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Five Card Draw


Freunde des gepflegten Kartenspiels unter euch kennen die unangenehme Situation, wenn du eigentlich ein ordentliches Blatt hast, aber immer wieder von der Hinterhand ausgestochen wirst. Auch beim VfB spürt man gerade diesen Kontrollverlust. Wer führt diesen Klub eigentlich? Der gewählte Präsident Vogt steht – vor allem aus dem Hinterhalt des Boulevards – unter Beschuss, der Vorstandsvorsitzende versucht, vornehmlich in eigener Sache Schadensbegrenzung zu betreiben, auf der offiziellen Internetseite werden anonyme Rechtfertigungen verbreitet und der Vereinsbeirat wirkt derart desorientiert, dass man dem Vorsitzenden und seiner Stellvertreterin einen Blindenhund zur Seite stellen möchte.

Auf der Suche nach einem Ausweg

Von Vogt-Unterstützern wie Rainer Adrion hat man in den vergangenen Wochen wenig gehört. Doch am Freitag wird das Aufsichtsratsmitglied in der Presse als Stimme der Vernunft zitiert:

„Es geht nicht um Thomas Hitzlsperger oder Claus Vogt, es geht auch nicht um die AG oder den e.V. – es geht schlicht und ergreifend um den VfB als Ganzes. Es stehen in den nächsten Tagen wichtige Entscheidungen an. Wir müssen jetzt Ruhe und Übersicht bewahren“.

StN/StZ, 5. Februar 2021

Damit ist die Richtung vorgegeben, wie sich der Klub aus der verfahrenen Situation befreien kann. Auch wenn uns der Urheber des folgenden Running-Gags bald nicht mehr mit seinen launigen Ansprachen erheitern wird: Stellt euch die notwendigen Maßnahmen doch einfach wie die vier Wände eines Hauses vor.

Erstens: Transparenz im Umgang mit dem Esecon-Bericht. Das heißt nichts anderes als eine vollständige Veröffentlichung im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten. Zweitens: Eine rechtliche Bewertung der Ergebnisse und weitergehende Ermittlungen durch unabhängige Kanzleien. Die kolportierte Mandatierung der Daimler-nahen Gleiss Lutz ist ein Schritt in die völlig falsche Richtung. Drittens müssen zeitnah personelle und strukturelle Konsequenzen gezogen werden. Und viertens ist die Mitgliederversammlung zu verschieben. Nachdem die Mitgliederrechte in der Vergangenheit nachweislich mit Füßen getreten wurden, darf dieser Verdacht auf gar keinen Fall wieder aufkommen.  

Der Vereinsbeirat ist am Zug

Die Liste der vor der nächsten Versammlung zu klärenden Punkte wird immer länger. Zuerst muss sich der Vereinsbeirat zu einer grundlegenden demokratischen Regel bekennen: Die Mitglieder wählen den Präsidenten und setzen ihn gegebenenfalls auch wieder ab. Eine Ausbootung durch die Hintertür ist nach der aktuellen Satzung zwar möglich, würde allerdings einen weiteren Schlag ins Gesicht der Mitglieder bedeuten.

Gleichzeitig wird es für die Öffentlichkeit immer schwieriger, die Arbeit des Präsidenten Vogt objektiv zu bewerten. Zu viele unbelegte Anschuldigungen stehen im Raum. Bei der Aufstellung eines Gegenkandidaten ist der Vereinsbeirat bisher nicht weit gekommen. Volker Zeh konnte keine Argumente für seine Eignung liefern. Der angebliche Favorit der alten Seilschaft, Bernd Gaiser, hat in der Mitgliedschaft gar keinen Rückhalt mehr. Im Grunde muss der ganze Bewerbungsprozess neu aufgerollt werden.

Wenn sich der Pulverdampf verzogen hat, wird dem Vereinsbeiratsmitglied Rainer Weninger als Leiter der Satzungskommission eine besonders wichtige Rolle zukommen. Die Schwächen der aktuellen Satzung sind in den letzten Wochen so deutlich zutage getreten, dass die ersten Reparaturarbeiten rasch zu erfolgen haben. Ihre grundlegende Reform muss dann eines der zentralen Projekte der nächsten Monate sein.  

Aufklärung nach der Aufklärung

An erster Stelle steht aber nach wie vor die Aufklärung der Geschehnisse rund um die Ausgliederung. Es ist schwer vorstellbar, dass die ganzen Turbulenzen alleine durch datenschutzrechtliche Verfehlungen ausgelöst wurden. Der im Spiegel-Artikel postulierte, nicht ganz neue Vorwurf der Wahlmanipulation bei der Abstimmung zur Ausgliederung ist so schwerwiegend, dass beim VfB wohl bis auf weiteres per Handzeichen gewählt werden sollte. Die Durchführung einer virtuellen Mitgliederversammlung mit Online-Abstimmung ist unter diesen Umständen niemandem zu vermitteln. Selbst die geheimnisumwitterte Entlassung Schindelmeisers bekommt plötzlich noch einmal einen neuen Spin. Es gibt nichts mehr, was man dieser Führungsriege nicht zutrauen würde.

Währenddessen ist Hitzlsperger in der schwierigen Mission unterwegs, die Talfahrt seiner Beliebtheitswerte aufzuhalten. Seinen bei falschen Schiedsrichterentscheidungen so ausgeprägten Gerechtigkeitssinn hätte er mal besser bei der Aufklärung der Betrügereien walten lassen. Auch wenn der CEO selbst kaum Gegenstand der Ermittlungen gewesen sein wird, belastet ihn sein Verhalten während der letzten Monate schwer. Als Vorstandsvorsitzender kann er keine Zukunft mehr beim VfB haben. Zu groß seine Defizite in der Unternehmensführung und beim Krisenmanagement, zu gering seine Glaubwürdigkeit. Seinen einstigen Trumpf hat er innerhalb weniger Wochen fahrlässig verspielt.

Je länger die Querelen in Cannstatt andauern, desto länger wird die Liste der zu ersetzenden Funktionäre. Der VfB ist sozusagen „utterly wiped out“ oder braucht – anders gesagt – fünf Neue. Wir können nur hoffen, dass uns der Dealer jetzt ein paar brauchbare Karten auf die Hand gibt. Noch ist nämlich vollkommen unklar, wer den Wiederaufbau eines Tages einleiten soll.

Bayer 04 Leverkusen – VfB 5:2

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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