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Nach Gattuso ist vor Anfang

Gennaros Fledermäuse fliegen bedröppelt nach Hause. 5:2 heißt es am Ende auf der Baustelle Neckarstadion. Am kommenden Freitagabend beginnt für den VfB dann im Rudolf-Harbig-Stadion der Ernst. So herausfordernd das Erstrundenlos im DFB-Pokal ist, so stimmungsvoll erwarten wir den Auftakt beim sächsischen Publikumsmagneten.

Im Kader, mit dem Pellegrino Matarazzo die Mission Klassenerhalt aufs Neue angehen soll, gibt es auch kurz vor dem ersten Pflichtspiel noch einige Wackelkandidaten. Vor allem die Entscheidung von Sasa Kalajdzic wird einen erheblichen Einfluss auf die Statik des weiß-roten Angriffsspiels haben.  

Tiago Tomás eröffnet nach schöner Vorarbeit von Silas den Torreigen. (Foto: vfb.de)

Der Kalajdzic-Poker

Der österreichische Nationalspieler und sein Berater lassen keine Gelegenheit ungenutzt, um klar zu machen, dass der nächste Karriereschritt geplant ist. Konkrete Anfragen, die Kalajdzics Vorstellungen entsprechen, sind allerdings noch nicht eingegangen, woraufhin der 25-jährige Wiener zuletzt im Sky-Interview offen mit einem Wechsel zum FC Bayern kokettierte.

Mit solchen Aussagen macht man sich bei den VfB-Fans natürlich keine Freunde und die sportliche Leitung an der Säbener Straße wird sich auf diese Weise kaum in ihren Planungen beeinflussen lassen. Beim VfB ist man über die Hängepartie bestimmt auch nicht glücklich, zumal Sasas ungeklärte Zukunft seinen Leistungen in der Vorbereitung nicht gerade zuträglich ist.

Die zweite Reihe greift an

Die Stars des Trainingslager im Allgäu heißen nicht Kalajdzic oder Endo sondern Weiss und Schimpchen. Die beiden Neuzugänge im Trainer- und Funktionsteam sind für zwei neue Schwerpunkte in der Trainingsarbeit des VfB zuständig. Die individuelle Förderung im technisch-taktischen Bereich und ein umfassendes Monitoring der Fitnesswerte sollen die einzelnen Spieler besser machen und die Ausfallzeiten verringern.

In den Testspielen machen vor allem Spieler aus der zweiten Reihe auf sich aufmerksam. Naouirou Ahamada, Nikolas Nartey, Enzo Millot und Li Egloff haben sich offensichtlich viel vorgenommen. Auch Leihrückkehrer Darko Churlinov und Neuzugang Juan José Perea zeigen, dass sie über Qualitäten verfügen, an denen es im Kader ansonsten mangelt. Matarazzo wird gerne sehen, dass sich hinter der ersten Elf einige Spieler aufdrängen, die ein Spiel in der Schlussphase noch einmal beleben können. Genau darin lag in der vergangenen Saison nämlich eine der auffälligsten Schwächen seiner Mannschaft.

Aber es gibt auch eine dritte Reihe, die für die kommende Spielzeit kaum eine Perspektive im Profikader haben wird. Neben Didavi, Thommy, Massimo und Sankoh werden noch einige Spieler den Verein – zumindest vorübergehend – verlassen. Klement, Awoudja, Klimovicz, Beyaz und Faghir standen in den Testspielen zuletzt nicht mehr im Aufgebot. Auch Kuol, Aidonis und Ulrich erwarten die Beobachter nicht als ernsthafte Kaderkandidaten.  

Die Hoffnungsträger

Obwohl der Fanliebling Mohamed Sankoh zunächst bei Vitesse Arnheim Tore schießen soll, finden sich noch genügend Hoffnungsträger im Kader. So ist es eine wahre Freude zu sehen, dass Silas Katompa Mvumpa den Spaß am Fußball wiedergefunden hat. Im Verbund mit Tiago Tomás und Chris Führich soll er die gegnerischen Abwehrreihen mit Geschwindigkeit und zahllosen Übersteigern in Verlegenheit bringen. Sollte dieses Trio vor größeren Verletzungen verschont bleiben, traue ich ihnen in Summe locker 25 Saisontore zu.

Naouirou Ahamada hat seine Verletzungen überwunden und wirkt so spielfreudig und selbstbewusst wie nie. Gut möglich, dass sich der 20-jährige Franzose, der mit dem Trainer auf Italienisch kommuniziert, mit seiner starken Vorbereitung direkt in die Startelf katapultiert.

