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Ohne Auswahl keine Wahl

Schon vor der Nominierung durch den Vereinsbeirat hieß es immer wieder, Pierre-Enric Steiger sei ein ernst zu nehmender Bewerber. Wer seinen Namen googelte, fand aber außer der Björn Steiger Stiftung nicht viel. Um den Gegenkandidaten zu Claus Vogt besser kennenzulernen, habe ich ihm einige Fragen zukommen lassen, die er so ausführlich beantwortet hat, dass ihr das Interview in zwei Teilen lesen werdet. Zunächst geht es um den Freundeskreis, das Team Steiger und die Bedeutung der Mitglieder und Fans beim VfB.

Herr Steiger, bei den Mitgliedern und Fans sind Sie bisher ein unbeschriebenes Blatt. Wie würden Sie
sich und Ihre Kandidatur für das Präsidentenamt in zwei Sätzen beschreiben?

In zwei Sätzen kann man die umfassende Frage nicht beantworte. Sonst käme da nur zwei Sätze raus die ungefähr so lauten: ich bin geboren, aufgewachsen und arbeite. Und als zweites der Satz, ich kandidiere hoch motiviert für das Amt des Präsidenten.

Jetzt aber ernsthaft zu meinem Hintergrund. Vor nahezu 50 Jahren wurde ich in Backnang geboren, ich bin in Winnenden aufgewachsen und habe in Waiblingen die Ausbildung zum Bankkaufmann absolviert. Heute lebe ich mit meiner Frau und unseren drei Kindern in Winnenden. Nach mehreren beruflichen Stationen in diversen Unternehmen leite ich seit 2010 die dort ansässige gemeinnützige Björn Steiger Stiftung. Unser Motto lautet: „Wir helfen Leben retten“.

Ich liebe den Sport, ich liebe Fußball. Der VfB ist seit meiner Jugend „meine“ Mannschaft. Für die Wahl des VfB-Präsidenten trete ich an als unabhängiger Kandidat. Das bedeutet: Ich bin frei von persönlichen Interessenkonflikten oder irgendwelchen anders gearteten Verpflichtungen. Meine Kandidatur ist für mich zudem kein Sprungbrett für eine berufliche oder persönliche Verbesserung oder Entwicklung. Ich bin finanziell unabhängig und biete eine Alternative zu einem bestehenden Konzept.

Für mich ist die Position des VfB-Präsidenten ein Amt, das ich mit großer Leidenschaft und hoch motiviert ausüben möchte – für alle Abteilungen im VfB, neben dem Fußball auch Hockey, Tischtennis, Faustball, Leichtathletik, sowie die besonderen Abteilungen Schiedsrichter und Garde, für alle Mitglieder und natürlich auch für alle Fans. Ich möchte den VfB voranbringen und in eine erfolgreiche Zukunft führen.

Ein zusätzlicher Motivations-Faktor kommt dazu: Mitte März war klar, dass sich keine Präsidentschaftskandidaten finden, die Aussicht auf eine breite Unterstützung haben. Für eine demokratische Wahl braucht es allerdings mindestens zwei – in diesem Sinne – geeignete Kandidaten. Also habe ich meinen Hut in den Ring geworfen.

Sehr wohl bekannt ist im Umfeld des VfB der Freundeskreis, bei dem Sie seit 2019 Mitglied sind. Der Unterstützerverein hat im Rahmen der Ausgliederung, der Quattrex-Affäre und den Turbulenzen vor der außerordentlichen Mitgliederversammlung 2019 immer wieder Stellung zugunsten des damaligen Präsidenten Wolfgang Dietrich bezogen. Was hat Sie dazu bewogen, dem Freundeskreis beizutreten?

Ich bin in den Freundeskreis eingetreten, weil mich sein Engagement überzeugt, insbesondere bei der Förderung im Nachwuchsbereich und auch in der Leichtathletik, wo finanzielle Unterstützung dringend notwendig ist. Und ich habe die große Dankbarkeit dieser Abteilungen gegenüber dem Freundeskreis wahrgenommen und erlebt. Dies hat mich motiviert, meinen Beitrag zur Unterstützung des VfB zu leisten und mich im Freundeskreis zu engagieren.

„Der Freundeskreis ist wie ein Fanclub“

Übrigens: Die von außen herangetragene Kritik am Freundeskreis irritiert mich, weil ich den Freundeskreis anders und positiver erlebe. Der Freundeskreis ist wie ein Fanclub zu sehen, ein privat finanziertes Instrument zur Unterstützung der Jugendarbeit des VfB. Vor allem zur Förderung des Jugendfußballs und die Heranführung von jungen Spielern an den Profi-Bereich, egal, welchen soziokulturellen Background sie haben. Hierfür mehr Möglichkeiten zu schaffen ist ein gutes und positives Ziel. Ich bin mir sicher, dass viele Mitglieder diese Ansicht teilen und unterstützen werden.

In der Stellungnahme des Freundeskreises vom 27. Januar 2021 wurde Claus Vogt aufgefordert, seine Kandidatur für die Präsidentschaft zurückzuziehen, da ihm „angemessen präsidiales Verhalten“ fehle. Wie stehen Sie dazu?

Erstens: Der Vorstand des Freundeskreises hat in seiner Stellungnahme sowohl Thomas Hitzlsperger als auch Claus Vogt aufgefordert, ihre Kandidatur für das Amt des VfB-Präsidenten zurückzuziehen, weil man im Vorstand die Sorge hatte, dass dieses Duell den Verein nachhaltig beschädigen könnte.

Zweitens: Alle beteiligten Parteien und die Gremien haben aus meiner Sicht in der Auseinandersetzung nicht optimal agiert und haben es nicht geschafft, zu einer einvernehmlichen Linie zu finden.

Drittens: Die anstehenden Wahlen bieten nach der erlebten Führungskrise eine Perspektive zur Beendigung des Dauerkonflikts und für einen chancenreichen Neustart. Der Verein braucht jetzt einen Präsidenten, der unterschiedliche Interessen gut zusammenbringen kann, der vermitteln kann. Denn letztlich geht es hier doch nicht um eine einzelne Person, sondern um den VfB Stuttgart in seiner ganzen Breite.

In einem Interview mit dem Zeitungsverlag Waiblingen sprechen Sie von zwei Lagern innerhalb des Freundeskreises, die sich gegenseitig beharken. Können Sie das konkretisieren? Zu welchem Lager gehören Sie?

Es finden auch im Freundeskreis gelegentlich kontroverse Diskussionen statt. Diese internen Diskussionen beziehen sich hauptsächlich auf mögliche Aktivitäten, in welchen Bereichen man sich wie einbringt und wo man vielleicht einen stärkeren Fokus legen sollte. Diskussionen, wie es sie inhaltlich sicher in ähnlicher Form in jedem Verein oder Fan-Club ab und an gibt. Dann bilden sich temporär auch mal unterschiedliche Lager. Nachhaltige, grundsätzliche und unüberbrückbare Auffassungsunterschiede über die Arbeit des Freundeskreises nehme ich aber nicht wahr

Sie legen Wert darauf, dass Sie als unabhängiger Kandidat antreten. Welchen Einfluss hatte und hat der Freundeskreis auf Ihre Kandidatur?

Über meine Kandidatur für das Amt des VfB-Präsidenten habe ich mich mit meiner Frau beraten und wir haben gemeinsam die Entscheidung getroffen. Danach habe ich den Präsidialrat unserer Björn Steiger Stiftung konsultiert um zu klären, ob bei der Wahrnehmung meines Amtes bei der Stiftung und einer Kandidatur für eine Präsidentschaft beim VfB mögliche Interessenskonflikte vorliegen. Dies ist ein ganz normaler und notwendiger Vorgang, letztendlich konnte kein Interessenskonflikt festgestellt werden und das Gremium gab grünes Licht.

Der Freundeskreis war in meine Entscheidung nicht eingebunden. Er hat im Anschluss an meine Entscheidung aber die notwendigen 50 Unterstützerunterschriften aus der Mitgliedschaft geleistet, die satzungsgemäß für eine Nominierung erforderlich sind.

