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Der VfB und die Nach-Wehen

Als wären die Länderspielpausen nicht schon ärgerlich genug, hat es sich der VfB in den letzten Jahren zur Gewohnheit gemacht, die Spiele davor zu verpatzen. Die Pleiten gegen die Aufsteiger aus Wehen-Wiesbaden und Osnabrück passen da ins Bild und geben uns zwei düstere Novemberwochen lang Zeit für eine Zwischenbilanz. Nach dreizehn Spieltagen in der zweiten Liga, in der Oberliga sind es sogar schon fünfzehn, kann man eine erste Bewertung der sportlichen Neuausrichtung vornehmen.

Thomas Hitzlsperger hat sich zur Freude der meisten Fans von Anfang an die Nachwuchsförderung auf die Fahnen geschrieben. Die Startformation in Osnabrück war im Schnitt 24,3 Jahre alt, die Zweite im Stadtderby sogar nur 22,6. Der VfB ist also wieder jung, aber ist er auch wild, wie der alte Slogan propagiert? Und vor allem: Bringt der eingeschlagene Weg den dringend benötigten Erfolg?

Die Aufgaben, die in der zweiten Liga und der Oberliga auf den VfB warten, ähneln sich trotz des Klassenunterschieds. Tief stehende, bis in die Haarspitzen motivierte Gegner zerstören in erster Linie das Spiel und lauern auf Konter. Alleine mit jugendlichem Elan ist es da schwer, seine spielerische und technische Überlegenheit zur Geltung zu bringen. Dazu braucht es ein System, einen Plan, ergo einen guten Trainer. Tim Walter und Paco Vaz wissen, dass ihre Kader hochkarätig besetzt sind. Alles andere als der direkte Wiederaufstieg wäre unter diesen Voraussetzungen ein Scheitern.

Blickt man auf die Tabellen und Ergebnisse der beiden Spielklassen erkennt man weitere Parallelen: Trotz der – gemessen an den eigenen Ansprüchen – zu niedrigen Punktausbeute ist der Kontakt zur Spitze noch vorhanden. Beide Teams tun sich gegen vermeintlich schwächere Gegner schwer und sind ausgerechnet bei den Spitzenspielen indisponiert. So sehr in der öffentlichen Kommunikation auch die Entwicklung der Mannschaften in den Vordergrund gestellt wird, kann man eben jene nur schwer erkennen. Letzte Woche wurden Arbeitssiege gegen Dresden und Pforzheim als Entwicklungsschritte interpretiert, nach schmerzhaften Niederlagen an der Bremer Brücke und im Stadtderby sieht man, wie wackelig die Strukturen noch immer sind.

Beim Auftritt in Osnabrück erinnerte vieles an die Heimniederlage gegen den Mitaufsteiger Wehen-Wiesbaden. Nach einer fast lustlosen ersten Hälfte wurden wir im zweiten Abschnitt Zeugen eines genauso kopf- wie erfolglosen Anrennens. Jetzt kann man natürlich die Spieldaten zur eigenen Verteidigung hernehmen oder den vergebenen Torchancen hinterhertrauern, aber wie sagt man so schön: Immer Pech ist Unvermögen. Stellen wir also lieber einige grundsätzliche Fragen zum Spielsystem sowie zur Auf- und Einstellung der Mannschaft. Damit meine ich ausdrücklich keine überstürzte Trainerdiskussion, die mehr neue Probleme schafft, als bestehende zu lösen.

Aufbau und Passspiel: Manche Beobachter verteidigen Walters Vorliebe für Spielkontrolle und Ballbesitz mit dem Argument, die Kritiker würden sein System einfach nicht verstehen. Das halte ich für anmaßend. Das Einbinden des Torhüters sowie das Aufrücken eines Innenverteidigers in den Sechserraum haben das Ziel, im Mittelfeld und schließlich im letzten Spieldrittel Überzahlsituationen zu schaffen. Genau das gelingt der Mannschaft aber nur selten, während sie häufig das Tempo verschleppt und dem Gegner die Möglichkeit gibt, seine Abwehrreihen zu formieren. Schaut man sich die Entstehung der Tore und Torchancen genauer an, wird deutlich, dass ihnen oft Standardsituationen oder lange Bälle vorangehen. Die Spielidee des Trainers führt zwar zu überwältigenden Ballbesitz- und Passwerten, aber noch nicht zum Erfolg.

Dabei halte ich den kontrollierten Spielaufbau grundsätzlich für vielversprechend, allerdings braucht es ein höheres Passtempo, mehr Vertikalität und Unterstützung aus dem Mittelfeld.

Dominanz im Zentrum: Walters System basiert auf einem Übergewicht im Mittelfeld. Wenn es dem Gegner gelingt, die Mitte zu schließen und den VfB auf die Außen zu zwingen, sind die Angriffe größtenteils durchsichtig und leicht zu verteidigen. Osnabrück gewann gerade im Zentrum viele Zweikämpfe und zog dem VfB damit vor allem in der ersten Halbzeit den Zahn. Im Rückblick auf das erste Saisondrittel stellen die schwankenden Leistungen der Schlüsselspieler ein Problem dar. Von keinem der Mittelfeldakteure kann man bisher behaupten, dass er seine Rolle und Form gefunden habe.

Im weiteren Saisonverlauf wird es darauf ankommen, die individuellen Stärken besser zur Geltung zu bringen. Walter muss nach Bedarf strategische Fähigkeiten, Zweikampfhärte und Spielstärke richtig abmischen. Gegen tiefstehende Gegner stelle ich mir beispielsweise einen spielstarken Sechser wie Mangala oder Castro vor, gegen offensiver agierende Teams können Karazor und Ascacíbar ihre Stärken ausspielen.

Chancenverwertung: Der Kader ist auch im Angriff auf dem Papier stark besetzt. In Osnabrück lief González allerdings erneut als einzige Spitze auf, auch weil sich seine Kollegen aus unterschiedlichen Gründen nicht aufdrängen. Silas hat zuletzt eher als Joker überzeugt, den klassischen Neunern Gómez und Al Ghaddioui geht die Spritzigkeit und Ballsicherheit ab, den Nachwuchskickern Coulibaly, Massimo und Klimovicz Erfahrung und Durchsetzungsvermögen.

Auch wenn der VfB gegen die Lila-Weißen in der zweiten Halbzeit drückend überlegen war, gab es die besten Einschussgelegenheiten vor der Pause: Ascacíbar und González fehlte die Präzision. Eine Diagnose, die für die gesamte Offensivabteilung gilt. Was alleine die Mittelfeldspieler Förster und Klement in den letzten Wochen verballert haben, hätte locker zur Führung in der internen Torjägerliste gereicht.

Für mehr Durchschlagskraft im Angriff sollte Walter meines Erachtens Spielertypen wie González und Silas um einen zentralen Stürmer herum einsetzen, der die Innverteidigung des Gegners beschäftigt. Dem jungen Argentinier fehlen die Ruhe und Cleverness im Abschluss, dafür sorgt er ständig für Unruhe und legt viele Bälle auf.  

Die sportliche Leitung, die für den Neuanfang im Sommer verantwortlich zeichnet, weist trotz aller Vorschusslorbeeren wenig Erfahrung in ihren jeweiligen Funktionen auf. Wir können nur hoffen, dass sie schnell lernen und die bisherige Kommunikationsstrategie „Wir sind auf einem guten Weg“ bei ausbleibendem Erfolg nicht trotzig beibehalten. Denn die Niederlagen vom Wochenende haben durchaus grundsätzliche Zweifel am direkten Wiederaufstieg der beiden Mannschaften genährt.

Das Spielsystem ist dabei nicht der entscheidende Faktor, vielmehr hatte man nicht das Gefühl, dass sich die Teams für ihr Ziel zerreißen. Wenn in einem wichtigen Auswärtsspiel gegen einen fußballerisch unterlegenen Gegner deine Mittelfeldreihe nur 41% ihrer Zweikämpfe gewinnt, sollte dir vor den Mikrofonen mehr einfallen als eine Andi-Brehme-Gedächtnis-Floskel. Und wenn der Trainer meint, es sei ihm egal, gegen wen man in zwei Wochen spiele, ist er offensichtlich noch nicht ganz in Bad Cannstatt angekommen. Da geht es nämlich weder um Ballbesitz und Chancenplus noch um gepflegte Spieleröffnungen, sondern um die vielleicht wichtigsten drei Punkte der ganzen Saison.  

VfL Osnabrück – VfB 1:0

Stuttgarter Kickers – VfB II 3:0

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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