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Labbadia´s Law

Der Ingenieur Edward A. Murphy dürfte den meisten nicht aufgrund seiner technischen Konstruktionen sondern wegen eines Sprichworts bekannt sein: “Anything that can go wrong will go wrong.“ Beim VfB gilt seit Dezember Labbadias Gesetz: Wenn du eine sichere und eine mutige Option hast, wähle stets die sichere.

Ausgerechnet Omar Marmoush. Ein Tor reicht dem Gast aus Wolfsburg zum Sieg. (Quelle: zdf.de)

So sind Kreativität und Überraschungsmomente in den vergangenen 100 Tagen zu den natürlichen Feinden des VfB-Fußballs geworden. Der bieder auftretende VfL aus Wolfsburg muss sich am Samstag nicht einmal sonderlich anstrengen, um die drei Punkte aus Stuttgart mitzunehmen. Mit der sechsten Heimniederlage der Saison verkommt das einst gefürchtete Neckarstadion langsam zum Selbstbedienungsladen.

Verunsicherung statt Stabilität

Ergebnisse von Labbadias Sicherheitsdenken sind ein Innenverteidiger, der konstant auf der rechten Außenbahn spielt, eine Mittelfeldreihe, die ihr Augenmerk vornehmlich aufs Verhindern legt, und Angreifer, die nur in homöopathischer Dosis Torgefahr ausstrahlen.

Bei Silas kann gegen die Werkself aus der Autostadt noch nicht einmal davon die Rede sein. Ihm fehlt vieles, was ein Mittelstürmer braucht: Raumgefühl, Kopfballspiel, ein guter erster Kontakt. Das ganze Stadion sieht den Kongolesen leiden. Das ganze Stadion? Nein! Ein unbeugsames Trainergespann hört nicht auf, der Wirklichkeit Widerstand zu leisten.

Die Kritik an den Personalentscheidungen des Trainers ist nicht neu. Trotzdem begegneten die lokalen Sportredaktionen Brunos Fehlgriffen bisher mit erstaunlich viel Verständnis. Er habe der Mannschaft eine klare Struktur gegeben, hieß es da. So klar, dass sich die Gegner inzwischen ins Fäustchen lachen, weil die Angriffsbemühungen wahnsinnig leicht auszurechnen sind. Nach der wohl längsten Vorbereitungszeit, die je ein Trainer in Cannstatt hatte, und elf Pflichtspielen wirkt die Mannschaft verunsichert wie nie zuvor.

Mister Ergebnis

Diese Tatsache dürfte auch den Verantwortlichen in der Mercedesstraße nicht entgangen sein. Ihr Problem: Sie haben die vermeintlichen Trümpfe bereits im Dezember gezogen. Die neuen sportlichen Berater sollen bei den Personalentscheidungen seinerzeit ein gewichtiges Wort mitgesprochen haben. Doch seit Längerem ist von Khedira und Lahm nichts mehr zu hören. Als unabhängige Ratgeber stehen sie ja auch nicht in der Verantwortung. Die muss ihr Auftraggeber tragen.

Die Geduld der Fans ist zu Ende: Pfiffe nach der Pleite gegen Wolfsburg. (Foto: dpa/Tom Weller)

Bis Samstag haben die weiß-roten Anhänger die mediokren Darbietungen ihrer Lieblinge mit bemerkenswerter Langmut hingenommen. Das Pfeifkonzert nach Spielende zeigt jedoch, dass der Geduldsfaden der Kurve nun gerissen ist. Keiner glaubt mehr daran, dass man den Erfolg mit altbackenen Rezepten der 90er-Jahre erzwingen kann. Nach mickrigen sechs Punkten aus zehn Partien müssen selbst die größten Optimisten eingestehen, dass diese Mission gescheitert ist. Gescheitert an der mangelnden Klasse des kickenden Personals und nicht zuletzt an der Sturheit des Übungsleiters. Mister Ergebnis steht vor der Länderspielpause mit heruntergelassenen Hosen da.

Belohnung kommt von Lohn

In der Pressekonferenz vor dem Spiel legt der Trainer wieder einmal seine alte Platte auf: „Wir müssen geduldig sein.“ Offensichtlich will er damit das ausverkaufte Stadion vorwarnen, dass seine Mannschaft mit dem immergleichen Matchplan antreten wird: Kompakt verschieben, lieber quer als steil und vorne hilft der liebe Gott.

Falls der kein Einsehen hat, wird im Nachgang eben wieder die „Wir haben uns nicht belohnt“-Floskel bedient. Aber Lohn wofür eigentlich? Für Mutlosigkeit? Für das Fehlen jeglicher Struktur im Angriffsspiel? Wird nicht eher umgekehrt ein Schuh daraus? Gegen Wolfsburg wird die Mannschaft jedenfalls für ihr mutloses Auftreten bestraft. Wie schon gegen Schalke und Bremen.

Es gibt Dinge, die kann man mit gutem Willen und harter Arbeit geradebiegen. Auch Dinge, die man vorher ziemlich in den Sand gesetzt hat, weil man die falschen Entscheidungen getroffen oder auf die falschen Leute gehört hat. Und es gibt den VfB unter der Leitung von Bruno Labbadia. Da ist spätestens jetzt klar: So reicht es nicht für die Bundesliga.

Rohbau als Warnung

Angekommen am Tabellenende stellt sich für den Traditionsverein aus Cannstatt die drängende Frage nach der Zukunft. Ein Blick auf den Rohbau der neuen Haupttribüne ruft uns in Erinnerung, dass ein Abstieg in dieser Saison kaum zu verkraften wäre. Eines der modernsten Stadien Europas werde bald in Stuttgart stehen, frohlockte Alexander Wehrle auf seiner Antrittspressekonferenz im März letzten Jahres. Seitdem hat sich in seiner Amtszeit häufig Murphy´s Law bewahrheitet. Es wäre keine Überraschung, wenn die teure Arena in näherer Zukunft eher bescheidene Events ausrichten würde. Mit Ausnahme des Derbys vielleicht.

VfB Stuttgart – VfL Wolfsburg 0:1

Zum Weiterlesen:

Labbadia coacht den VfB in die zweite Liga – Vertikalpass

VertikalGIF #VfBWOB: Somewhere over the rainbow – Vertikalpass

Die Fehlerkette – Rund um den Brustring

Trainerfrage beim VfB Stuttgart: Labbadias letzte Chance: Er muss sich neu erfinden (stuttgarter-nachrichten.de) (Paywall)

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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