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Pflichtsieg und ein Lächeln

Im Neckarstadion sind nur noch wenige Minuten zu spielen, als der dick eingemummelte Spieler auf der Stuttgarter Bank das Zeichen seines Trainers bekommt. Das spärlich besetzte Stadion beginnt zu raunen und erhebt sich. Eine Umarmung von Matarazzo, ein Abklatschen mit Massimo und dann betritt Silas Katompa Mvumpa nach 8 Monaten und 6 Tagen wieder die Bundesligabühne. Angesichts der wenig feierlichen Szenerie und des unerbittlichen Abnutzungskampfs auf dem Platz ist es kein Glitzer-Comeback, trotzdem ist dem jungen Mann aus Kinshasa die unbändige Freude ins Gesicht geschrieben.

Fußball VfB Stuttgart vs. 1. FSV Mainz 05
Pressefoto Baumann

Abstiegskampf pur

Jede Menge Lob hat der VfB letzte Woche in Dortmund eingeheimst. Sportdirektor Mislintat war sogar stolz auf sein Team bei der unglücklichen Niederlage an einstiger Wirkungsstätte. Die Leistung der Mannschaft und die Qualität des Gegners darf man bei der Bewertung eines Spiels nämlich nicht vergessen.

Betrachtet man das Freitagabendspiel gegen Mainz in gleicher Weise, bleibt wenig Raum für Euphorie. Gegen einen ziemlich limitierten Gegner verpasst der VfB zunächst eine höhere Führung, kassiert wieder einmal ein billiges Gegentor, schlägt kurz nach der Pause zurück und bringt den knappen Sieg dann mit Zähnen und Klauen über die Zeit.

Die Punkte sind natürlich Gold wert, andererseits die Schwächen in allen Mannschaftsteilen unübersehbar. Außer dem umtriebigen Onisiwu und einem immer stärker werdenden Boetius hat der Überraschungs-Achte aus Mainz nicht viel zu bieten und bringt den VfB trotzdem bis in die Nachspielzeit ins Wanken. Die Unentwegten auf den Rängen, die dem nasskalten Wetter und der Pandemie trotzen, sehen an diesem Abend erwartungsgemäß puren Abstiegskampf.

Es rumpelt

Um in der Bundesliga zu bestehen, braucht es in erster Linie eine stabile Abwehr. Waldemar Anton soll beim VfB die Hintermannschaft organisieren und den Spielaufbau einleiten. Nach überstandener Corona-Infektion zeigt der Führungsspieler jedoch überraschend viele Schwächen und bringt seine eigenen Mitspieler immer wieder in die Bredouille. Beim Gegentreffer schauen er und sein Torwart nur zu, wie die Mainzer ihr erstes Saisontor nach einem Standard erzielen.  

Atakan Karazor erhielt in Dortmund trotz einer Zweikampfbilanz von null Prozent zurecht ordentliche Noten, weil er viele Räume schloss und Massimo mit einem Traumpass zum zwischenzeitlichen Ausgleich auf die Reise schickte. Gegen Mainz ist er mit dem Spieltempo und dem gegnerischen Pressing überfordert. So sehr ich Ata als Typen schätze, auf seiner Position darf er sich nicht so viele Ballverluste leisten, die gegen stärkere Mannschaften unerbittlich bestraft werden.

Die Rückkehr von Omar Marmoush war mit vielen Hoffnungen verbunden. Der Ägypter hat dann seine einzige starke Szene in der dritten Minute, als Zentner mit einem Reflex gerade noch den frühen Rückstand verhindern kann. Im weiteren Spielverlauf wird wieder einmal deutlich, dass Marmoush kein Mittelstürmer ist. Obwohl er viel läuft und sich in jeden Zweikampf wirft, bleibt er wirkungslos.

An diesen drei Personalien kann man erkennen, dass sich die Mannschaft nicht nur unglücklicher Umstände wegen im Tabellenkeller befindet. Bei einigen Akteuren, die durchaus zum Stamm zählen, fehlt es an Form und/oder Qualität, um Bundesligaspiele zu entscheiden. Daran werden auch die Rückkehrer auf die Schnelle nichts ändern können. Nicht nur wegen der bedrohlichen vierten Coronawelle wird der Winter in Bad Cannstatt wohl eher ungemütlich.

Zwei Torpremieren

Ein bisschen Zuversicht darf es nach dem dritten Saisonsieg aber auch geben. Den vier von Stürmern erzielten Treffern stehen inzwischen acht Tore von nominellen Defensivspezialisten gegenüber.

Zum Beispiel das von Hiroki Ito. In England hätten sie dem 22-jährigen Newcomer schon längst ein Lied gewidmet. Als Verstärkung für die U21 verpflichtet hat der Japaner bereits 9 Bundesligaspiele bestritten und nun auch das erste Tor erzielt. Dabei zirkelt er den Ball mit seinem schwächeren rechten Fuß genauso cool in die Ecke, wie er in der Dreierkette mit guter Antizipation und einer Bierruhe einen Angriff nach dem anderen entschärft. Und jetzt alle: We´ve got Ito, Hiroki Ito, I just don´t think you understand …

Dass auch Borna Sosa zum ersten Mal in der Bundesliga trifft, will der TV-Kommentator mit einer abgerutschten Flanke erklären. Damit tut er dem frischgebackenen kroatischen A-Nationalspieler allerdings Unrecht: Mit dem linken Vollspann und voller Absicht nagelt Sosa den Ball aus spitzem Winkel in den Knick. Damit ist sein Einwurf-Slapstick mit Ron Robert Zieler endgültig vergessen.

Als dritten Hoffnungsträger muss ich Orel Mangala erwähnen. Dem 23-jährigen Belgier fehlt es zwar noch an Abschlussstärke, aber wie er sich im Mittelfeld auf engstem Raum aus Drucksituationen befreit, ist für jeden Fußball-Feinschmecker ein Leckerbissen. Seiner Auswechslung muss eine Verletzung zugrunde liegen, denn jeder kann sehen, dass Mangala an diesem Abend der beste Fußballer auf dem Platz ist.

Punkte hamstern

Am Ende einer sieglosen Durststrecke und nach vielen Personalsorgen geht der VfB erleichtert in den Advent. Die Rückkehr von Silas Katompa und die wichtigen Punkte gegen überraschend gut in die Saison gestartete Mainzer machen Mut für die anstehenden Aufgaben, bei denen die Mannschaft weiter Punkte sammeln muss. Am besten gleich nächsten Sonntag gegen den selbsternannten Big-City-Club.

Dass das schmutzigste aller hiesigen Boulevardblätter seine Berichterstattung über das Spiel mit der Formulierung „Comeback nach Identitäts-Schwindel“ aufmacht, kommt noch ekeliger daher als Reichelts Feldbett. Offensichtlich haben die Redakteur:innen noch an den gefälschten Scheidungspapieren ihres ehemaligen Chefs zu knabbern.

VfB – FSV Mainz 05 2:1

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Puh – Rund um den Brustring

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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