Millot magnifique
Seit den Zeiten des magischen Dreiecks bemühen Beobachter gerne geometrische Formen, wenn eine Mannschaft im Brustring gut harmoniert. Die Süddeutsche Zeitung versucht es nach dem 2:0-Sieg gegen Werder etwas unbeholfen mit dem „magischen Zweieck“. Jeder Mathelehrer sollte an dieser Stelle tief durchatmen. Die Metapher passt eigentlich in keiner Hinsicht, da Guirassy und Undav bisher selten gemeinsam auf dem Platz standen, der Höhenflug der Schwaben also gewiss nicht auf ihren Kombinationen beruht.
Der Vertikalpass schließt Enzo Millot in ein neues magisches Dreieck ein, gibt aber gleichzeitig zu bedenken, dass der Trainer eigentlich „Oceans Eleven“ zusammengestellt habe. Welches Bild man auch immer zeichnen möchte, Millot darf dabei auf keinen Fall fehlen. Der junge Franzose blüht unter Sebastian Hoeneß immer mehr auf und hat maßgeblichen Anteil am Einzug ins DFB-Pokal-Viertelfinale.
Lüdenscheider Dankesgebete
Wer den Pokal-Schlager gewinnnen würde, war im Grunde schon nach Bekanntwerden der Aufstellungen klar. Gnadenloses Angriffs- und Gegenpressing gegen … ja was eigentlich? Wohlmeinende nennen es ein ultra-kompaktes 5-4-1, Autor und Taktikexperte Tobias Escher schreibt von Außenseiterfußball. Ich habe eher gelb-schwarze Angsthasen gesehen. Man könnte sagen, Edin Terzic hat sich dagegen entschieden, in einem K.O.-Spiel auf Sieg zu spielen. Ein selbsternannter Meisterschaftsanwärter und internationaler Topklub sollte nicht allzu oft so auftreten, wenn man sich nicht zum Gespött der Leute machen will.
Ganz anders der VfB. Mutig, manchmal fast schon ein bisschen übermütig, laufen die Weiß-Roten ihre Gegner an. Hohe Ballgewinne sind das Mittel der Wahl, um Torchancen zu erzwingen. Dass es trotzdem bis zur 54. Minute dauert, bis Guirassy die Gastgeber in Führung bringt, liegt auch an der Neigung des Doppelsturms zum doppelten Doppelpass. In Lüdenscheid-Nord gehen Dankesgebete gen Himmel, dass die selbstbewusste Pressingmaschine, die Hoeneß da kreiert hat, nicht auch noch zielstrebig und eiskalt agiert.
Ein Schlüssel zum Erfolg ist die Nummer 8 im Brustring, die eigentlich die 10 tragen müsste. Enzo Millot, der am Samstag gegen Werder noch auf der Sechs spielte, weicht immer wieder auf den rechten Flügel aus. Seine Stärken kommen aber zentral hinter den Spitzen am besten zur Geltung. Den ersten Treffer bereitet Millot nach Vorlage von Mittelstädt in Spielmachermanier vor, beim 2:0 ist es genau umgekehrt – nicht die erste Co-Produktion der beiden in dieser Saison.
Trotz aller Stuttgarter Dominanz gibt es nach dem Führungstreffer eine kurze Phase, in der das Spiel zu kippen droht. Beim Abseitstor von Bynoe-Gittens fehlen nur Zentimeter zum Ausgleich. In Dortmund wird man sich fragen, was wohl passiert wäre, wenn man gegen den Relegations-Teilnehmer der Vorsaison selbst ein bisschen Fußball gespielt hätte. Der nächste VfB-Gegner wird jedenfalls nicht so passiv auftreten. Dafür sorgt Xabi Alonso.
