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Kulturkampf um eine Zaunfahne

Verhandlungen vor dem Gästeblock. (Foto: Getty/Köpsel)

60 statt 15 Minuten dauert die Halbzeitpause am Samstag im Bochumer Ruhrstadion. Der Boulevard ist empört und heizt den Kulturkampf an. Kapital gegen Kurve auf Sesamstraßen-Niveau. Aber auch Fußball-Fans, die mit der Ultra-Szene nichts am Hut haben, ist kaum vermittelbar, warum ein Bundesligaspiel fast wegen einer Zaunfahne abgebrochen wird.

Die Posse legt ein Dilemma der Bundesliga offen: Die aktiven Fanszenen verachten die DFL und ihre Marketingideen, gleichzeitig stellen sie ein wichtiges Asset der Vermarktung dar.

Vollbesetzte Tribünen und stimmungsvolles Ambiente sind Trümpfe der Bundesliga im internationalen Vergleich. Auf der anderen Seite sorgen Protestaktionen der organisierten Fans für Kratzer im Hochglanzprodukt.

Erst ist es totenstill im Stadion, dann stören goldene Schoko-Taler das Drehbuch, bevor die 45-minütige Verzögerung dem Ganzen die Krone aufsetzt. Vermarktungspartner und Premium-Kunden sind entsetzt.

Der Ton in der öffentlichen Debatte wird von Akteuren gesetzt, die in anderen Zusammenhängen bereits ihre Orientierungslosigkeit bewiesen haben.

Zum Beispiel der Rentner in weißen Sneakers und lila Socken, den sie sonntagvormittags immer noch im Fernsehen auftreten lassen.

Rechtsfreie Räume und zu viel Macht der Ultras diagnostiziert der Ex-Sportchef aus dem Hause Springer.

Ähnliche Ansichten sind den VfB-Fans bereits aus Zeitungen bekannt, die ohne leicht bekleidete Schönheiten auf der Titelseite auskommen. Barner und Beck machten noch nie einen Hehl aus ihrer Ablehnung der Ultras.

Der Schulterschluss zwischen Mannschaft und Kurve ist in den letzten Jahren für den VfB zu einem ernsthaften sportlichen Faktor geworden.

Das wissen auch die Verantwortlichen aus der Mercedesstraße. Daher ist von ihnen öffentlich kein böses Wort in Richtung des Commando Cannstatt zu hören. Immerhin hat man im Dezember noch gemeinsam die sensationelle Hinrunde gefeiert.

Eine Ultra-Gruppierung hängt ihre Zaunfahne nicht so einfach ab und lässt sie schon gar nicht von anderen entfernen. Was manchen wie ein Sandkastenspiel vorkommen mag, ist für die Stimmungsmacher aus der Kurve nicht weniger als ein Ehrenkodex.

Viele, die heute die Uneinsichtigkeit und Selbstbezogenheit der Ultras kritisieren, feiern sie morgen wieder für ihre aufwändigen Choreografien und die stimmgewaltige Unterstützung. Im Kulturkampf um den Fußball steckt eben eine gehörige Portion Verlogenheit.

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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