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Wir können nur Herzschlagfinale

Viel kann man nicht erwarten, wenn am 31. Spieltag das Schlusslicht gegen den Tabellenfünfzehnten antritt – zumindest keine Kunststücke und Zaubertricks. Aus neutraler Sicht bietet das Kellerduell am Samstag also genau die Magerkost, die auf der Speisekarte steht. Hertha ist nach einigen Irrungen und Wirrungen wieder zum Dardai-Fußball zurückgekehrt, der VfB kommt nach dem intensiven DFB-Pokal-Halbfinale auf dem Zahnfleisch daher.

Trotzdem lohnt es sich, einen genaueren Blick auf das vorentscheidende Spiel im Abstiegskampf zu werfen. Denn die Spieler im Brustringtrikot steuern zum dritten Mal in vier Jahren auf den ultimativen Showdown hin. Kein Hollywood-Regisseur könnte das Drehbuch spannender gestalten: Die scheinbar abgeschlagenen Berliner dürfen wieder auf die Rettung hoffen, während sich die vermeintlich erstarkten Schwaben gegen die formschwächste Mannschaft der Liga erneut einen Ausrutscher erlauben.

Florian Niederlechner spitzelt den Ball durch Bredlows Beine zum 2:1. (Foto: IMAGO/Andreas Gora via bundesliga.com)

Zu gut um abzusteigen?

Wer hat zuletzt nicht alles die These vertreten, dass der VfB mit dieser Mannschaft eigentlich im gesicherten Mittelfeld der Tabelle landen müsse? Gestandene Fußballkenner ließen sich nach den Spielen gegen Gladbach und Frankfurt zu der Aussage hinreißen, dass die Weiß-Roten eher um die internationalen Plätze als gegen den Abstieg kämpfen sollten. Wahrscheinlich haben sie die Spiele auf Schalke (Februar 23), in Leverkusen (November 22), zu Hause gegen Schalke (September 22) sowie einige Lowlights der Saison 21/22 verpasst. Da scheiterten die Hochbegabten aus Cannstatt nämlich an Mannschaften, die selbst in der Krise und folglich im Tabellenkeller steckten. Die Niederlage gegen die total verunsicherten Berliner setzt dieser unrühmlichen Serie die Krone auf. Je schwächer der Gegner, desto schlechter der VfB.

Sosa hat nach dem Spiel eine erstaunliche Erklärung parat: „Wenn wir gegen so einen Gegner spielen wie Hertha, der mit zehn Mann verteidigt, haben wir immer Probleme“. Als ob die Gastgeber mit einer Führung ins Spiel gegangen wären. Eigentlich ist es ganz einfach, Borna: Wer sich zwei so dumme Standardtore fängt wie ihr in der ersten Halbzeit, der läuft nun mal einem Rückstand hinterher. So funktioniert Fußball. An der Entstehung beider Gegentreffer übrigens beteiligt: der kroatische A-Nationalspieler himself. Vielleicht sollte sich der dienstälteste VfB-Profi lieber hinter die Ohren schreiben, dass Führungsspieler nicht am lautesten schimpfen, sondern in wichtigen Spielen mit Leistung vorangehen.

Wer soll´s machen?

Werfen wir einen Blick auf die Daten der zweiten Halbzeit im Berliner Olympiastadion: Massig Ballbesitz für die rot-schwarz Gestreiften, die phasenweise den Hertha-Strafraum belagern, aber die einzige nennenswerte Torchance resultiert aus einem Schuss von Kapitän Endo aus dem Rückraum.

Und was ist mit den hoch gehandelten Offensivspielern? Guirassy kann sich – abgesehen vom Ausgleich – kaum in Szene setzen, Tomás lässt sich immer wieder von der robusten Gangart der Berliner Verteidigung beeindrucken und der nach der Pause für ihn eingewechselte Silas präsentiert ein Best-of seiner taktischen und technischen Unzulänglichkeiten. Auch wenn es hart klingt: Der VfB hat am Samstagnachmittag keinen einzigen torgefährlichen Spieler auf dem Platz.

Auch Tiago Tomás kann sich gegen die Hertha-Abwehr nicht durchsetzen. (Quelle: Pressefoto Baumann via zvw.de)

Wenn vorne schon nichts geht, könnte man sich den bereits abgeschlagenen Konkurrenten ja mit einer konzentrierten Abwehrleistung vom Leib halten. Denkste. Nicht mit dem VfB. Da wirkt Zagadou mitunter so schläfrig wie ein satter Bär in der Frühlingssonne, Sosa verschenkt freigiebig Eckbälle und Freistöße, während Bredlow dem leidigen Torwart-Thema der letzten zwei Jahre ein weiteres Kapitel hinzufügt.

Immer auf den letzen Drücker

Wer nach 31 Spieltagen nur 28 Punkte gesammelt hat, muss sich Vorwürfe gefallen lassen. Im Falle des Traditionsklubs aus Cannstatt kommt erschwerend hinzu, dass die Bilanz in der vergangenen Saison genauso trübe aussah. Nach einem äußerst schwachen Auftritt im Berliner Westend holte das Matarazzo-Team damals in den letzten drei Spielen noch vier Punkte auf Hertha auf. Eine derart gütige Mithilfe der Kontrahenten wird es allerdings nicht jede Saison geben.

Auch innerhalb eines Spiels hat der Zuschauer oft das Gefühl, dass die Weiß-Roten förmlich auf die magische Schlussphase warten, um die Dinge doch noch zum Guten zu wenden. Der VfB macht es halt gerne spannend, schmunzeln die einen. Wer immer ein Finale furioso benötigt, hat vorher geschlampert, kritisieren die anderen. Für die 90 Minuten in Berlin trifft sicher Letzeres zu. Die Mannschaft von Sebastian Hoeneß tritt gegen den Tabellenletzten so zahnlos auf, dass sie diesmal kein Happy-End verdient hat.

Hertha BSC Berlin – VfB Stuttgart 2:1

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Unerklärlich – Rund um den Brustring

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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