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Hör mir auf mit Korkut!

Erinnert ihr euch an die Rückrunde 2018? Ein gewisser Tayfun Korkut hatte aus dem Aufsteiger eine verschworene Einheit geformt, die zwar nur sporadisch vor das gegnerische Tor kam, aber trotzdem kaum zu schlagen war. Ein halbes Jahr später musste der geborene Stuttgarter mit türkischen Wurzeln seine Sachen packen. Trotz einiger Neuzugänge war es ihm nicht gelungen, dem stabilen defensiven Gerüst einen offensiven Touch zu geben. Im Gegenteil, auch die Abwehr wankte plötzlich. Was das mit dem Spiel in Frankfurt und Matarazzos Mannschaft zu tun hat? Gar nichts, höre ich euch entsetzt erwidern. Doch mir wollen die Vorschusslorbeeren für Tayfuns Vorbereitungsweltmeister nicht aus dem Kopf.

Das zweite Jahr

Am 31. August 2021 atmeten viele VfB-Fans auf. Bis auf Kobel und González blieb die erfolgreiche Mannschaft aus der Vorsaison zusammen, einige talentierte Jungs sind sogar noch dazu gekommen. Die einfache Rechnung: Das Pressing und Konterspiel aus der vergangenen Spielzeit plus mehr Kreativität im eigenen Ballbesitz ergeben eine sorgenfreie Saison mit attraktivem Fußball. Leider gehen solche Gleichungen im Fußball selten auf, wie wir in der Abstiegssaison 2018/19 leidvoll erfahren mussten.

Im Moment lässt der VfB im Spiel gegen den Ball die gewohnte Ordnung und Aggressivität vermissen und auch die überfallartigen Gegenangriffe nach Ballgewinn bleiben meistens im Ansatz stecken. Zu allem Überfluss beginnt auch noch die Dreierkette zu wackeln, obwohl die Wunschbesetzung auf dem Platz steht. Bevor die Mannschaft also den nächsten Schritt gehen kann, muss sie zuerst wieder die Grundlagen auf den Rasen bringen.

Individuelle Form

Ähnliches gilt für die ersehnten Comebacks unserer Lieblinge. Gestern musste Mangala feststellen, dass eine unsaubere Ballannahme und schlechtes Stellungsspiel in der Bundesliga ganz schnell mit einem Gegentor und einer gelben Karte bestraft werden. Auch ein hoch veranlagter Spieler wie er wird einige Wochen brauchen, bis er wieder auf dem gleichen Leistungsstand ist wie vor der Verletzung. Ihr ahnt, was diese Erkenntnis für Silas und Sasa bedeutet.

Dass sich auch eine gute Form nicht wie selbstverständlich konservieren lässt, müssen Spieler erfahren, die zuletzt mit ihren Nationalmannschaften und im Höhenflug unterwegs waren. Mavropanos und Sosa lieferten in Frankfurt eine für ihre Verhältnisse enttäuschende Vorstellung ab, während sich Endo erfolglos bemühte, Struktur ins Spiel zu bringen. Wenn dem japanischen Dauerläufer irgendwann der Atem ausgeht, braucht es Spieler, die für ihn in die Bresche springen. Karazor und Klement waren damit zuletzt überfordert.

Ebenso geht es der VfB-Abwehr, in der ausgerechnet der sonst so stabile Waldemar Anton seiner Form hinterher hinkt. Obwohl man ihm bei der (angeblichen) Notbremse in der Schlussphase keinen Vorwurf machen kann, kommt er insgesamt nicht mehr so gut in die Zweikämpfe und begeht ungewohnte Stellungsfehler. Da seine Nebenleute genug mit sich selbst zu tun haben, fehlt insgesamt die defensive Stabilität.

Mannschaftliche Geschlossenheit

Neben den teils herausragenden individuellen Leistungen gefiel Matarazzos Mannschaft in der vergangenen Saison und auch im Auftaktspiel gegen Fürth mit Kompaktheit und eingespielten Abläufen. Wenn da ein Rädchen ins andere greift, sieht es spielend leicht aus, wie sich die Lücken in der Rückwärtsbewegung schließen und die Kompanie nach Ballgewinn blitzschnell ausschwärmt. Doch zum einen haben sich die Gegner inzwischen auf diesen Spielstil eingestellt, zum anderen fehlen wichtige Elemente des Systems verletzungsbedingt.

In Frankfurt verlor der VfB nach 25 Minuten Zugriff und Rhythmus. Nur den unsauber ausgespielten Angriffen der Eintracht war es zu verdanken, dass man dafür nicht bestraft wurde. Auch in der zweiten Hälfte mussten Florian Müllers Vorderleute mit zunehmender Spieldauer immer mehr brenzlige Situationen im eigenen Strafraum überstehen. Souverän sah das nicht immer aus.

Für Entlastung sorgten eigentlich nur die Einzelaktionen des agilen Marmoush, der mich mit seiner Geschwindigkeit und seinen manchmal etwas zu eigensinnigen Aktionen an Nico González erinnert. In punkto Anlaufverhalten und Abstimmung mit den Nebenleuten wird sich der Leihspieler aus Wolfsburg sicher noch verbessern.

Dem Trainer kommt nun die Aufgabe zu, das System so auszubalancieren, dass die Stärken der Spieler zum Tragen kommen und die Mannschaft sich taktisch wieder als geschlossene Einheit präsentiert. Klingt in der Theorie einfach, ist in Wirklichkeit aber ziemlich komplex. Zur Erinnerung: Don Tayfun schaffte es im Herbst 2018 nicht, die alten Stärken wiederzubeleben.  

Überragende Moral

So, jetzt ist aber Schluss mit den windschiefen Parallelen. Matarazzo ist ein völlig anderer Trainer als Korkut und auch den aktuellen Kader kann man nicht mit dem der Saison 2018/19 vergleichen. Außerdem: Die Moral der Truppe ist nach wie vor überragend. Den späten Rückstand in Unterzahl noch umzubiegen und den Punkt schließlich über die Zeit zu kämpfen, verdient höchsten Respekt.

Außerdem ist ein Unentschieden bei der Eintracht ein gutes Ergebnis, das durch sein Zustandekommen als Energieschub, wegen der holprigen Darbietung aber auch als Warnsignal dienen kann. Über mangelnde Ansatzpunkte für die Trainingswoche können sich Mataarazzo und sein Team sicher nicht beklagen. Immerhin gastiert am kommenen Sonntag die starke Bayer-Werkself im Neckarstadion.

SG Eintracht Frankfurt – VfB 1:1

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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