Petition für einen Sieg
Eine harmonische Mitgliederversammlung, hochkarätige neue Berater, eine bizarre Pressekonferenz gefolgt von einer ungewöhnlichen Pressemitteilung – beim VfB war vergangene Woche einiges los. Nur auf dem grünen Rechteck können die Weiß-Roten keinen Sturm erzeugen. Ohne allzu großen Aufwand nimmt die Eintracht nach ihrem Auswärtssieg in Marseille auch die drei Punkte vom Neckar mit. Nach sieben Saisonspielen, die Länderspielpause vor Augen, ist es Zeit für ein erstes kleines Fazit.
Daichi macht´s vor
Letzte Woche jubelten die VfB-Fans noch über das starke Startelfdebüt von Serhou Guirassy, über die ordnende Hand von Atakan Karazor und über Florian Müllers Leistungssprung im Vergleich zur Vorsaison. Irgendwie typisch VfB, dass alle drei ihre Leistung gegen die Eintracht nicht ansatzweise bestätigen können.
Vielleicht verdeutlichen diese Beispiele aber auch ganz gut, welche Anforderungen in der Bundesliga gestellt werden. So gelingt es dem Gast nach einem schweren Auswärtsspiel in der Champions-League, die Stuttgarter weitestgehend aus den gefährlichen Zonen fernzuhalten und selbst mit drei Standardtoren seine Chancen effizient zu nutzen.
Daichi Kamada heißt der Frankfurter Matchwinner. Für Jesper Lindström auf die Position hinter der Spitze aufgerückt zeigt der bewegliche Japaner, wie man ein Spiel entscheidet: Zuerst liefert er mit dem von ihm selbst herausgeholten Freistoß die Vorlage zum 0:1, bevor sein Freistoß zehn Minuten nach Wiederanpfiff zum 0:2 abgefälscht wird und er kurz vor Schluss Jakic per Ecke zum 1:3 bedient.
Einen derart prägenden Spieler hat der VfB an diesem Tag nicht auf dem Platz. Vor allem das Mittelfeld kann die Räume oft nicht rechtzeitig schließen und im letzten Drittel fehlt die Präzision. Zwei Monate vor der Winter-WM wirkt ausgerechnet der Kapitän der japanischen Auswahl außer Form und die offensiven Hoffnungsträger haben in erster Linie mit sich selbst zu tun. Das geballte Potenzial eines Silas, Tomás oder Führich blitzt am Samstag viel zu selten auf.
Sieglos
Vor der Länderspielpause liest sich die Bilanz der Schwaben ernüchternd: 7 Spiele, 5 Punkte, noch kein Sieg. Schwer zu sagen, ob man sich mehr Sorgen darüber machen soll, dass die Mannschaft erst 7 Tore erzielt hat, oder dass sie schon 10 Gegentore hinnehmen musste. Die sportliche Führung hat die fehlenden Alternativen in der Innenverteidigung jetzt wohl doch als Problem ausgemacht, weswegen der vereinslose Dan-Axel Zagadou laut Medienberichten am Sonntag den Medizincheck in Cannstatt absolvieren soll.
Fest steht, dass weder Bremen noch Köln, Schalke oder Frankfurt Übermannschaften sind, gegen die ein Sieg außer Reichweite liegt. Die beiden Aufsteiger verfügen im Vergleich sicher nicht über die größere Qualität im Kader, die Europacup-Teilnehmer aus Köln und Frankfurt leiden unter der Mehrfachbelastung. Solche Spiele muss der VfB auch einmal gewinnen, wenn er nicht gleich wieder im Tabellenkeller festsitzen will.
Sorgen machen den Fans auch die Leistungsschwankungen ihrer Lieblinge. Konnte man mit den Auftritten in Köln und München noch ganz zufrieden sein, folgte in den Heimspielen gegen Schalke und Frankfurt jeweils die Ernüchterung. Gerade in der heimischen Arena schafft es Matarazzos Team nicht, Druck aufzubauen und sich klare Torchancen herauszuspielen. Wir vermissen das Gefühl aus der Endphase der vergangenen Spielzeit, dass die Mannschaft zu Hause jederzeit in der Lage ist zurückzuschlagen.
Die Macht der Fans
Im Zuge der durch die Pressekonferenz ausgelösten Turbulenzen formiert sich unter der Woche organisierter Widerstand. In einer Online-Petition fordern mehrere tausend Anhänger „eine sofortige Aufnahme von Gesprächen zur Vertragsverlängerung von Sven Mislintat, die seine Vorstellungen angemessen berücksichtigen“.
Welche Vorstellungen der meinungsstarke Sportdirektor hat? Welche Zugeständnisse als angemessen zu bewerten sind? Das wissen die Unterzeichner nicht so genau. Sie signalisieren dem Vorstandsvorsitzenden und dem Aufsichtsrat der VfB AG aber zumindest, dass sie mit dem Vorgehen und dem peinlichen öffentlichen Auftreten nicht einverstanden sind. Die Pressemitteilung von Freitag interpretieren sie als Erfolg ihrer basisdemokratischen Aktion.
Wenn Online-Petitionen also tatsächlich eine so unmittelbare Wirkung auf die Führung eines Profiklubs hätten, könnten wir ja gleich die nächste aufsetzen. Und zwar eine, die nicht mit Dingen zu tun hat, in die wir letztlich nur wenig Einblick haben. Wie wäre es mit einer Petition für den ersten Saisonsieg?
VfB Stuttgart – SG Eintracht Frankfurt 1:3
reybucanero74
Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson