Allgemein

Das große Rechnen

Die VfB-Bilanz gegen Leverkusen ist gruselig und die Offensive der Bayer-Elf eine der gefährlichsten der Liga. Dennoch hoffen die Weiß-Roten am Sonntgnachmittag auf den zweiten Heimsieg unter Sebastian Hoeneß. Nach dem 3:2-Erfolg des VfL Bochum am Vortag steht allerdings zu befürchten, dass die Mimöschen in kurzen Höschen wieder zu großen Erwartungsdruck verspüren. Beim Abpfiff sinken die Spieler im Brustring dann erschöpft und enttäuscht auf den Rasen. Aber halt mal: Sollte nicht eigentlich der Europa-League-Halbfinalist aus dem Rheinland schwere Beine haben?

Zwei Spieltage vor Saisonende liegen die kämpferischen Schalker (30 Punkte) und Bochumer (31 Punkte) vor den Hochbegabten aus Cannstatt (29 Punkte). Die Ergebnisse der Konkurrenz können wir nicht beeinflussen, aber Rinos Hoffenheim steckt mit 32 Punkten auch noch mitten drin im Schlamassel – und ist am 27. Mai in Stuttgart zu Gast. Mit zwei Siegen aus den letzten beiden Partien kann der VfB mit den Kraichgauern zumindest gleichziehen. Entscheidend wäre dann das Torverhältnis.

Safe Space

Unter normalen Umständen würde man den Kick gegen die Werkself unter Taktikgeplänkel abheften und sich einem erquickenderen Zeitvertreib widmen. Doch den Profis im Brustring steht das Wasser bis zum Hals und die Angst lähmt die Beine. Immerhin bringen sie gegen den Ball ein diszipliniertes 5-4-1 auf den Rasen, bei Ballbesitz schiebt Vagnoman hoch auf Rechtsaußen, während sich Guirassy als Spielgestalter tief fallen lässt. Falls der Matchplan vorgab, vornehmlich die schnellen Leverkusener Konter zu unterbinden, geht das Kalkül des Trainers auf. Aber brauchen wir nicht unbedingt einen Dreier, um den direkten Abstiegsplatz zu verlassen?

Vagnoman verpasst freistehend die 2:1-Führung. (Foto: dpa/Tom Weller via stimme.de)

Die Geschichte des 84. Bundesligaduells gegen die Werkself ist schnell erzählt. Ohne die beiden fahrlässig verursachten Elfmeter, hätte wohl keine der beiden Mannschaften ein Tor erzielt. Die nennenswerten Strafraumszenen passen in einen 15-Sekunden-Clip: Azmoun und Frimpong können eine Hereingabe von Diaby nicht verwerten (8.), Endo schlägt nach Silas Vorarbeit in bester Abschlussposition ein Luftloch (17.), Vagnoman köpft aus wenigen Metern freistehend neben das Tor (72.), bevor Tapsoba eine Freistoßflanke aus kurzer Distanz ins Fangnetz der Cannstatter Kurve jagt (80.). Das Unentschieden ist ein gerechtes Ergebnis für ein Fußballspiel voller kleinerer und größerer Missgeschicke.

Geht dem VfB die Puste aus?

Nach drei Siegen aus den ersten fünf Spielen erlebt nun auch Sebastian Hoeneß seine erste Durststrecke. Auch wenn ein Punkt gegen eine Mannschaft vom Kaliber Leverkusen nicht zu verachten ist, weisen einige Spieler eine sinkende Leistungskurve auf. Besonders schmerzhaft ist diese Diagnose bei Torhüter Bredlow, der bereits im dritten Spiel hintereinander unsicher wirkt. Aber auch im Angriff stottert der Motor zusehends. Die Gegner haben inzwischen durchschaut, dass Guirassy die 9 und die 10 in Personalunion spielen will, und stören den besten VfB-Torschützen schon bei der Ballannahme. Seine Sturmpartner Tomás und Silas strahlen einfach zu wenig Torgefahr aus, um eine solide Bundesligaabwehr in Verlegenheit zu bringen.

Borna Sosa hadert mit sich und der verpassten Chance im Abstiegskampf. (Foto: dpa/Weller via gea.de)

Wer soll in den beiden verbleibenden Spielen das Ruder noch einmal herumreißen? Da kratzen sich selbst die größten Optimisten ratlos am Kopf. Mislintat sprach gerne von den Waffen seiner Spieler. Damit meinte er beispielsweise Sosas Flanken. Doch auch der Kroate wirkt zur Zeit verunsichert. Auf wen soll er denn auch flanken, wenn der einzige Zielspieler am Mittelkreis rumturnt? Und dem zuletzt so starken Josh Vagnoman gehen offensichtlich langsam die Kräfte aus. Kein Wunder, wenn man sich anschaut, wie lange der von Verletzungen geplagte HSV-Nachwuchskicker nicht mehr so oft nacheinander über 90 Minuten gegangen ist. 

Die leidige Schuldfrage

Kurzum, es sah schon mal besser aus mit der Mission Klassenerhalt. Nach jedem Rückschlag wird unter VfB-Fans gebetsmühlenartig die Schuld an der Misere verteilt. Labbadia hat die Saison verdorben! Nein, Wehrle war´s, denn der hat ihn geholt! Nein, Vogt ist verantwortlich, weil er Wehrle zum Vorstand berufen hat! Auch wenn alle Genannten zweifellos ihren Teil zu der vermurksten Spielzeit beigetragen haben, steht in erster Linie das kickende Personal in der Pflicht. Das Gerüst dieser Mannschaft spielt seit 2019 zusammen und hat bisher nur in der Saison 20/21 stabil geliefert. Einige Hoffnungsträger stecken schon seit Wochen oder gar Monaten im Tief, andere bringen ihr Potenzial einfach nicht dauerhaft auf den Platz.

Welchen Punkteschnitt Wimmer, Labbadia oder Hoeneß vorzuweisen haben, interessiert nur Statistiker und diejenigen, die den Misserfolg instrumentalisieren wollen. Natürlich muss nach der Saison eine umfassende Aufarbeitung stattfinden, mit den entsprechenden Konsequenzen. Solange der Ball rollt, dürfen wir aber erwarten, dass sich die Herren Großverdiener an die eigene Nase fassen. Trotz aller Liebesbekundungen fallen mir momentan wenige ein, deren Karriere auf der Abschussrampe steht. Und daran können ja nun wirklich nicht alleine Labbadia oder Wehrle schuld sein.

In Mainz muss man gewinnen!

Christian Gentner setzte sich einst in die Nesseln, als er behauptete, in Mainz müsse man nicht gewinnen. Nach Konsultation des Tabellenrechners muss jetzt auch der Leiter Lizenzspielerabteilung zugeben, dass am kommenden Sonntag in der MEWA-Arena nur ein Dreier zählt. Bochum (bei Hertha BSC) und Schalke (zu Hause gegen die Eintracht) dürfen schon am Samstag vorlegen. Falls es nicht klappen sollte, wissen wir also, woran es lag, dass sich die Sternchen vom Neckar nicht entfalten konnten.

Zum Weiterlesen:

Das war’s noch nicht! – Vertikalpass

Jein – Rund um den Brustring

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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