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Wir fahren sowieso nach Berlin

Basti Fantasti im seichten Geplänkel mit Esther Sedlaczek, Jogi und Tante Käthe mit wichtiger Miene auf der Tribüne, überall DFB-Logos draufgeklebt: „Fußball-Deutschland“ ist mal wieder zu Besuch in Bad Cannstatt. Die Baustelle Neckarstadion brodelt jedenfalls ordentlich und aus dem Auswärtsblock kommt Rauch.

VfB-Fans – egal ob in der Cannstatter Kurve oder auf jedem anderen Platz in der Arena – wissen genau, dass solche Abende nicht allzu häufig vorkommen. Auch die Mannschaft weiß es offensichtlich, aber ihr fehlt die Klasse, das Spiel zu entscheiden, als der Gegner taumelt. In der zweiten Halbzeit zerplatzen die schwäbischen Träume dann wie Seifenblasen.

Tiago Tomás verpasst das 2:0. (Foto: dpa)

An der Grenze

Schon im letzten Heimspiel trat das Team mit dem Brustring phasenweise auf wie eine stabile Bundesligamannschaft. Die erste Halbzeit gegen Frankfurt beweist dann erneut, dass der VfB durchaus wettbewerbsfähig sein kann. Getragen von einer würdigen Pokalkulisse zeigen die Weiß-Roten, was möglich wäre, wenn … ja wenn die Dinge eben nicht so wären, wie sie sind. Hoeneß hat der Truppe zwar wieder Selbstvertrauen und Entschlossenheit vermittelt, Konstanz und taktische Reife fehlen aber nach wie vor.   

Nicht nur was die Stimmung betrifft gehört die Anfangsphase zum Besten, was dieses Stadion seit Längerem erlebt hat. Durch aggressives Pressing gewinnt der VfB viele Bälle und sucht immer wieder die Tiefe über die Flügel. Es wirkt, als hätten die Weiß-Roten einen Mann mehr auf dem Feld. Nach einigen guten Tormöglichkeiten ist das 1:0 zur Pause einfach zu wenig. Tomás fehlt nach schönem Zuspiel von Silas die Entschlossenheit (21.), die er kurz zuvor beim Führungstreffer noch gezeigt hat, eben jener Silas bringt in bester Abschlussposition nicht mehr als einen Kullerball zustande (35.), und erneut Tomás kommt nach Vagnomans Abschluss beim Abstauben ins Straucheln (45.+2).

Auf dem Boden der Tatsachen

Ganz anders stellt sich die Szenerie nach der Pause dar. Da gibt die Mannschaft von Sebastian Hoeneß innerhalb von zehn Minuten das Spiel aus der Hand. Eine Mischung aus Passivität und taktischen Schnitzern bringt den Gast wieder zurück ins Spiel. Vor vier Tage war die Borussia aus Mönchengladbach nicht so gnadenlos und musste deshalb die Punkte in Stuttgart lassen. Diese Schwächephasen sind inzwischen zum Markenzeichen des VfB geworden. Manchmal pennt die Mannschaft gleich zu Spielbeginn, ein anderes Mal zu Beginn der zweiten Hälfte.

Fabian Bredlow kann Kolo Muani nur auf Kosten eines Elfmeters stoppen. (Quelle: dpa via radiobielefeld.de)

Was in der 75. Minute passiert, darf sich eine Profimannschaft aber beim besten Willen nicht erlauben. Nach einem Freistoß von der rechten Seite ist offensichtlich Coulibaly als Absicherung eingeteilt, sein halbherziger Abschluss aus dem Rückraum leitet allerdings den spielentscheidenden Konter der Eintracht ein. Diese Art mannschafts- und individualtaktischer Fehler kannst du dir höchstens bei einem bierseligen Freizeitturnier leisten.

In der Folge müssen die Schwaben feststellen, dass es überraschende Plot-Twists in letzter Minute nicht als Abo gibt. Dieses Mal ist der Rückstand in Unterzahl – nach einem saudummen Platzverweis des ansonsten blassen Sosa – nicht aufzuholen. Maximaler Aufwand, überschaubarer Ertrag – bei allem Respekt für den Kampfgeist der Truppe dürfen wir nicht vergessen, dass diese ungesunde Diskrepanz inzwischen schon zwei Jahre andauert.

Briefing für Berlin

Zeit zum Verdauen dieses Pokalkrimis gibt es in Cannstatt freilich nicht. Was der VfB am Samstag im Olympiastadion zu Berlin braucht, ist die gleiche Aggressivität und Zweikampfstärke wie in den ersten 45 Minuten am Mittwoch. Gleichzeitig muss das Team um Kapitän Endo endlich aus seinen Fehlern lernen: Einen Gegner, der eigentlich schon am Boden liegt, darf man durch nachlassende Intensität auf keinen Fall wieder aufrichten.

Hertha ist momentan wohl die formschwächste Mannschaft der Liga. Dass die Charlottenburger in den verbleibenden vier Spielen sechs Punkte und ein deutlich schlechteres Torverhältnis aufholen, erscheint nach menschlichem Ermessen unmöglich. Aber gerade hier liegt die Gefahr: Viele Spiele des VfB in den letzten zwei Jahren lassen sich rational kaum erklären – zum Beispiel der kollektive Blackout beim 0:2 in Berlin im April 2022. Viele Spieler aus dem aktuellen Kader waren damals schon dabei. Ob sie etwas dazugelernt haben?

VfB Stuttgart – SG Eintracht Frankfurt 2:3   

Zum Weiterlesen:

Was ist eigentlich im Pausentee? – Vertikalpass

Eins für die Galerie – Rund um den Brustring

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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