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Taten statt Worte

Nach der Abwahl von Claus Vogt tut sich erneut ein Machtvakuum auf. (Foto: Hansjürgen Britsch/Pressefoto Baumann/Imago)

Bei der vorgezogenen ordentlichen Mitgliederversammlung am vergangenen Sonntag wurde zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte ein VfB-Präsident abgewählt. Diese Entscheidung hatte sich zwar seit Längerem angekündigt, die Art und Weise hinterlässt trotzdem einen schlechten Beigeschmack. Viele Mitglieder sind offensichtlich weder wegen der Nachwahl für das Präsidium noch wegen der richtungsweisenden Satzungsänderungen in die Porsche-Arena gekommen, sondern nur, um Vogt und Adrion ihrer Ämter zu entheben.

Damit steht der VfB trotz Vizemeisterschaft und Champions-League-Teilnahme vor einem erneuten vereinspolitischen Neuanfang. Die Aufarbeitung der Konflikte aus der Amtszeit von Claus Vogt muss der Ausgangspunkt für den Weg in eine ruhigere Zukunft sein. Das entstandene Machtvakuum birgt jedoch einige Gefahren.

Bilanz der Amtszeit Vogt

Auch wenn gewisse Medienvertreter und alte Hitzlsperger-Romantiker in den letzten Monaten versucht haben, Claus Vogt als den schlechtesten VfB-Präsidenten aller Zeiten darzustellen, hat der ehemalige Vorsitzende des FC PlayFair! einige Erfolge vorzuweisen.

Gerade in der ersten Phase seiner Präsidentschaft gelang es ihm, Mitglieder und Fans wieder enger an den Verein zu binden und lange aufgeschobene Projekte wie die Gründung der Frauenfußball-Abteilung und die Überarbeitung des Grundlagenvertrags umzusetzen. Der Unternehmer aus Waldenbuch forcierte auch das gesellschaftliche und soziale Engagement des Vereins und gab dem VfB wieder ein sympathischeres Gesicht.

Dennoch wird Vogt als Einzelkämpfer in Erinnerung bleiben, der innerhalb des Klubs zunehmend isoliert wirkte. Seine Amtszeit war durch tiefgreifende Krisen und ständige öffentliche Attacken gegen ihn geprägt. Vogts Einsatz für Mitglieder und Fans wurde nicht immer gewürdigt, bevor er sein Werk schließlich mit der Aufgabe des Aufsichtsratsvorsitzes selbst nachhaltig beschädigte. Die Mitgliederversammlung vom Sonntag kann nur als Misstrauensvotum gegen alle Vereinsgremien gewertet werden.

Entwicklung der Vereinsstrukturen

Zukünftige Verantwortungsträger können aus Vogts Präsidentschaft lernen, dass man proaktiv und regelmäßig mit der Mitgliedschaft kommunizieren und sie in wichtige Entscheidungen einbinden muss. Gleichzeitig ist die AG für vereinspolitische Themen und die im Positionspapier festgeschriebenen Werte zu sensibilisieren, ohne deren Vertreter vor den Kopf zu stoßen. Für all diese Aufgaben muss der Verein zusätzliche Stellen schaffen und sie mit entsprechenden Fachleuten besetzen.

Der Nachfolger des zurückgetretenen Präsidiumsmitglieds Christian Riethmüller wurde hauptsächlich gewählt, weil er nicht als vorbelastet gilt. Doch Andreas Grupp konnte in der Bewerbungsphase zu keinem Zeitpunkt deutlich machen, inwiefern er als starker Vertreter der Mitglieder an der Spitze des Vereins geeignet ist. Ob seine Managementerfahrung und Wirtschaftskompetenz ausreichen, um den mächtigen Investorenvertretern im Aufsichtsrat die Stirn zu bieten? Wir werden sehen.

Viel Verantwortung

Der neu installierte Wahlausschuss löst alte Zirkelbezüge auf, wirft aber gleichzeitig neue Fragen auf. Neun nach Listenwahl bestimmte Wahlfrauen und -männer übernehmen fortan wichtige Aufgaben der Gremien, ohne dass sie die notwendige Kompetenz und Erfahrung nachgewiesen haben.

Eine heterogen zusammengesetzte Gruppe mit völlig verschiedenen Interessen wird vor den anstehenden Neuwahlen aller Vereinsgremien die Kandidaten auswählen. Ob der Wahlausschuss dieser verantwortungsvollen Aufgabe gewachsen ist, darf man durchaus bezweifeln. Der Druck von innen und außen wird jedenfalls beträchtlich sein.

Nur Verlierer?

Alexander Wehrle profitiert vom sportlichen Höhenflug und bastelt gemeinsam mit seinem Vorstandskollegen Rouven Kasper an der Vision von einem modernen und erfolgreichen Fußballunternehmen. Mit den Wertevorstellungen der Mitglieder stimmt diese Vision allerdings nicht immer überein.

Gleiches gilt für die Vorgehensweise des Zuffenhausener Sportwagenherstellers bei seinem Einstieg als zweiter großer Investor neben Mercedes. Porsche kam, sah und bestimmte. Der Einfluss ist schon jetzt größer als es einem Partner mit gut 10 % der AG-Anteile zusteht. Die Mitgliederversammlung hat – ob gewollt oder nicht – die Weichen im Sinne von Meschke und Co. gestellt. Die neuen starken Frauen und Männer im Aufsichtsrat durften nicht nur den Vorsitzenden absägen und das Präsidentenamt schwächen, sie sprechen auch bei der Auswahl von Sponsoren ein gewichtiges Wort mit.

Mehr Respekt

Das letzte Mal als ein derartiges Machtvakuum im Verein bestand, wurde Hitzlsperger im Oktober 2019 ohne jede handfeste Referenz zum CEO ernannt, noch bevor man Vogt und Riethmüller als Präsidentschaftskandidaten ins Rennen schickte. Die Folge war ein andauernder Machtkampf zwischen AG-Vorstand und Präsident.

2016 wurde Wolfgang Dietrich nach dem Rücktritt von Bernd Wahler von den Strippenziehern aus dem Haus mit dem großen Stern als einziger Kandidat für das Präsidentenamt nominiert. Das Guerilla-Marketing, ein fragwürdiges Konstrukt nach der Ausgliederung und der Datenskandal belasten den VfB bis heute. Nachdem auch die Amtszeit von Dietrichs Nachfolger vorzeitig endete, gilt es nun, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Die Verantwortlichen aus den Gremien sollten künftig respektvoller miteinander umgehen und dürfen Meinungsverschiedenheiten nicht länger über die Medien ausgetragen. Nicht nur dem Ankündigungsweltmeister Wehrle ist zu empfehlen, ab sofort Taten statt Worte sprechen zu lassen.

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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