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Die schönsten Siege

Jeong gratuliert Dahoud zum Premierentor. (Foto: vfb.de)

Wenn dich feindselige Einheimische schon am Ortsschild mit provozierenden Gesten empfangen und du hinterher froh bist, dass der Mannschaftsbus unbeschadet auf der Heimfahrt ist, schmeckt ein Auswärtsdreier besonders süß. Für die Stimmung im Team, für das kollektive Selbstbewusstsein sind solche Erlebnisse wertvoller als ein glanzvoller Kantersieg. Klappe, Böllenfalltor, die Erste.

Wieder ein Ochsensturm

Korkut setzte einst auf Gomez und Ginczek, Lilien-Trainer Lieberknecht schickt am Samstag Polter und Pfeiffer auf den Platz. Die Ausgangslage für das Schlusslicht ist klar: Ab sofort helfen nur noch Siege, um die Klasse zu halten. Umgekehrte Vorzeichen gelten bei den Gästen aus Württemberg. Mit 43 Punkten aus 21 Spielen steht der VfB besser da als jemals zuvor in der Bundesliga.

In der ersten Viertelstunde läuft die Partie wie erwartet. Nach zwei Minuten schießt Führich zum ersten Mal aufs Tor von Marcel Schuhen, kurz später trifft Karazor aus guter Position den Ball nicht richtig (7.), bevor Guirassy eine starke Kopfballablage von Kapitän Anton zur Führung einnickt (14.). In der Folge gerät der Tabellendritte gegen engagierte Gastgeber jedoch gehörig unter Druck. Der völlig unnötige Platzverweis für Pascal Stenzel tut sein Übriges.

Guirassy nutzt Antons Kopfballablage zur Führung. (Foto: IMAGO/Jan Huebner)

Mehlems abgepfiffener Ausgleich (16.), Pfeiffer (41.), Antons Beinahe-Eigentor (45.+4), Justvan und Pfeiffer (59.): Der Aufsteiger aus Südhessen hat genügend Chancen (Xg 3,11), um den ersten Sieg seit 14 Spielen einzufahren, doch am Ende scheitern die Hausherren immer wieder an sich selbst oder an der aufopferungsvoll verteidigenden VfB-Abwehr. Erst in der Schlussphase kommen die Gäste ihrerseits zu vielversprechenden Kontergelegenheiten. Die erste setzt Joker Jeong an den Pfosten (88.), die zweite der ebenfalls eingewechselte Millot – den Abpraller verwertet Mo Dahoud zum vorentscheidenden 0:2 (90.+2).

Trainer Hoeneß wird sich über den sechsten (!) Auswärtssieg der Saison freuen und gleichzeitig unzufrieden sein. Der Matchplan geht nämlich im Gegensatz zu dem seines Kollegen nicht auf. Die beiden Toptorjäger im Brustring flößen zwar auf dem Papier Respekt ein, harmonieren auf dem Platz aber lange nicht so gut wie zum Beispiel Guirassy und Millot. Schlüssel zum glücklichen Auswärtssieg sind der unermüdliche Einsatz in Unterzahl und das Selbstverständnis, jederzeit ein Tor nachlegen zu können. 

Mister Unauffällig

Daxo Zagadou wirft einen riesigen Schatten, wenn er vor dir auftaucht. Sein Vertreter ist dagegen die Unauffälligkeit in Person. Hiroki Ito foult selten, wird kaum einmal laut und bringt trotzdem tadellos seine Leistung. Gemeinsam mit Nebenmann Anton wird er in Darmstadt zum Turm in der Schlacht, gewinnt 7 von 11 Zweikämpfen, klärt immer wieder per Kopf im eigenen Strafraum und bringt 95% seiner Pässe zum Mitspieler. Wie wertvoll der japanische Nationalspieler ist, werden wir wohl erst merken, wenn er eines Tages den Verein verlässt.

Hiroki Ito feiert den sechsten Auswärtssieg. (Foto: getty images)

Bei Bekanntwerden der Aufstellungen fragen sich viele, warum Enzo Millot nicht in der Startelf steht. Unter Labbadia noch als Bruder Leichtfuß abgestempelt ist der junge Familienvater inzwischen unersetzlich. Seine Leichtigkeit und Eleganz, aber auch die Hartnäckigkeit im Zweikampf und seinen genialen linken Fuß möchten wir nicht mehr missen. Also bitte, Herr Hoeneß, sprechen Sie wie einst der holländische General: Millot spielt immer!

51 Tore hat der VfB inzwischen erzielt, die drittmeisten der Liga. In Darmstadt kann sich die Offensive aber kaum in Szene setzen. Guirassy befindet sich trotz seines 18. Saisontors immer noch auf der Suche nach der Hinrundenform, Undav, Führich und Leweling bekommen überhaupt kein Bein auf den Boden. Die kommenden Monate werden für die Nagelsmann-Kandidaten vielleicht zu den wichtigsten ihrer Karriere. Da wird man doch mal kurz Luft holen dürfen, oder?

Tücken der Tabelle

Mit 46 Punkten aus 22 Spielen erreichte man bisher immer die Champions-League. Ist das so? Ich weiß es nicht, aber es ist auch völlig egal. In dieser Saison stehen mit Dortmund und Leipzig nämlich zwei Teams hinter dem VfB, die ohne Weiteres in der Lage sind, aus den restlichen 12 Partien 30 Punkte zu holen. In Cannstatt sollte man ganz cool bleiben. Die Europa-League wäre der Entwicklung der Mannschaft vielleicht zuträglicher als hochfliegende Träume von Bernabeu, San Siro oder der Anfield Road. Jetzt drehen wir aber auf der Heimfahrt vom Böllenfalltor erstmal die Musik auf: Die unverdienten Siege waren schon immer die schönsten.

SV Darmstadt 98 – VfB Stuttgart 1:2

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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