen Adeyemi und Maatsen, offensiv immer wieder mit gefährlichen Läufen. So auch vor dem Tor des Tages: Führich und Guirassy kombinieren sich schnell durchs Mittelfeld, Leweling geht den Weg auf rechts mit und serviert dem Torjäger eine maßgenaue flache Hereingabe. Nach 85 Minuten verlässt der gebürtige Nürnberger völlig ausgepumpt den Platz.  

Jamie Leweling feiert nach seiner Torvorlage auf Guirassy. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Nach seiner bisher schwächsten Saisonleistung gegen Heidenheim gehört Alexander Nübel in Dortmund wieder zu den Besten. Erst lenkt er Cans Schuss aus 20 Metern zur Ecke (14.), dann rettet er gegen den durchgebrochenen Adeyemi per Fußabwehr (31.) und behält auch in der hektischen Schlussphase die Ruhe. Sollte der VfB nächste Saison wirklich in der Champions-League antreten, wird man einen Torhüter wie Nübel brauchen.

Ein Extralob hat sich die kleinste Abwehrkette der Welt verdient. In der zweiten Halbzeit stemmen sich Stergiou (1,81 m), Stiller (1,83 m) und Ito (1,88 m) gegen die Dortmunder Offensive mit dem bulligen Nationalstürmer Füllkrug. Die Gastgeber erarbeiten sich zwar ein klares Übergewicht, spielen aber nur wenige klare Torchancen heraus. In der 80. Minute haben die Weiß-Roten jedoch Glück, dass Schlotterbeck den Abpraller nach einem Nmecha-Kopfball aus kurzer Distanz ins Fangnetz vor der Südtribüne jagt.

Kurs Vizemeister

Die Extrapolation ist eine wissenschaftliche Methode zur Prognose von Daten. Dabei werden Trends aus der Vergangenheit in die Zukunft fortgeschrieben. Übertragen auf die laufende Bundesligasaison bedeutet das: Der VfB wird eher Vizemeister, als dass Leipzig und Dortmund ihn noch überholen. Der Serienmeister aus Fröttmaning hat alleine vier der letzten zehn Spiele verloren.

Nur Leverkusen steht in der Formtabelle über dem VfB. (Quelle: fussballdaten.de)

Wissenschaft hin oder her, ein Einbruch der Mannschaft von Sebastian Hoeneß käme so unerwartet wie Schneefall im April. Wer das Freitagspiel zwischen Frankfurt und Bremen gesehen hat, darf ganz ohne Vereinsbrille davon ausgehen, dass der VfB aus den nächsten beiden Partien etwas mitnehmen wird. Mit 66 Punkten dürfte den Schwaben der vierte Platz kaum noch zu nehmen sein.

Schon jetzt ist es für den VfB eine Saison der Rekorde: Noch nie gewann eine Mannschaft im Brustring in der Bundesliga fünf Auswärtsspiele hintereinander, kein Torjägerduo erzielte bislang mehr Tore als Undav (15 Tore) und Guirassy (24), die Bestmarke von „Torero“ Gomez (24) aus der Spielzeit 2008/2009 wackelt. Der Knipser aus Guinea hat die Schwaben in dieser Saison schon neun Mal mit 1:0 in Führung geschossen. Rekord – was denn sonst?

Borussia Dortmund – VfB Stuttgart 0:1

Zum Weiterlesen:

Monumental – Rund um den Brustring kommentiert, dass der VfB in Dortmund nicht sein bestes Spiel gezeigt hat, das Saisonziel jetzt aber nur noch Champions League heißen kann.

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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