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Nachschlag gefällig

Wäre ich Wurstverkäufer bei Aramark und nicht an Fußball interessiert, würde ich tippen: sechs null. Drei kollektive Jubelschreie in der ersten und nochmal drei in der zweiten Halbzeit. Es wird allerdings immer schwieriger, Spielergebnisse anhand der Geräuschkulisse zu erraten, es sei denn, man zieht für jeden „Scheiß DFB“-Sprechchor vorsichtshalber einen Treffer ab. Zusätzlich muss man bei dem akustischen Signal aufhorchen, das ein Tor auf einem anderen Platz ankündigt und bisweilen wie ein eigenes gefeiert wird: HSV – St. Pauli 0:1. Kurz nach Mangalas Sonntagsschuss, der leider nicht als sein zweites Saisontor notiert werden darf. Zu diesem Zeitpunkt sind freilich erst zwanzig Minuten gespielt und der VfB tut sich gegen einen hoch pressenden Jahn aus Regensburg ziemlich schwer.

Die neue Sachlichkeit

Die Anfangsphase dürfte auch Signore Matarazzo nicht geschmeckt haben, denn die Gäste kommen mit ihren schnörkellos ausgespielten Gegenstößen durchaus gefährlich vor das Tor von Gregor Kobel. Außerdem schafft es der VfB kaum, die erste Pressingwelle zu überspielen und seinerseits in gefährliche Räume vorzustoßen. Trotzdem darf der neue Chefcoach nach Spielende zufrieden resümieren: „Man erkennt immer mehr, wie wir spielen wollen.“ Nach und nach gewinnt seine Mannschaft nämlich mehr Kontrolle über das Spiel und entscheidet es schließlich nach einer Stunde mit einem Doppelschlag. Was unter Tim Walter fast nie gelang, wird im neuen Jahr – zumindest in den Heimspielen – zur Gewohnheit: souveräne Siege ohne Gegentor. Fünf Spiele, 13 Punkte, 10:1 Tore. Auch wenn Matarazzo nach eigener Aussage schon seit zwanzig Jahren nichts mehr mit Mathematik zu tun hatte, weiß er genau: Extrapoliert man diese Leistungsdaten bis zum Saisonende, wird der VfB mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf einem der direkten Aufstiegsplätze landen.

Die Leiden des jungen W.

Spieler wie Silas Wamangituka waren mir auf dem Bolzplatz ein Dorn im Auge. Sie spielen den Ball nämlich selbst dann nicht ab, wenn sie von drei Gegnern umringt am Zaun eingequetscht sind. Aber beim VfB schätzt man den 20-jährigen Kongolesen und seine unorthodoxe, oft eigensinnige Spielweise. Im Spiel gegen Regensburg gehorcht ihm sein Lieblingsspielzeug allerdings selten. Ein ums andere Mal vermasselt er durch schlampige Ballannahmen und Zuspiele vielversprechende Angriffe. Ende der ersten Hälfte steht er nach einigen ungeschickten Zweikämpfen sogar am Rande eines Platzverweises. Dass der Trainer ihn trotzdem auf dem Platz lässt und er das zweite Tor stark vorbereitet, zeigt einerseits, dass man es mit der Entwicklung junger Spieler ernst meint, andererseits, dass wenige Spieler mit seinen Stärken im Kader stehen. Während die einen also an Silas W. verzweifeln, sind sich die anderen sicher: Wenn er im Passspiel und der Entscheidungsfindung noch zulegt, kann er selbst eine Liga höher für Aufsehen sorgen.

Die unendliche Leichtigkeit des Seins

Letzteres gilt auch für Daniel Didavi, der vor wenigen Tagen seinen 30. Geburtstag feierte. Bei wenigen Spielern sehen Ballannahme, Ballführung und Schusstechnik so elegant aus, doch gleichzeitig gibt es nicht viele, die so häufig von Verletzungen gebremst wurden. Statt Champions-League spielt der Nürtinger Fußballkünstler jetzt Klopperliga – und hat Spaß dabei. Seinen Freistoß sieht der Ex-Kollege Alexander Meyer rechts oben unweit des Knicks einschlagen. Ein Gemälde mit hinreißenden Kurven: die Flugbahn des Balles – die kollektive Ekstase bei den Fans auf der Tribüne gen Cannstatt. Sollte es im Mai eine euphorische Aufstiegsparty geben, wird Dida ohne Zweifel als eine der Hauptfiguren gefeiert. Weil er dann und wann die Zauberkiste auspackt, weil er sich auch zum Grätschen nicht zu schade ist, aber vor allem, weil sein empfindlicher Körper ihm dieses Mal keinen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Dass unsere Nummer 10 gereift ist, beweist auch seine Einordnung nach Spielschluss: „Wir müssen jetzt in Fürth gewinnen, sonst hat der Sieg nichts gebracht.“

Samstag, halb vier

Wenn der Fußball eigentlich erst losgeht, trifft man sich angesichts des verrückten Zweitligaspielplans auf die Wurst danach. Zur Beruhigung. Ein bisschen auch zur Ausnüchterung. Nicht jeder steckt den ausgiebigen Frühschoppen so schnell weg. Wie hat der HSV gespielt? – 0:2. – Nicht 0:3? – Eigentlich 1:3. – Was? – Wurde aberkannt. – Ich hol mir noch einen Schlag Senf, bevor der auch zurückgenommen wird.

VfB – SSV Jahn Regensburg 2:0

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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