Mit Ihnen, Herrn Deutsch und Herrn Scheurer wollen drei Mitglieder des Freundeskreises bei der MV für das Präsidium kandidieren. Halten Sie die starke Vertretung des Freundeskreises bei den Bewerbern für angebracht? Sehen Sie auch Risiken?

Zur historischen Wahrheit und Klarheit gehört die Feststellung, dass Herr Deutsch kein Mitglied im Freundeskreis ist. Im Übrigen steht es jeder geeigneten Person frei, sich um eine Position im Präsidium des VfB zu bewerben. Die Kandidaten für die Wahl durch die Mitglieder kann laut Satzung nur der Vereinsbeirat nominieren, der eine Vorauswahl trifft. Mein demokratisches Verständnis ist, bei einer Wahl braucht es eine Auswahl, sonst ist es keine Wahl.

Sie haben Hubert Deutsch und Silvio Meißner als Bewerber für das Präsidium vorgeschlagen. Warum sind die beiden Ihrer Auffassung nach für diese Aufgabe geeignet?

Ich habe dem Vereinsbeirat weder Hubert Deutsch noch Silvio Meißner als Kandidaten für das Präsidium vorgeschlagen. Ich habe aber die beiden aus meiner Sicht aussichtsreichen potenziellen Kandidaten zur Kandidatur ermuntert, weil ich sie aufgrund ihrer jeweiligen Fachkompetenz und Ihrer Persönlichkeit für geeignet halte, ihre profunden Erfahrungen und Ideen zum Wohl des VfB in die Präsidiumsarbeit einzubringen. Dadurch ist der Vereinsbeirat in der glücklichen Lage, unter sechs Bewerbern die geeigneten vier Kandidaten auszuwählen. Jetzt gibt es für den Vereinsbeirat und die Mitglieder ein wirkliches Auswahlverfahren.

Silvio Meißner äußerte sich vor kurzem noch kritisch zur Vereinspolitik des VfB und schloss eine aktive Rolle aus. Wie haben Sie ihn von der Bewerbung überzeugt?

Den VfB-Fans Hubert Deutsch und Silvio Meißner liegt die sportliche Zukunft des Vereins sowohl im Amateurbereich als auch beim Profifußball am Herzen. Und sie kennen die gesellschaftliche Bedeutung des größten Sportvereins unseres Bundeslandes sowie die wirtschaftlichen Dimensionen des VfB für unsere Region.

„Meißner und Deutsch wären gut für den VfB“

Der Verein muss weiterentwickelt werden. Das geht nur mit Personen, die bereit sind, alles zu hinterfragen und auf den Prüfstein zu stellen. Personen, die neben der Kritik auch Lösungen aufzeigen können und in der Lage sind, diese umzusetzen. In unseren Gesprächen war schnell klar, dass beide über Vorstellungen und Fähigkeiten verfügen, die gut für den VfB wären. Klar ist: Ohne Spitzenfußball gibt es kein volles Stadion und keinen wirtschaftlichen Erfolg. Und die anderen Sportarten im VfB brauchen den professionellen Fußball als Zugpferd. Unser Fußball ist und bleibt identitätsstiftender Faktor.

Als Präsident würden Sie alle Mitglieder und Fans des VfB vertreten. Kennen Sie die Positionen des Fanausschusses zu der jüngsten Führungskrise? Wie wollen Sie diese Positionen berücksichtigen?

Wenn Sie sich auf das durch den Fan-Ausschuss veröffentlichte Papier zur Führungskrise im Januar beziehen, sehe ich und unterstreiche dieselbe Sorge, die doch alle in diesem Konflikt sehen. Der Schutz unseres Vereins muss an allererster Stelle stehen. Der Fan-Ausschuss hat es mit dem Satz, „Fans und Mitglieder werden zwischen Kampagne und Gegenkampagne zerrieben“, genau auf den Punkt gebracht. Fans und Mitglieder dürfen nicht zum Instrument von Machtinteressen missbraucht werden. In jedem Konflikt der so ausgetragen wird, gibt es immer nur einen ganz großen Verlierer und das ist der Verein selbst. Das darf und kann nicht in unserem Interesse sein.

Der amtierende Präsident hat viel Erfahrung mit der aktiven Fanarbeit. Was haben Sie in diesem Bereich vorzuweisen?

Verantwortung zu übernehmen in einem Unternehmen, in der Führung einer Stiftung oder in einem Verein ist immer auch ein Mannschaftssport, bei dem viele mitwirken, um gemeinsam Erfolg zu haben. Ich bin Team-Player und gewohnt, im Team zu arbeiten. Ich kann auf Menschen zugehen und zuhören. In der Fan-Arbeit geht es doch auch genau darum – um das Zuhören und mit dem Gehörten entsprechend respekt- und verantwortungsvoll umzugehen.

„Ich traue mir das zu.“

Allerdings die Aufgabe des Vereinspräsidenten lediglich auf die Fan-Arbeit zu reduzieren wird diesem Amt nicht gerecht. Der Präsident muss vor allem im WIR gestalten, vermitteln, motivieren und vorantreiben können. Er muss die Gremienarbeit im Verein und gleichzeitig in einer Kapitalgesellschaft verstehen und beherrschen. Er muss die Balance zwischen den gemeinnützigen ideellen und den wirtschaftlichen Bereichen herstellen können und auch die juristischen Feinheiten kennen. Und am Ende muss er es schaffen, das Vertrauen der Mitglieder und Fans zu gewinnen. Das Aufgabenspektrum in seiner Gesamtheit ist groß, aber entsprechende Aufgaben habe ich in meinem Leben schon mehrfach wahrgenommen. Ich traue mir das zu.

In letzter Zeit wurde immer wieder die Kritik geäußert, dass sich der moderne Fußball von den Menschen entferne. Kennen Sie die Positionen, die seitens des VfB in der Arbeitsgruppe Zukunft Profifußball erarbeitet wurden? Wie stehen Sie dazu? Welche eigenen Lösungsansätze können Sie einbringen?

Der Präsident hat angekündigt, das VfB-Zukunftskonzept werde in Kürze veröffentlicht. Bislang ist es nicht veröffentlicht, mir sind diese Positionen somit nicht bekannt. Somit kann ich es folglich nicht bewerten und lasse mich wie alle überraschen, was drinsteht. Daher will ich jetzt auch nicht im Vorgriff mit eigenen Lösungsansätzen aufwarten, sondern respektvoll das VfB Papier abwarten.

Im Umfeld des VfB gibt es zahlreiche Organisationen und Einzelpersonen, die viel Zeit und Leidenschaft in die Unterstützung ihres Herzensvereins investieren. Wie bewerten Sie die Rolle der folgenden Gruppen für die zukünftige Entwicklung: OFCs, Ultras, Blogger und Podcaster.

Sport ist ein verbindendes Element unserer Gesellschaft, es ist ein wichtiges Kulturgut. Mein Respekt gilt allen, die sich mit hohem Engagement für die Gesellschaft einsetzen. Die Vereine leben davon, dass Mitglieder und Fans sich engagieren und Mitwirkungs- und Mitspracherechte haben. Die Verbindung zwischen Ehrenamt und Hauptamtlichen ist ein wichtiger Stützpfeiler im Verein. Vor allem die Aktiven, die sich ehrenamtlich einbringen, müssen in ihrem Stellenwert immer wieder gewürdigt werden. Jeder ist wichtig, jeder muss mitgenommen werden.

Dasselbe gilt auch für die Fans, die sich Woche für Woche kreativ und engagiert für unsere Mannschaft und darüber hinaus einsetzen. Im digitalen Zeitalter sind Blogger und Podcaster der schnelle Weg zur Information rund um unseren Verein und eine gute Ergänzung zur Bindung der Fans an den Verein und vor allem an die Mannschaft. Ohne den nötigen Respekt für diesen Einsatz können wir die Zukunft nicht gemeinsam gestalten.

An dieser Stelle schon einmal vielen Dank an Herrn Steiger für seine Bereitschaft zum Interview. Den zweiten Teil mit dem Schwerpunkt Verein und AG lest ihr in den nächsten Tagen an gleicher Stelle.

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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