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Knockout durch Konter

Ein Jahr vor Beginn der ersten Winter-Weltmeisterschaft in einem Wüstenstaat fragen sich viele, ob das Fußballgeschäft noch zu retten ist. Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge lieferten zuletzt bei ihren Podcast-Auftritten den Beweis, dass sie mit ihrem Latein am Ende sind.

Unsere einzige Hoffnung sind also die jungen Spieler, die über den Tellerrand hinausblicken. Wie zum Beispiel der Joshua mit weichem „S“. Der verbringt den Winter lieber in Quarantäne als auf zugigen Fußballplätzen.

Oder Erling Haaland. Der norwegische Superstar präsentiert sich auf Instagram mal im Tanga-Badehöschen mal im Clownskostüm und schließt vorsichtshalber mit jedem Scheich einen Vorvertrag ab, damit er garantiert nicht zu kurz kommt. Beim Bundesligaspiel gegen den VfB kann er zwar nicht mitspielen, dafür hat Sky eine eigene Kamera für ihn installiert. Lacht er, der Erling? Gibt er High-Five? Geht er etwa früher nach Hause?

Selbstbewusst auf großer Bühne

Beim VfB muss man seit den beiden Niederlagen gegen Kellerkinder kleinere Brötchen backen. Vor dem Auswärtsspiel beim einzigen potenziellen Widersacher der Bayern geht es darum, endlich wieder eine konkurrenzfähige Mannschaft auf den Platz zu schicken. Als jedoch bekannt wird, dass von den erhofften Rückkehrern nur Mavropanos und Müller auflaufen können, muss man das Schlimmste befürchten.

In der Anfangsphase gehen die Bälle dann auch schnell verloren und Coulibaly wirkt als einzige Spitze schon nach einer halben Stunde ziemlich frustriert. Nach einem dunkelgelben Foul gegen Hummels schickt Matarazzo den 18-jährigen Alexis Tibidi zum Warmlaufen.

Dieses Mal geht seine Mannschaft aber nicht unter wie in Augsburg, sondern kämpft sich entschlossen in die Partie. Der Bundesliga-Rookie Ito kocht den niederländischen Auswahlspieler Donyell Malen ein ums andere Mal ab wie ein alter Hase. Endo und Mangala kreieren aus dem Mittelfeld immer wieder vielversprechende Gegenangriffe. Statt Verunsicherung strahlen die Spieler mit dem Brustring plötzlich Selbstbewusstsein aus.

Pressefoto Baumann

Nach 45 Minuten müssen sich die Schwarz-Gelben bei Gregor Kobel und Pippo Förster bedanken, dass sie nicht in Rückstand liegen. Letzterer verpasst nach einem schönen Angriff völlig freistehend eine Sosa-Hereingabe. Mit Rechts hätte er sich die Ecke aussuchen können, aber das zweite Bein hat der Bruchsaler bekanntlich nur, damit er nicht umfällt.

Der Förster-Effekt

Trotz der bekannten Schwächen beim Abschluss gibt Förster dem VfB-Spiel wieder mehr Struktur. Er löst das Pressing aus, besetzt die richtigen Räume und dient bei eigenem Ballbesitz als Anspielstation. Die Zehnerposition wird von ihm nicht so kreativ und dynamisch interpretiert wie von einem Marmoush, Führich oder Klimovicz, aber gerade gegen intensives Gegenpressing tun seine Robustheit und Ballsicherheit gut.

Über weite Strecken der Partie schafft es der VfB die Dortmunder vom eigenen Tor fernzuhalten. Wenn die Ballgewinne im Mittelfeld noch zielstrebiger und präziser in Gegenangriffe umgemünzt würden, könnte man sich fast an die erfolgreiche Spielweise aus der Hinrunde der Vorsaison erinnert fühlen. Der Leistungssprung von Augsburg und Bielefeld zu Dortmund ist erstaunlich. Pellegrino Matarazzo hat es einmal mehr geschafft, eine verunsicherte Truppe zu stabilieren, ohne Beton anzurühren.

K.o. in der Schlussphase

Bevor wir jetzt euphorisch werden, werfen wir einen Blick auf die Tabelle. Der VfB steckt unten fest, auch weil er den verdienten Punkt am Ende fahrlässig liegen lässt. „Wir hatten kein strukturelles Problem“, kommentiert Matarazzo den späten Dortmunder Siegtreffer nach einer Stuttgarter Ecke. An dieser Stelle wage ich es, dem ausgewiesenen Fachmann zu widersprechen. Die mickrige Restverteidigung wird von einem Konter überrollt, der bei diesem Spielstand nie und nimmer zustande kommen darf.

Mut und Siegeswillen in allen Ehren, aber kurz vor Schluss darf ich meine Abwehr gegen einen Gegner vom Kaliber Dortmund nicht so entblößen. 85 Minuten leidenschaftliche und effiziente Arbeit gegen den Ball sind auf einen Schlag nichts mehr wert. Nach der vierten Niederlage hintereinander steht der VfB nun in den bevorstehenden Heimspielen gegen Mainz und Hertha gehörig unter Druck.    

Der Schummler vom Osterdeich

Erling Haaland hat das Stadion dieses Mal nicht früher verlassen und beschert dem Bezahlsender die erhofften Bilder. Wem dieser Starkult und das abgehobene Fußball-Business insgesamt fremd geworden sind, erfreut sich vielleicht lieber an den Klassikern der zweiten Liga: Bremen gegen Schalke zum Beispiel. Seit Max Kruse den Klub an der Weser verlassen hat, tendiert der Glamour-Faktor dort gegen Null, dafür hat man einen weiteren Freund des gepflegten Pokerspiels verpflichtet.

Das Gesundheitsamt wollte sehen und Markus Anfang hatte nur Luschen auf der Hand. Der Werder-Trainer dachte wohl, dass die Corona-Regeln nur für das Fußvolk gelten. Nun kann er dem We-kick-Corona-Aktivisten von der Säbener Straße beim Stubenhocken Gesellschaft leisten und darüber diskutieren, wer schlussendlich wen kickt.

Wir sollten also nicht allzu viel Hoffnung in die Vorbildfunktion des Profifußballs setzen. Dort mag man zwar ein reineres Gewissen haben als einst Christoph Daum, aber für die großen Scheine dreht man sich wie ein Tanzbär im Kreis.

Borussia Dortmund – VfB 2:1

Zum Weiterlesen:

Weniger Mut, mehr Labbadia (vertikalpass.de)

Schön blöd – Rund um den Brustring

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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