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Der Weltmarken-Coup

Wenn man einem Auswärtigen erklären will, woher man kommt, helfen die Namen Mercedes und Porsche schnell weiter. Der Stern und das Rössle sind selbst jenen ein Begriff, die denken, Lederhosen und Tirolerhut seien typisch deutsch. Seit Mittwoch ist bekannt, dass sich die beiden Weltmarken in Zukunft gemeinsam als Sponsoren und Anteilseigner für den VfB engagieren wollen. Eine gute Nachricht für alle, die es mit dem Brustring halten.

Trotzdem ist Vorsicht angebracht. Denn erstens klingt das avisierte Volumen des Investitionspakets größer als es in Wahrheit ist, und zweitens sind die VfB-Fans bezüglich vollmundiger Ankündigungen gebrannte Kinder.   

Der stellvertretende Porsche-Chef Lutz Meschke bei der Pressekonferenz. (Foto: IMAGO/Pressefoto Rudel/Herbert Rudel)

Gelungene Überraschung

Bis dato galt es als Quadratur des Kreises, die beiden Platzhirsche der lokalen Wirtschaft für ein gemeinsames Engagement im Sport-Sponsoring zu gewinnen. Dass dieses Kunststück jetzt ausgerechnet den beiden Führungskräften gelingt, denen in den letzten Wochen und Monaten die Fähigkeit abgesprochen wurde, sich unfallfrei die Schuhe zu binden, ist bemerkenswert. Alexander Wehrle und Claus Vogt platzen fast vor Stolz, als sie das “Württemberger Weltmarken-Bündnis“ präsentieren. Viele notorische Kritiker geben sich plötzlich handzahm. Die Konkurrenten Mercedes und Porsche Seite an Seite! Die Überraschung ist gelungen. 

Doch scheinbar triumphale Präsentationen haben die Anhänger nicht in bester Erinnerung. Michael Reschke freute sich im Sommer 2018 ein Loch in den Bauch und wurde ein gutes halbes Jahr später hochkant rausgeschmissen. Der Applaus für das Trio Khedira, Lahm und Gentner währte letzten September nur kurz. Einen Tag später hing der Haussegen schief. Das Weltmarken-Bündnis wirkt da vergleichsweise solide. Trotzdem kann es nicht schaden, einen genaueren Blick auf das unverhoffte Paket zu werfen.

Hoffnung statt Weltuntergang

Dass sich die Mercedes Benz AG künftig beim Sport-Sponsoring neu orientieren möchte, ist schon seit Längerem bekannt. Bisher wurde die deutliche Reduzierung des Engagements gerne als Beweis angeführt, dass kein seriöser Konzern mit vermeintlichen Amateuren wie Vogt und Wehrle Geschäfte machen wolle. Diese These ist jetzt widerlegt. Mercedes bleibt nicht nur als Ankerinvestor sondern auch als Mobilitäts- und Exklusivitätspartner an Bord. Zusätzlich übernehmen Porsche und MHP Teile des bisherigen Engagements des Nachbarn aus der Mercedesstraße.

Trotzdem bleibt eine erhebliche Finanzlücke, die der VfB mit mehreren neuen Partnern, insbesondere Trikotsponsoren, füllen will. Eine zusätzliche Einnahme entsteht durch die Vergabe der Namensrechte am Stadion an die Porsche-Tochter MHP für mindestens 10 Jahre. Dieser Deal wurde nur möglich, da Mercedes auf seine noch geltenden Rechte verzichtet. Der größte Coup ist allerdings, dass Porsche bereit ist, nach Mercedes und Jako als dritter Investor AG-Anteile zu erwerben. In zwei Schritten soll der Sportwagenhersteller dafür rund 40 Mio. Euro bezahlen.  

Unter dem Strich steht dem Klub also kein ergiebiger Geldregen bevor. Das positive Signal, das von der Vereinbarung mit den neuen Partnern ausgeht, stimmt aber hoffnungsvoll. Die Untergangsszenarien, die so mancher Kritiker noch vor einigen Wochen an die Wand malte, sind fürs Erste abgewendet. Wehrles Plan, die ausgegliederte Fußball-AG insgesamt auf stabilere Füße zu stellen, erscheint plötzlich durchaus plausibel.

Wer übernimmt die sportliche Führung?

Potente Investoren und Sponsoring-Pakete sind das eine, die Übersetzung einer soliden wirtschaftlichen Basis in sportliche Leistungen das andere. In dieser Hinsicht ist der VfB in den beiden letzten Jahren vieles schuldig geblieben. Das Ergebnis ist ein aufgeblähter Kader, aus dem man eine ganze Reihe von Spielern am liebsten sofort abgeben würde. Eine Woche vor dem Trainingsauftakt gibt es in allen Mannschaftsteilen mehr Frage- als Ausrufezeichen.

Sportdirektor Fabian Wohlgemuth mit Alexander Wehrle und Christian Gentner auf dem Trainingsplatz. (Foto: Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch)

Der Mann, der den Kader für die kommende Saison federführend zusammenstellen soll, heißt Fabian Wohlgemuth. Der ehemalige Geschäftsführer Sport des SC Paderborn steht in Cannstatt vor seiner ersten Transferperiode, die er aktiv gestalten kann. Neuzugang Maxi Mittelstädt von Hertha BSC gibt erste Aufschlüsse über das neue Beuteschema: bundesligaerprobte, kampfstarke Spieler, denen mehr zugetraut wird, als sie zuletzt gezeigt haben. Obwohl die Arbeit des Sportdirektors bisher schwer zu bewerten ist, lobt ihn Wehrle im StN-Interview. Sogar als künftigen Sportvorstand bringt er den gebürtigen Berliner ins Gespräch. 

Wehrle selbst sollte sich nach den Fehleinschätzungen der vergangenen Saison bei sportlichen Fragen künftig zurückhalten. Für den Vorstandsposten kommt sowohl eine interne als auch eine externe Lösung in Frage. Bis dahin muss Wohlgemuth die Expertise von Thomas Krücken (Direktor NLZ), Markus Rüdt (Direktor Sportorganisation) und Christian Gentner (Leiter Lizenzspieler) gewinnbringend zusammenführen und entscheiden, inwieweit externe Berater eingebunden werden. Eine Führungsfigur, die eine klare Richtung vorgibt und öffentlich überzeugend vermittelt, hat dem VfB zuletzt gefehlt. Es wird höchste Zeit, dieses Vakuum zu füllen.

Mehr Zwietracht als Teamwork

Im Verein stehen ebenfalls richtungsweisende Entscheidungen bevor. Die Gremien haben in den letzten Monaten vor allem durch Streit und Zwietracht auf sich aufmerksam gemacht. Claus Vogt nutzt die Verkündigung des Investoren-Deals, um endlich wieder positive Schlagzeilen zu produzieren. Seine Widersacher werden dadurch aber nicht verstummen. Noch immer stehen ungeklärte Vorwürfe im Raum, die teilweise aus dem innersten Zirkel befeuert werden. Bis zur Mitgliederversammlung am 10. September muss der Präsident Wege aufzeigen, wie er die Gremienarbeit künftig wieder in konstruktive Bahnen lenken will.

Präsident Claus Vogt bedankt sich bei Mercedes-Vorstandsmitglied Britta Seeger. (Foto: vfb.de)

Sein Motto „Vom ich zum wir“ konnte er in dreieinhalb Jahren Amtszeit nur teilweise mit Leben füllen. Das Präsidium ist zerstritten, der Vereinsbeirat nach dem geräuschvollen Rücktritt zweier Beiräte unvollständig, im Umfeld rumort es. Auch wenn der Schulterschluss zwischen AG und Verein gelungen ist und der Austausch mit den organisierten Fans gut funktioniert, melden sich immer wieder Mitglieder zu Wort, die dem Präsidenten Führungsstärke und Kompetenz absprechen.

Zu einem kritischen aber respektvollen Miteinander in einem Verein mit inzwischen über 80 000 Mitgliedern gehört neben transparenter Kommunikation auch gelebte Fehlerkultur. Diesbezüglich gibt es auch in Vogts Amtszeit noch viel Luft nach oben. Eine Schwäche, die sich der VfB mit seinem klaren Bekenntnis zum mitgliedergeführten Verein auf Dauer nicht leisten kann.  

Ärmel hoch

100 Millionen. Weltmarken-Bündnis. Champions-League der Investoren. Statt den Mund zu voll zu nehmen, sollte der VfB die großen Aufgaben angehen, die vor ihm liegen. Dabei gilt es, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Die „schonungslose Saisonanalyse“ darf dieses Jahr nicht genauso verpuffen wir vor Jahresfrist. Sonst wird es bald wieder heißen: Wir haben kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem.

Zum Weiterlesen:

Absturzsicherung – Rund um den Brustring

Kommentar zum Porsche-Einstieg: Wie der VfB die einmalige Chance nutzen kann – News über den VfB Stuttgart – Zeitungsverlag Waiblingen (zvw.de)

100 Millionen für den VfB: Was bedeutet das? – Vertikalpass

VfB Stuttgart | Saisonfazit von Claus Vogt

Kommentar zum VfB-Stuttgart-Porsche-Deal: Vorsicht, Falle! – kicker

Vorstandsvorsitzender des VfB Stuttgart: „Eine etwas andere Mischung“ – wie Alexander Wehrle die VfB-Zukunft sieht (stuttgarter-nachrichten.de Plus-Content)

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

Ein Kommentar

  • Bacardihardy

    Den VfB und Alex Wehrle kann man für diesen Deal wirklich beglückwünschen. Den sportlichen Erfolg haben sie damit leider nicht garantiert.
    Habe die Befürchtung, dass die Verantwortlichen einfach falsche unnötige Transfers tätigen. Wenn man schon wieder liest, dass ein torungefährlicher Stürmer wie Jeong von Freiburg für 4 Mio verpflichtet werden soll. Oh je das tut weh. Dabei hat der VfB so hoffnungsvolle Junge Spieler wie Milosevic, Sankoh, Faghir, Kastanaras bereits im Kader für den Sturm.
    Auch offensiv im Mittelfeld gibt es genügend Talente wie Ulrich, Eggloff, Paula oder Millot.
    Beim VfB fehlts doch in der Defensive (Abwehr und Mittelfeld) und auf der Torwartposition.
    Dort muss man die Mio investieren, wenn man in der Bundesliga Erfolg haben möchte.
    Wo ist der Fussballsachverstand ?
    Ich sehe ihn beim VfB leider nicht bzw. noch nicht

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