Die beiden Neuzugänge Josha Vagnoman und Juan José Perea füllen Lücken im Kader und haben sich dem Vernehmen nach gut in die Mannschaft eingefügt. Der beim HSV ausgebildete deutsche U21-Nationalspieler will sich beim VfB in der Bundesliga etablieren und ist auf der rechten Seite sofort Startelfkandidat. Der kolumbianische Wandervogel Perea wird zwar eher von der Bank kommen, zu überhören ist der temperamentvolle Südamerikaner aber keinesfalls – nach Nico González endlich wieder einer, der den gepflegten Trashtalk und das leidenschaftliche Lamento beherrscht.

Die Schwachstellen

Wie schon in der vergangenen Saison gibt es ein Fragezeichen hinter der zentralen Position im Angriff. Außer Kalajdzic steht mit dem Rookie Kastanaras nur ein weiterer klassischer Mittelstürmer im Aufgebot. Sollte Sasas Berater seinen Klienten noch anderweitig unterbringen, besteht akuter Handlungsbedarf. Selbst bei einem Verbleib wirkt der Kader auf dieser Position dünn gestrickt.

In der Mittelfeldzentrale deutet alles auf einen Abgang von Orel Mangala hin, den es in die Premier League zieht. Bleibt die Frage, ob Ahamada und Nartey in ihrer Entwicklung schon so weit sind, dass sie an der Seite von Wataru Endo den Rhythmus im Maschinenraum vorgeben können. Zusammen verfügen die beiden Nachwuchstalente gerade einmal über die Erfahrung von 17 Bundesligapielen.

Wer kann die drei gesetzten Innenverteidiger im Falle einer Verletzung oder Sperre ersetzen? Während Pascal Stenzel bereits bewiesen hat, dass der Trainer jederzeit auf ihn vertrauen kann, muss man bei Clinton Mola und Antonis Aidonis Zweifel haben, ob sie den Anforderungen gewachsen sind. Der 21-jährige Engländer wurde in der Vergangenheit immer wieder von hartnäckigen Verletzungen gebremst und der gleichaltrige Deutsch-Grieche aus dem eigenen Nachwuchs sollte eigentlich in der zweiten oder dritten Liga Spielpraxis sammeln.

Der Fall Karazor

Mit Atakan Karazor wird ein Stammspieler der vergangenen Rückrunde bis auf Weiteres keine Rolle spielen. Zwar wird der 25-Jährige sehr erleichtert sein, dass er inzwischen gegen Kaution aus der Untersuchungshaft auf Ibiza freigekommen ist, aber wann er seinen Beruf als Profifußballer wieder ausüben kann, ist unklar.

Der Unterstützung der VfB-Verantwortlichen kann er sich gewiss sein. Mislintat bezeichnet Karazor als „unseren Jungen“ und möchte ihn schnell wieder ins Training integrieren. Nach über zweimonatiger Trainingspause und der großen mentalen Belastung wird ihm Bewegung gut tun. Eine Rückkehr in den Spielbetrieb ist allerdings nicht so einfach, denn auch wenn der Spieler aus rechtlicher Sicht „noch nicht mal angeklagt ist“, wiegen die erhobenen Vorwürfe nach wie vor schwer.

Es kann noch Wochen oder gar Monate dauern, bis der zuständige Untersuchungsrichter die Ermittlungen abgeschlossen und gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft entschieden hat, ob Anklage erhoben wird. Ein möglicher Prozess würde sich noch viel länger hinziehen. Ob Karazor unter diesen Umständen in absehbarer Zeit sportlich eine Hilfe sein kann, muss man bezweifeln.

Wieder in den Osten

Im Vergleich zur vergangenen Saison ist der Kader auf den entscheidenden Positionen bislang nur punktuell verändert worden, die erwarteten Abgänge des Stuttgarter Tafelsilbers stehen allerdings noch aus. In der Vorbereitung hat Trainer Matarazzo neue Impulse gesetzt und der kritischen Saisonanalyse erste Taten folgen lassen. Ob die Anpassungen auch gegen die starke Bundesligakonkurrenz wirken, wird nicht zuletzt von einem guten Start abhängen. Leipzig (H), Bremen (A), Freiburg (H) und Köln (A) werden dem VfB mehr abverlangen als die Testspielgegner.

Zunächst steht aber die fast schon obligatorische Reise in den Osten an. In der vergangenen Saison fegte man zum Auftakt das Dynamo aus Berlin mit 6:0 vom Platz. Ob Ähnliches wieder gelingt? Auch in Dresden wünscht man sich nach dem Zweitligaabstieg sicher einen guten Anfang – aber bitte ohne gefälschte Papiere.

VfB Stuttgart – Valencia CF 5:2

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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