Der perfekte Werbeträger
„Und wenn was nicht gut läuft,
(Die Fantastischen Vier, Individuell aber schnell)
und ist’s der größte Scheiß,
dann ist mit großer Sicherheit
der Werbeträger heiß.“
Wer ein Produkt verkaufen will, dass bei den Konsumenten nicht so richtig ankommt, braucht einen Marketingcoup. So wie einst Manfred Krug für die Telekom oder der junge Boris Becker für AOL: „Bin ich da schon drin oder was?“ Das fragen sich viele auch bei Jürgen Klopp – ihr wisst schon dem Pöhler-Kloppo. Der ist jetzt nämlich bei Red Bull auf der Gehaltsliste. Von Dortmund über Liverpool nach Fuschl am See. „Ich bin drin! Das ist ja einfach.“
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„Überragend“ findet der frühere Kult-Coach die Geschichte der RB-Fußballabteilung. Der sympathische Typ mit dem Käppi, der Held der Dortmunder Meisterjahre, das Idol der „Kop“ singt plötzlich das Hohelied auf ein Kunstprodukt des modernen Fußballs.
Für den österreichischen Konzern mit dem Hang zum Größenwahn ist „The Normal One“ der perfekte Werbeträger. Klopp transportiert Emotionen, ist nahbar und glaubwürdig. In ihn werden Eigenschaften projiziert, die dem Brauseklub fehlen. Menschelt es ab sofort also im RB-Imperium? Starten die Dosen eine Pöhler-Initiative auf deutschen Bolzplätzen? Oder macht sich der Grinse-Kloppo nach einer großen Trainerkarriere einfach im Back-Office von Red Bull noch ein paar Jahre die Taschen voll?
Fußball-Konzern vom Reißbrett
Mit Freiburgs Trainer-Ikone Christian Streich hat Klopp einen namhaften Fürsprecher: „RB ist RB. Natürlich haben sie finanzielle Möglichkeiten. Aber sie machen es gut“. Und weiter: „Mit dem Begriff der Tradition muss man aufpassen, dass es nicht heuchlerisch wird“. Bewirbt sich da der nächste als Botschafter mit Flüüügeln? Auch VfB-Legende Mario Gomez föhnt sich seine Tolle ja seit einiger Zeit für den Bullen-Konzern.
Ein Geflecht von Klubs in verschiedenen Ländern auf verschiedenen Kontinenten gepaart mit einem zuverlässigen Geldstrom aus der Zentrale in Fuschl am See sind nicht die schlechtesten Voraussetzungen, um eine Art Fußballmanager-Simulation im echten Leben zu spielen. Das Problem: Weder Red Bull Salzburg noch RB Leipzig oder ein anderer Klub aus dem RB-Kosmos haben eine wirkliche sportliche Relevanz. Sie sind den Leuten schlicht egal. Leidenschaft und Emotionen kann man nicht einfach kaufen.
Kontrastprogramm
Die Stimmung in der Red-Bull-Arena beim gestrigen „Bundesliga-Topspiel“ belebt jedenfalls nicht Geist und Körper, wie der Konzernslogan glauben machen will. Sie erinnert eher an eine trostlose Kirmes in der Provinz. Der überdrehte Stadionsprecher versucht erfolglos die Trillerpfeifen der Gästefans zu übertönen.
Das Kontrastprogramm fand vor zehn Tagen in der zweiten Runde des DFB-Pokals statt, als der FCK und seine leidenschaftlichen Fans nach über sieben Jahren mal wieder ihre Visitenkarte in Cannstatt abgaben. Schon am frühen Nachmittag waren FCK-Kutten in der Stadt zu sehen. Die Bäpper der Fans aus Kaiserslautern kleben an fast jeder Wand in Stadionnähe. An einem Dienstagabend brodelte das ausverkaufte Neckarstadion wie zu alten Zeiten, als die beiden Klubs noch Aushängeschilder der Bundesliga waren.
Wer ist hier der Heuchler?
Wer diese Art von Fußball mag und das österreichische Kunstprodukt ablehnt, ist sicher kein Heuchler. Eher schon diejenigen, die sich plötzlich für den RB-Kosmos begeistern können, nachdem sie die Zahlen im Vertragsentwurf gesehen haben. Der eigentliche Stein des Anstoßes ist aber ein anderer: Erzählt uns bitte nicht mit einem RB-Logo auf dem Hemd, was Fußball-Tradition ist und wie wir sie zu leben haben. Just shut up and take the money.
reybucanero74
Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson
Ein Kommentar
Oliver
In Leipzig hat RB halt auch den Vorteil, dass die vorhandenen, traditionsreichen Clubs in der sportlichen Bedeutungslosigkeit versunken sind.