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Full House

Guirassy setzt sich durch und köpft zum 1:0 ein. (Foto: IMAGO/Jan Huebner)

Flackerndes Licht und dröhnender Sound, so beginnt am frühen Samstagabend in der niedersächsischen Provinz die Kinderdisco. Beim VfL Wolfsburg träumen sie allerdings von Ruhm und Ehre. Als Niko Kovac vor zwei Jahren Florian Kohfeldt ersetzte, wollte man wieder Titel gewinnen. Dafür blättert der Volkswagen Konzern kolportierte 70 Millionen pro Jahr allein für Trikotwerbung hin.

Ganz anders der wiedererstarkte VfB aus der süddeutschen Autostadt. Da zahlt ein französischer Wettanbieter gerade einmal 6,5 Millionen für die Trikotbrust, dafür läuft es nach langer Durststrecke sportlich wieder. Der Tabellendritte nimmt in einem spannenden und temporeichen Bundesligaspiel verdient drei Punkte mit und hat jetzt doppelt so viele Zähler auf dem Konto wie der ambitionierte Werksklub.

Vagnomans neuer Signature-Move

Trainer Hoeneß entscheidet sich in Wolfsburg für eine Dreierkette mit Vagnoman und Mittelstädt als Schienenspieler – und liegt damit goldrichtig. Beide tragen entscheidend zum Auswärtssieg bei und gehören zu den Besten im VfB-Trikot. In der ersten Hälfte kontrolliert der Tabellendritte das Spiel mit sicherem Passspiel und gutem Gegenpressing. Die wenigen Torchancen der Gastgeber entspringen dem Zufall, während Toptorschütze Guirassy auf der anderen Seite eine butterweiche Mittelstädt-Flanke zur Führung einnickt.

Nach der Pause erhöht die Mannschaft von Niko Kovac den Druck und gestaltet das Spiel offen. Der Knackpunkt: Direkt nach dem schön herausgespielten Ausgleich durch Maehle entwischt Enzo Millot dem Torschützen und lässt sich nur durch einen anhaltenden Klammergriff stoppen. Elfmeterspezialist Guirassy verwandelt, und nur zwei Minuten später liegt der Ball erneut im Wolfsburger Tor. Vagnoman steht bei Antons Zuspiel allerdings knapp im Abseits.

Lukas Nmecha sorgt für eine spannende Schlussphase. (Foto: kicker.de)

In der 77. Minute trägt sich der rechte Wingback dann doch noch in die Torschützenliste ein: Er nimmt Lewelings Zuspiel an der rechten Strafraumkante mit rechts an, legt sich den Ball auf links und setzt ihn unhaltbar neben den Pfosten. Nach Gladbach bereits das zweite Tor, das der beidfüßige Vagnoman mit seinem Signature-Move erzielt. Trotz des Anschlusstreffers durch Lukas Nmecha und ungestümen Angriffsbemühungen in der Schlussphase lässt sich der VfB seinen siebten (!) Auswärtssieg nicht mehr nehmen.

Der Knipser ist zurück

Letzte Woche gegen Köln rieb sich der zweitbeste Torschütze der Bundesliga noch auf, am Samstag trifft er wieder: Serhou Guirassy ist rechtzeitig zum Saisonendspurt wieder auf dem Weg zur Bestform. Beeindruckend wie er in der 14. Minute hochsteigt und unter höchster Bedrängnis den Kopfball per Aufsetzer neben den Pfosten setzt.

Auch den Flankengeber gilt es zu feiern: Gemeinsam mit Chris Führich sorgt Maxi Mittelstädt auf der linken Seite immer wieder für Gefahr. Dabei zeigt er sich nicht nur taktisch geschickt und bissig im Zweikampf, mit gerade einmal 1,80 Meter Körpergröße gewinnt der Ex-Herthaner auch überraschend viele Kopfballduelle. Einfach Maxi eben.

 Guirassy tanzt nach dem 3:1 mit Torschütze Vagnoman. (Foto: IMAGO/osnapix)

Josh Vagnoman wurde vergangene Woche zurecht kritisiert, weil ihm Bälle versprangen und sich seine Wucht nicht in Torgefahr niederschlug. Ganz anders in Wolfsburg: Auf der offensiveren Wingback-Position dient der gebürtige Hamburger immer wieder als Zielspieler bei hohen Bällen, sein Tempo und seine Beidfüßigkeit stellen eine ständige Gefahr für das gegnerische Tor dar. In dieser Form ist Vagnoman nicht aus der ersten Elf wegzudenken.

Sieben Punkte

Der VfL Wolfsburg muss seine internationalen Ambitionen nach der elften Saisonniederlage wohl endgültig begraben. Anders sieht es beim Weltmarkenklub aus Bad Cannstatt aus. Mercedes und Porsche dürfen sich Hoffnung machen, dass ihre Logos bald auf großer Champions-League-Bühne zu sehen sind. Nach 50 Punkten aus 24 Spielen muss man beim VfB dieses Ziel ausgeben. Immerhin haben in der Vergangenheit 64 Punkte in der Endabrechnung immer für einen Platz unter den ersten vier gereicht.

Bei noch zehn ausstehenden Spielen hat die Mannschaft von Sebastian Hoeneß ihren Sieben-Punkte-Vorsprung auf Platz 5 erst einmal verteidigt. Und die nächsten Gegner sind sicher nicht unschlagbar, zumal man gegen Union, Hoffenheim und Heidenheim auf den Heimvorteil bauen kann. – Entschuldigung, das Spiel in Sinsheim ist auf dem Papier natürlich ein Auswärtsspiel.

Kampflos gewinnt man in der Bundesliga allerdings gar nichts. Auch an der Aller verwenden die Gegenspieler immer wieder das Mittel der gezielten Provokation: Kapitän Anton bedenkt Fliegengewichtler Paredes dafür mit einem spöttischen Lächeln, während Guirassy seinem Gegenspieler Lacroix ins Ohr flüstert: „Hey Bruder, was hast du auf der Hand? Ich habe nämlich ein Full House: drei Glocken im Oktober und jetzt schon wieder zwei“.

VfL Wolfsburg – VfB Stuttgart 2:3

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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