Drei typische Undavs

2:0-Rückstand, ein Gegner, der mit zunehmender Spieldauer die VfB-Abwehr in Not bringt, gepaart mit eigener Ungefährlichkeit vor dem Tor – zur Pause gibt im Westfalenstadion wohl niemand mehr einen Pfifferling auf den VfB. Doch dann dreht Deniz Undav auf und sichert seiner Mannschaft fast im Alleingang einen verdienten Auswärtspunkt.
Phantom-Elfmeter
Die Anfangsphase verläuft wie weite Teile der vergangenen fünf Duelle zwischen Weiß-Rot und Schwarz-Gelb: Die einen mutig und entschlossen, die anderen gehemmt und überfordert. Der Haken an der Sache: Nach zwanzig Minuten steht es trotz klarer schwäbischer Überlegenheit weiter 0:0.
Dann kippt das Spiel durch einen Elfmeterpfiff, den außer Nico Schlotterbeck und Schiedsrichter Brand keiner versteht. Der Dortmunder läuft in den Strafraum ein und verhakt sich mit Undav, woraufhin beide zu Boden gehen. Interessante Fußnote: Im Bundesligaspiel gegen Augsburg wurde Zagadou vor zwei Wochen ein Strafstoß zugesprochen, nachdem er sich mit Nico Schlotterbecks Bruder einen wahren Ringkampf geliefert hatte. Kevin regte sich ziemlich über den Pfiff auf – immerhin hatten beide gezogen und gezerrt, was das Zeug hält. Die Szene von Samstag wird dagegen auch in der siebten Zeitlupe zu keinem elfmeterreifen Regelverstoß.
Zweite Luft
Was hat Sebastian Hoeneß seiner Mannschaft wohl in der Kabine gesagt? Vielleicht, dass der Gegner kein Mittel gegen das hohe Pressing findet und in der Abwehr alles andere als sattelfest wirkt? Jedenfalls kommen seine Schützlinge voller Energie zurück auf den Platz. In der 47. Minute ist der Anschluss hergestellt: Mittelstädt flankt von links, El Khannouss kommt per Kopf nicht hinter den Ball, doch Undav verwertet die Kerze frech mit dem rechten Außenrist. Emre Can und Gregor Kobel gucken blöd aus der Wäsche.
Das Spiel gewinnt an Klasse und wogt nun hin und her. Assignon vergibt überhastet (49.), Guirassy steht bei seinem Tor knapp im Abseits (53.), bevor Chukwuemeka ebenfalls aus Abseitsposition die Latte trifft (64.). Was einen echten Torjäger ausmacht, zeigt Undav ein paar Minuten später: Gedankenschnell verwandelt er die Mittelstädt-Ablage nach einer Ecke von Angelo Stiller (71.). Das Schlitzohr ist wieder zurück – und mit ihm der VfB.
Wie einst im April
Erinnerungen an den April des Jahres 2023 werden wach, als die Schwaben im Neckarstadion einen 0:2 Pausenrückstand gegen den BVB ausglichen. Reyna sorgte damals in der Nachspielzeit für den vermeintlichen Siegtreffer, bevor Silas in der 97. Minute das Stadion zum Kochen brachte.
Einmalig? Nicht wiederholbar? Denkste! Sebastian Hoeneß und seinem Team gelingt zum zweiten Mal in der zweieinhalbjährigen Amtszeit des Trainers ein Last-Minute-Coup gegen Dortmund. Der eingewechselte Adeyemi feiert sein 3:2 wie die Meisterschaft, doch dann gibt Undav ein drittes Mal an diesem Nachmittag seine Visitenkarte ab. Mit einer ansatzlosen Drehung gefolgt von einem platzierten Flachschuss lässt er Nationalmannschaftskollegen Schlotterbeck steinalt aussehen. Das Dortmunder VfB-Trauma nimmt langsam pathologische Züge an.
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reybucanero74
Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson