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Raus aus den Gräben und rein in die Schlacht

In den letzten Tagen sind beim VfB sehr viele Dinge passiert, die jeweils einen eigenen Text verdient hätten. Leider produziert der VfB schneller Chaos, als ich schreiben kann. Außerdem sieht das meiste verglichen mit der heutigen Entwicklung mehr aus wie ein lustiger Kindergarten.
Nach langer Stille hat sich nun auch Vogt wieder geäußert. Und nur wenige Stunden später die anderen Präsidiumsmitglieder. Nach vielen bisher versteckten Attacken und Stellvertreterkämpfen ist es jetzt klar:
Es geht raus aus den Gräben und rein in die offene Schlacht.
Versuchen wir einmal, den Überblick zu behalten.

Abteilung Attacke macht den Anfang

Das neueste Kapitel der VfB-Führungskrise eröffnete der Auslöser selbst. Thomas Hitzlsperger hätte mit seiner Entschuldigung an Claus Vogt vieles beruhigen können. Dafür hätte diese jedoch mehr sein müssen als ein paar lieblose Floskeln, die im zweiten Satz schon wieder jegliche inhaltliche Deeskalation verweigern. Und direkt danach verdeutlichen, dass der Grund für dieses Statement einzig die extrem negative öffentliche Reaktion gewesen sein dürfte.
Vielleicht eine der wenigen positiven Erkenntnisse für die VfB-Fans: Hinterzimmer-Aktionen wie die Hitzlsperger-Kandidatur scheinen in Stuttgart nicht mehr so einfach zu sein wie noch vor wenigen Jahren.

Es folgte der Vereinsbeirat mit einem Statement, welches viele Lesende bereits fassungslos zurückließ. Das Statement, in dem Transparenz versprochen wurde, brachte das das genau Gegenteil. Nichts zu der Forderung, den amtierenden Präsidenten sicher aufzustellen. Stattdessen ein Verweis auf den Datenskandal und eine Vertröstung hinter die Veröffentlichung des Ermittlungsberichts. Aber warum? Selbst wenn sich kein Vorwurf erhärten sollte, ergibt sich daraus kein direkter Angriffspunkt gegen Vogt. Genaugenommen gibt es nur einen Kandidaten, der im Zuge der Datenaffäre unter Druck steht und nur durch ein entlastendes Ergebnis vertretbarer würde. Hitzlsperger.

Es ist allgemein interessant, welcher Aufwand betrieben wird, um Hitzlspergers Kandidatur von den schweren Vorwürfen zu befreien, die ihn entlasten. Die Untersuchungsskandal bringt den e.V. an die finanziellen Grenzen? Da kann mensch erstmal einen Headhunter engagieren, um weitere Kandidat*innen zu finden. Und eine anwaltliche Prüfung, ob man Hitz nicht doch aufstellen kann, ist da auch noch drin. Und da diese positiv ausfällt, sind ja auch alle moralischen und organisatorischen Bedenken irrelevant? Die von Hitz geforderte Corporate Governance bei Personalunion von Vereinspräsident und AG-Vorstandsvorsitz? Ach.
Für das ganze Verhalten wird es gute Gründe geben. Natürlich nicht, dass die Vorsitzenden des Vereinsbeirats große Dietrich-Unterstützer und Vogt-Gegner sind.

Das Videostatement

Das nächste Highlight kommt wieder von Hitzlsperger selbst. Nach dem Freiburg-Spiel kryptisch eine Stellungnahme anzukündigen, um im Video dann fast gar nichts zu liefern. Mal reinschauen: Inszenierung und Ton sind weit weg von den hochgekrempelten Ärmeln der Präsidentschaftskandidatur. Der Pullover in dunkler Farbe und das Regal im Hintergrund setzen stattdessen wieder einen persönlichen Rahmen. Thomas, der Mensch. Sympathisch und ehrlich. Weg von dem Bild des typischen Funktionärs und machtgierigem Spalters, welches er sich in den letzten Wochen erarbeitet hat. Es schockiert immer noch, wie ein so großer Sympathie- und Hoffnungsträger so schnell so tief fallen konnte.

Die Fans erwarten Antworten. „Vielleicht zu viele, als dass [er] sie alle auf einmal geben“ könne. Es klingt, als würden von Vereinsseite aus täglich Erklärungen herausgegeben, die den Fans Einsicht in alle Details geben würden. Und als ob diese noch mehr wollen würden. Viel weiter weg von der Realität geht kaum.
Hitzlsperger möchte im Gespräch bleiben. Zu Weihnachten hätte ihm das noch jeder VfB-Fan ohne Zögern geglaubt. Aber jetzt? Unter dem Video sind die Kommentare deaktiviert. Davor hielt er eine geschlossene Presserunde ab. Und auf Twitter beschränkt sich der zuvor so aktive Hitz auf das Teilen von Bild-Artikeln. So sehr sein Verhalten bei dem teilweise auch sehr persönlichen Hass gegen ihn als Person verständlich ist, so unglaubwürdig und leer macht das alles auch seine Versprechen.

Interessantes Detail zur Datenaffäre

Dass sich Hitzlsperger danach als Opfer der gesamten Situation darzustellen versucht, ist so logisch wie erwartbar. Bei allen teils üblen Angriffen gegen ihn ist er aber nie auf die berechtigte und reichlich vorhandene Kritik eingegangen; damit hätte sich auch viel Wut unter den Anhänger*innen verhindern lassen. Und dass er mit seinem Verhalten all das selbst verursacht hat, unterschlägt er auch. Spannend bleibt beim Video so nur ein Detail zurück, seine Antwort auf die Vorwürfe in der Datenskandal-Untersuchung. Wer genau hinhört wird merken, dass Hitz diesen nicht widerspricht. Hitz erklärt sein Verhalten und verweist auf Verantwortung als Arbeitgeber sowie Mitarbeiterrechte. Welche Rechte beschnitten würden, wenn man Beweisvernichtung verhindert und nicht vor Abschluss der Ermittlung Personen zurückholen will, die ihr Amt sogar Ruhen lassen – geschenkt. Aber wieso fällt nie ein Satz, dass die Vorwürfe gar nicht zutreffen?

Mensch muss sich auch vor Augen führen, wer mit „Mitarbeiter“ gemeint ist. Welche Assoziation weckt das? Bei den meisten wohl der Sekretär der Pressestelle oder die Verwaltungsangestellte im großen Büro. Wenn man von der Geschäftsstelle wegkommt, vielleicht der Greenkeeper oder Zeugwart. Und um wen geht es? Die Führungsriege, die Entscheider. Die Personen, die sich seit Jahren für die meist katastrophalen Richtungsentscheidungen des Vereins verantwortlich zeichnen. Natürlich ist es technisch korrekt, hier von Mitarbeitern zu sprechen. Dennoch ist die Formulierung sehr geschickt gewählt. Sie suggeriert Abhängigkeitsverhältnisse und Machtgefälle, die real nicht existieren.

Vogt eröffnet den Schlussakt

Claus Vogt konnte sich das alles relativ gelassen anschauen. Während Hitzlsperger im Kreuzfeuer der Kritik stand und auch die alten Seilschaften dank der großartigen Arbeit von Menschen wie Marko Schumacher unter Druck gerieten, blieb er still.
Jetzt hat Vogt zum letzten Angriff geblasen – er hat der MV (Anm.: die ursprüngliche Aussage, die MV sei außerordentlich, war nicht korrekt) im März die Einberufung verweigert. Damit stellt er sich zur offenen Schlacht gegen all die, die etwas weniger hinschauen möchten. Die lieber schnell als genau aufklären wollen. Die sich einem kritischen Nachfrager entledigen wollen.

Aber warum sollte man Vogt seine Vorwürfe und Argumente glauben? Weil sie stimmig sind.
Eine Online-MV wäre bei der bisherigen Digitalkompetenz an der Mercedesstraße naiv. Zudem hat er dabei mehrere Bundesliga-Clubs auf seiner Seite. Und viel wichtiger: die Fans. Vogt geht Mal wieder seiner Aufgabe nach, und dass ist wieder das Problem. Inzwischen ist absehbar, dass der Esecon-Bericht erst Anfang Februar abgeschlossen sein wird und dann noch die juristische Einschätzung ansteht (Die Spitze Vogts, dass sich hier der günstigsten Möglichkeit verweigert wird, trifft ins Schwarze). Schlimmstenfalls liegen zwischen Veröffentlichung der vermutlich entscheidenden Informationen und der Wahl wenige Tage. So haben immer mehr Fan-Clubs, die Cannstatter Kurve und einzelne Fans sich für eine Verschiebung stark gemacht. Vogt hört also einfach auf die, die er vertreten soll.

Die Reaktion bestätigt Vogts Behauptungen

Die Vorwürfe in Vogts Stellungnahme enthalten starken Tobak. Er soll unter Androhung von Schadenersatzforderungen bedrängt worden sein, an der MV (Anm.: die ursprüngliche Aussage, die MV sei außerordentlich, war nicht korrekt) festzuhalten. Mit einer Deadline, die zwei Wochen vor dem spätesten Einberufungsdatum liegt. Und kurz vor Veröffentlichung der Esecon-Ergebnisse. Man könnte fast das Gefühl bekommen, der Abstand zwischen diesen beiden Ereignissen soll minimiert werden.
Dieses Gefühl deckt sich mit Vogts Vorwürfen und Medienberichten über Schweigen und Behinderung – die Verantwortlichen von damals scheinen in Panik zu geraten. In das Bild fügt sich nahtlos die Ignoranz gegenüber den Argumenten von Medien, Fans und einigen Gremienmitgliedern ein.

Bezeichnend ist die Antwort seiner Präsidiumskollegen. Das Beharren auf einem fast drei Monate alten Präsidiumsentscheid und das pauschale Zurückweisen jeglicher Kritik spricht nicht gerade für starke Argumente.
Warum wäre eine Verschiebung nicht zumutbar? Weil die Herren Befriedung und Einigkeit wollen. Nicht Aufklärung oder Ehrlichkeit. Die Alteingesessenen wollen Ruhe vor den Mitgliedern und keine Nachfragen. Klarheit bedeutet für sie, dass der Chef klar ist und nicht, dass Vorwürfe aufgeklärt werden.
Und wie soll denn Klarheit herrschen, wenn der neu gewählte Präsident im schlimmsten Fall nach zwei Monaten auf Grund der Ermittlungsergebnisse den Hut nehmen muss?

All das passt perfekt in die Situation, die Vogt beschreibt. Spätestens jetzt ist das Präsidium und damit der Verein im offenen Kampf – gegeneinander. Zum ersten Mal stellen sich Mitglieder eines Gremiums nun öffentlich frontal gegenüber und damit erreicht der VfB Mal wieder eine neue Stufe auf der Chaos-Skala. Er zwingt die Beteiligten jedoch auch, Stellung zu beziehen. Mutschler und Dietrich-Kumpel Gaiser haben sich entschieden.

Was bleibt?

Es bleibt viel Sorge, aber auch ein wenig Hoffnung.
Hitzlsperger soll eine Stellungnahme zu seiner Kandidatur für die nächsten Tage angekündigt haben. Mit einem glaubwürdigen Rücktritt von seiner Bewerbung könnte er unfassbar viel Druck vom Kessel nehmen. Um bleiben zu können, müsste er einen unfassbaren Bußgang antreten, sein Fall ist und bleibt unfassbar tief.
Aber falls Hitz bereit ist diesen Weg zu gehen, sollten wir VfB-Fans mit ihm gehen. Er hat sich das nicht nur durch seine bisherigen Leistungen verdient. Mensch muss auch im Blick behalten, wie unerfahren Hitz in seiner Position ist und wie erfahren die, die sich allem Anschein nach seiner bedienen. Wenn diese Einsicht erfolgt, hat er eine Chance verdient.
Nur glaube ich an all das nicht.

Mehr Hoffnung liegt tatsächlich beim sonst so ungeliebten Mitgesellschafter. Vogt wird seine Andeutung, dass sich auch Daimler eventuell mit den Ergebnissen der Untersuchung beschäftigen wird, nicht zufällig gemacht haben. Es ist möglich, dass einige handelnde Personen die Unterstützung verlieren – im besten Fall sogar Porth selbst. Auch hier bleibt es vage und alle Hoffnung liegt in den Ergebnissen der Esecon-Ermittlung. Daher ist es umso wichtiger, genug Zeit bis zur Mitgliederversammlung zu schaffen.

Am Ende bleibt also immer noch der Esecon-Bericht entscheidend. Und nach allen Geschichten über verschleppte und behinderte Ermittlungen tun die Fans des VfB Stuttgart gut daran, die Veröffentlichung sorgsam zu beobachten und die Ergebnisse genau zu studieren.
Womit wir so schlau wie vor zwei Wochen wären. Nur frustrierter.

Anmerkung: Der Text wurde einen Tag nach der Veröffentlichung überarbeitet, um grobe Schreibfehler, wie Buchstabendreher, zu entfernen. Die Korrekturen waren nicht inhaltlicher Natur. Wer weitere Fehler findet, kann gerne darauf hinweisen. Es bleibt zu hoffen, dass der VfB Stuttgart so zur Ruhe kommt, dass wieder mehr Zeit bleibt, die eigenen Texte sorgfältiger zu redigieren.

4 Kommentare

  • Zippi

    Ziemlich einseitiges Pamphlet ohne jegliche Betrachtung der oppositionellen Sichtweise. Populistisch und grammatikalische Entblößung des Autors.

    • Ivo Siesser

      Also Herr Zippi wird jetzt hoffentlich einsehen, wie falsch er mit seiner Aussage (außer seiner
      Kritik an der Rechtschreibung) lag!

  • Micha

    Gute und schlüssige Argumentation. „Einseitig“ darf das gerne sein – wie übrigens jeder Blog und jeder Kommentar. Es ist ja die persönliche Sichtweise des Bloggers. Und wenn diese ohne Beleidigungen und Unwahrheiten auskommt ist es eine Bereicherung der Diskussion. Danke dafür!

    @Zippi – eines vorneweg: ich bin eher ein „älteres Semester“ und kotze innerlich jeden Tag über grammatikalische und orthografische Fehlleistungen sowohl in sozialen wie inzwischen auch bei eigentlich seriösen Medien.

    Ein besonderes Problem sehe ich in diesem Text da trotz einiger Fehler aber nicht, zu einer „grammatikalischen Entblößung“ fehlt noch ein gutes Stück. Dass du, Zippi, jedoch inhaltlich kein einziges Argument einer „oppositionellen Sichtweise“ zur Entkräftung anbringst, stellt für mich schon eher eine Entblößung dar. Um Grammatik geht es allerdings dabei nicht.

    • Joshua

      Vielen Dank für deinen Kommentar! Es stimmt, dieser Text ist meine persönliche Sicht. Es stellt sich die Frage, warum hier auf einem Blog investigative und sachliche Analysen erwartet werden. Diese werden zur Zeit von den Stuttgarter Medien in erfrischend hoher Qualität geliefert (siehe Marco Schumacher).
      Zu den Fehlern: Da sind tatsächlich einige Schnitzer übersehen worden. Die Sorge, dass neue Stellungnahmen eine erneute Neukonzeption erfordern, war zu groß. Die gröbste Fehler habe ich beseitigt (siehe Anmerkung). Falls ich noch etwas übersehen habe, gerne darauf hinweisen!

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