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Der Weltmarkenputsch

Lutz Meschke: Er kam, sah und putschte. (Foto: Lichtgut/Leif Piechowski)

Das „Württembergische Weltmarkenbündnis“. Wisst ihr noch, als Vogt und Wehrle kaum durch die Tür passten vor lauter Stolz auf ihren Coup?

Das war im Juni 2023. Achteinhalb Monate später ist die Euphorie über den Einstieg des starken Partners mit dem Turbo verflogen – zumindest bei denen, die Wert auf Mitbestimmung im Fußball legen.

Seit Dienstag sitzt Frau Gönner dem Aufsichtsgremium der VfB AG vor, ihres Zeichens Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie. BDI, Mercedes und Porsche? Die pralle Fußballkompetenz an der Spitze des Aufsichtsrats der ausgegliederten Fußball AG. Der Mehrheitseigner VfB Stuttgart e. V. spielt künftig nur noch die zweite Geige, weil das Präsidium die Machtübernahme der Investoren nicht nur ermöglicht, sondern sogar aktiv unterstützt.

Die Vorgänge der letzten Wochen und Monate haben weniger der Person Claus Vogt geschadet als dem Präsidentenamt und dem Klub als solchem.

Über 90 000 Mitglieder zählt der VfB inzwischen und ist damit der achtgrößte Sportverein Deutschlands. Beim Profifußball in Bad Cannstatt haben die jetzt allerdings nicht mehr viel zu melden. Egal ob es um Entscheidungen der Deutschen Fußball Liga (DFL), die Bundesligamannschaft der Männer oder die Oberligamannschaft der Frauen geht: In Zukunft geben Gönner, Schymon und Meschke den Ton an.  

Die mögen sich als Profis in der Konzernführung oder der Politik bezeichnen, vom Fußball haben sie wenig Ahnung. Aber mal ganz abgesehen davon: Wie kann es sein, dass rund 20 Prozent der Anteile an der AG knapp 80 Prozent dominieren? Die Frage geht an die Herren Vogt, Adrion und Riethmüller, aber auch an die vier weiteren Aufsichtsratsmitglieder, die formal vom e. V. entsandt wurden.  

Medien lancieren gezielt das Narrativ vom inkompetenten Präsidenten. Währenddessen betätigt sich der Buchhändler aus Tübingen als Westentaschen-Influencer.

Keine Schmierenkomödie, keine Durchstecherei, keinen drittklassigen Komplott aus dem Hinterhalt hat der einstige Präsidentschaftskandidat zuletzt ausgelassen. Die Mitglieder interessieren ihn schon lange nicht mehr.

Wer soll deren Interessen also künftig vertreten? Rainer Adrion? Dessen Sportkompetenz sollte eigentlich die Gremien bereichern. Doch außer den Weggefährten längst vergangener Tage hat der ehemalige Erfolgstrainer der VfB-Amateure offensichtlich niemanden im Telefonbuch.

Die Hoffnung, dass ein neu gewähltes Präsidium die Dinge wieder geraderückt, wirkt ziemlich naiv.

Bei den Wahlen für die Vereinsgremien zeigt sich immer deutlicher, dass sich kein ernstzunehmender Kandidat mehr in diese Schlangengrube begeben will. Zeh und Steiger hießen die letzten Hoffnungsträger derjenigen, die sich in wirtschaftlichen Fragen für kompetent halten. Darauf einen Almdudler.

Der Weltmarkenputsch wird den VfB grundlegend verändern. Wahrscheinlich gibt es bald einen Aufruf zur Bewerbung für die neu zu besetzenden Vereinsämter. Dann aber nicht mehr im Vereinsmagazin „Dunkelrot“, sondern in der „Auto & Wirtschaft“ oder im Magazin „BDI aktuell“.

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

4 Kommentare

  • Christian

    Hallo reybacanero74,
    zunächst herzlichen Dank für Deine tollen und fundierten Blocks. Ich lese und freue mich jede Woche darauf. Meistens bin ich auch absolut Deiner Meinung, diesesmal wünschte ich mir eine etwas differenziertere oder neutrale Sichtweise. Die meisten einschließlich mir wäre es am liebsten hätte sich der AR an das“Versprechen“ von Dietrich gehalten. Leider haben viele auf eine solch lose Aussage dieses Mannes vertraut. Formaljuristisch ist es gemäß Aktienrecht einfach egal was er damals versprochen hat. Da der Aufsichtsrat zur AG gehört ist das Thema leider durch. Emotional und aus Mitgliedssicht sieht es natürlich anders aus und wir sind zu recht enttäuscht. Nur scheint Herr Vogt (ich habe ihn auch gewählt) offensichtlich auch in großen Teilen des Aufsichtsrat der dem e.V. nahe steht nicht genügend Fürsprecher zu haben. Gemäß Presse waren letztlich nur noch 2 Personen auf seiner Seite. Die vereinsnahe Seite besteht aber immerhin aus 5-6 Personen. Dass sich diese vereinsnahen Personen auch von Vogt distanzieren hat wahrscheinlich auch einen Grund. Mir wäre sehr wichtig, dass wir in einer offenen Diskussion vielleicht unsere Denkmuster überprüfen. Lasst uns nicht immer in Verein und AG bzw. Fans und Kapital denken sondern überlegen in welcher Konstellation, ist es zu gegebenem Zeitpunkt am besten für den VfB? Akltuell denke ich nicht, dass es für den VfB am besten ist, wenn Herr Vogt an der Spitze des AR ist. Vielleicht ist er ja ein guter Präsident, der viele unserer Belange als Mitglieder und Fans gut vertritt. Von Profifußball versteht er aber nicht mehr als wir Fans in der Kurve oder die Herren von Mercedes oder Porsche. Von Fussball versteht Herr Hoeness und Herr Wohlgemut was beim VfB. Vielleicht ist Herr Vogt aber auch von den Anforderungen ein solches Gremium zu führen einfach überfordert und nicht die beste Wahl. Vielleicht kann das jemand anders einfach besser und bestenfalls kann der nächste Präsident wieder beides!

    • reybucanero74

      Hallo Christian! Danke für deinen Kommentar. Noch sind nicht alle notwendigen Informationen öffentlich bekannt, um den Wechsel des AR-Vorsitzes abschließend bewerten zu können. Sollte sich bestätigen, dass die drei Präsidiumsmitglieder der Abgabe des AR-Vorsitzes zugestimmt haben, werden sie nicht mehr lange im Amt sein. Dann steht uns ein vereinspolitisch heißer Sommer bevor. Grüße, Christoph

  • Hans Winkler

    Das die letzten Kandidaten mit Zeh und Steiger nichts waren, mag auch daran gelegen haben, dass man gegen einen damals noch sehr beliebten Vogt ungern antreten wollte.

    Aber es ist doch durchaus interessant, dass Vogt auch im Präsidium alleine ist und nicht mal Adrion ihn dort noch unterstützt.

    Ironisch an der ganzen Geschichte ist auch, dass Vogt seinen eigenen Untergang erst in Amt und Würden gebracht hat. Er und Adrion haben ja maßgeblich die vom e.V. entsandten Vertreter bestimmt.

    Es wurde mit dieser ganzen Posse aber erneut sichtbar, wie dreist gelogen die Behauptung auf der letzten MV war, man sei in den Gremien so geschlossen wie nie. Gut, die einmalige Geschlossenheit wurde ja schon direkt nach Ende der MV unter Beweis gestellt.

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