Erfolgshunger
Zu den Binsenweisheiten im Fußball gehört, dass meistens die Mannschaft gewinnt, die den Sieg mehr will. Das war am Mittwoch zweifellos das Team im roten Brustring. Wie Mittelstädt einen Einwurf an der eigenen Eckfahne feiert, wie Führich nach seiner Auswechslung schimpft, wie Karazor Bensebaini weit in der gegnerischen Hälfte das Trikot in Fetzen reißt, all das sind Anzeichen dafür, dass die Mannschaft hungrig auf Erfolg ist. Auch der für Führich eingewechselte Silas hat sich auf großer Bühne viel vorgenommen. Im Guirassy-Style legt er in der 77. Minute den Ball an Kobel vorbei und sorgt damit für die Entscheidung.
Sebastian Hoeneß dürfte es schwer fallen, die Startelf für die nächsten Spiele zu nominieren, weil einfach keiner zurücksteckt. Dabei scheint neuerdings die Regel zu gelten, dass der Ausfall eines Stammspielers mit überragenden Leistungen seines Vertreters überkompensiert wird. Zagadou überstrahlt Gladiator Mavropanos, Stiller lindert die Sehnsucht nach Legendo, Ito macht Sosa vergessen, bevor Mittelstädt den Japaner mit bärenstarken Leistungen ablöst. Fehlte uns nicht lange ein konkurrenzfähiger Rechtsverteidiger? Mit Stenzel, Vagnoman, Rouault und Leweling hat der Trainer jetzt die Qual der Wahl. Silas oder Führich? Doppelsturm oder Flügelzange? Solche Probleme hätte jeder Trainer wohl gerne.
Widerlegte Thesen
Bei der Einordnung des zweiten Sieges gegen den BVB in wenigen Wochen hilft es, einen Blick auf die zurückliegenden Duelle zu werfen. Im April 2022 zog Brandt den gehemmten Gastgebern mit zwei Toren den Stecker, im Oktober des gleichen Jahres kassierte Interimstrainer Wimmer eine empfindliche 0:5-Klatsche im Westfalenstadion. Im zentralen Mittelfeld damals: ein komplett überforderter Enzo Millot. Die Zeiten ändern sich.
Wie ist es möglich, dass eine Champions-League-Mannschaft, die letztes Jahr nur um Haaresbreite die Meisterschaft verpasst hat, gegen einen Fast-Absteiger so untergeht? Ist die Klassengesellschaft in der Bundesliga womöglich doch nicht so ausgeprägt? Müssen Teams wie der VfB gegen Spitzenmannschaften von vornherein chancenlos sein? Einige häufig postulierten Annahmen fingen schon durch die Überraschungserfolge des SC Freiburg und Union Berlin zu bröckeln, mit dem Husarenritt der Hoeneß-Schützlinge stehen sie erst recht in Frage.
Geld übersetzt sich eben nicht automatisch in Qualität. Die Duelle Führich gegen Wolf oder Anton gegen Adeyemi gehen deutlich an Weiß-Rot. Bundestrainer Nagelsmann dürfte sich zwischenzeitlich überlegt haben, die BVB-Kandidaten kurzer Hand durch VfB-Spieler zu ersetzen. Karazor und Stiller dominieren die vermeintlichen BVB-Stars im Mittelfeld nach Belieben. Der verzweifelt verteidigende Hummels wirkt mitunter wie ein in die Jahre gekommener Kreisklassen-Käptn, der eigentlich Rücken hat, aber für die Kumpels noch einmal die Töppen schnürt.
Berlin, Berlin
Die Winterpause – es ist wirklich lange her, dass man das in Stuttgart gesagt hat – kommt ungelegen, denn das Hoeneß-Team ist gerade so richtig in Fahrt. Man würde gerne die letzten Punkte zum sicheren Klassenerhalt klarmachen und am besten auch gleich das Pokal-Viertelfinale spielen. Eines ist nämlich seit Mittwoch klar: Der Titel im DFB-Pokal führt diese Saison nur über den VfB Stuttgart.
VfB Stuttgart – Borussia Dortmund 2:0
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reybucanero74
Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson