Turbo der Eitelkeiten
Der VfB ist eine Mischung aus Telenovela und Wirtschaftskrimi. Das wissen wir spätestens seit dem Quattrex-Dschungel, rätselhaften Ausfällen der Veranstaltungstechnik und cholerischen Attacken in der VIP-Loge. Zuletzt haben schillernde Protagonisten die Bühne betreten – einige von ihnen kennen wir bereits aus alten Staffeln. Die Fans haben von dem Theater die Nase voll, der Boulevard jubiliert.
Clash der Kulturen
Große Automobilkonzerne sind ein Biotop für eitle Karrieresurfer und einen ganzen Schwarm angepasster Profiteure. Es braucht nicht viel, um ein überdurchschnittliches Gehalt zu verdienen und sich als Teil örtlichen High Society zu fühlen. Und von dort ist der Weg zum VfB Stuttgart bekanntlich nicht weit.
Im Sommer 2019 haben sich die selbstbewussten Macher aus der Wirtschaft in ihren eigenen Lügen verheddert. Ein sportlicher und vereinspolitischer Neuanfang musste her. Die Kandidaten für die Präsidentschaftswahl kamen plötzlich aus einem anderen Milieu. Kein Top-Management, sondern irdische Berufe, keine Rekord-Margen, sondern Integrität und Nachhaltigkeit im Profifußball. Doch auf die ausgegliederte Fußball AG sollen die neuen Vereinsfunktionäre keinen großen Einfluss mehr haben.
In den Strukturen ist nämlich angelegt, dass die Kapitalgesellschaft das Profigeschäft relativ ungestört von den schwerfälligen Vereinsstrukturen steuern kann. Sie besorgt das Geld, beherrscht die Kommunikation und blickt mit einer gewissen Überheblichkeit auf die Belange des Vereins. Fußball-Traditionalisten kann man im Big Business nicht gebrauchen.
Hey, hier kommt Porsche
Eine Frage blieb damals allerdings offen: Wer will neben dem Ankerinvestor bei der VfB AG einsteigen? Dietrich bevorzugte den französischen Sportrechtevermarkter Lagardére, Hitzlsperger führte erfolglos Gespräche mit US-Investoren, und Vogt scheiterte mit seiner Idee vom regionalen Investorenpool.
Vergangenes Jahr kommen dann Wehrle und Kasper mit Lutz Meschke ins Gespräch. Khedira soll dabei eine Rolle gespielt haben, womöglich auch der Urbacher Monaco-Franze. Das Unmögliche ist auf einmal in Reichweite: Porsche und Mercedes können sich ein gemeinsames Engagement beim Traditionsklub aus Cannstatt vorstellen. Die Pressekonferenz zur Ankündigung des „Württembergischen Weltmarkenbündnisses“ trieft vor Harmonie.
Heute wissen wir, dass das Zustandekommen des Porsche-Einstiegs mit gegenseitigem Respekt wenig zu tun hatte. Heimlichtuerei, unverschämte Forderungen und ein filmreifes Ultimatum gingen dem Deal voraus. Wenn die Reichen und Schönen mitmischen, dann richtig.
Sprechen will allerdings keiner der Beteiligten über die Ereignisse vom Juni 2023 – aus gutem Grund. Wer anderen unseriöses Geschäftsgebaren vorwirft, will ungern selbst des gleichen Vergehens überführt werden. Auch Verrat an den Vereinsmitgliedern ist kein Ruhmesblatt.
Kein Schlichter
Wenn das Kind einmal in den Brunnen gefallen ist, hilft nur noch ein Mediator. Oder eine Mediatorin. Wie konnte man sich nur so in Tanja Gönner täuschen? Jetzt soll es der Alex richten. Er organisiert Tische so rund, dass einem ganz schwindelig wird, schiebt den Freundeskreis plötzlich wieder in eine prominente Nebenrolle. Die Codewörter heißen Silberscheitel und Einstecktuch.
Ergebnisse gibt es bisher keine. Es fragt auch keiner danach. Teile der Presse haben sich mit ihren Meinungsartikeln wohl schon verausgabt. Ob es jemandem auffällt, dass Wehrle als Schlichter denkbar ungeeignet ist? Seine öffentlichen Wortmeldungen beweisen, dass er eimerweise Farbe zum Übertünchen des unappetitlichen Streits angerührt hat. Mutig, wenn ein Angestellter der VfB AG beurteilen will, ob die Mitgliederrechte beim Mutterverein in Gefahr sind.
Bei der Mitgliederversammlung Ende Juli bahnt sich ein Defilee der Eitelkeiten an. Bevorzugte Plätze für „Mitmacher“, verlockende Angebote glitschiger Sneaker-Träger, das bekannte Versprechen von Wirtschaftskompetenz und Professionalität auf allen Ebenen. Auch wenn die meisten Mitglieder und Fans gerade nichts mehr von Vereinspolitik hören wollen, wäre es besser zu diskutieren, bevor es zu spät ist.
reybucanero74
Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson