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Saisonziel: Relegation

Seit letztem Wochenende habe ich diese Visionen. Bärtige Männer mit schwarzen Kopftüchern, die auf Cannstatter Straßenlaternen klettern und grölen: „We love Sankt Pauli, we do …“. Noch schlimmer, Frank Schmidt in einem stickigen Presseraum auf der Ostalb: „Dass Herr Reschke unseren jungen Talenten künftig Spielpraxis in der Zweiten Liga geben will, rechnen wir ihm hoch an.“ Der 23. und 27. Mai sind längst rot im Kalender angestrichen.

„Sag amol, Babba, dia zwoi Schpiel em Mai, sen des dia ENDSPIELE, von denne älle schwätzet?“ – Ha noi, Jongr, des isch d´ RELEGATION. – REGELATION? Misset mer do en d´ Kerch?“

Eine Feierstunde des Fußballs war es nicht, was uns das Baden-Württemberg-Duell an diesem nasskalten Februarabend anbot, an dem jeder vernünftige Mensch mit seiner Familie beim Vesper hockt und sich überlegt, ob er den Tatort gucken soll. So spielt eine Mannschaft, die als realistisches Saisonziel nicht mehr als den Relegationsplatz ausgeben kann. Hannover und Nürnberg heißen die neuen Endspiele gegen den direkten Abstieg. In einer normalen Bundesligasaison wären wir mit 15 Punkten nach 20 Spielen schon längst abgeschlagen.

Während in der Mercedesstraße die Fetzen fliegen und sich der Aufsichtsrat in seine Einzelteile zerlegt, widerstehe ich der Versuchung, mich an Schiedsrichter Aytekin festzubeißen. Der war nämlich für den ersten Feldverweis in der langen Karriere des Mario Gomez verantwortlich und auch sonst nicht gerade für die Rolle des Helden des Abends prädestiniert. Die Schiedsrichterschelte und die Klagegesänge unseres personifizierten Mister Bitter trüben aber den analytischen Blick auf eine Mannschaft, die sich unglaublich schwer tut, das Spiel zu gestalten und Druck aufzubauen. Fehlerhaft und wenig dynamisch das Passspiel, konfus die Laufwege, unpräzise die Zuspiele in die Spitze.

Dabei hatte der Trainer mit einer mutigen Aufstellung seine Linie der letzten Wochen fortgesetzt: Gomez saß erneut auf der Bank, genauso wie Castro, Beck und Didavi. Gentner musste nach einer knappen Stunde raus. Offensichtlich hat Weinzierl die Zeichen der Zeit erkannt: Die Achse von La Manga ist gebrochen. Die Mannschaft braucht Geschwindigkeit und Mut, Willen und bedingungslosen Einsatz. Esswein und González standen gegen Freiburg sinnbildlich für diese Eigenschaften, bei allen fußballerischen Defiziten, die auch die beiden aufweisen. Und dann wäre da noch der Kurzauftritt von Didavi. Spielten mir meine Augen einen Streich oder kam mit ihm so etwas wie Kombinationssicherheit auf, ein Ansatz von Spielwitz? Auf den heiligen Daniel haben wir uns allerdings schon 2016 verlassen.

Bleiben einige Nahaufnahmen des VfB-Trainers als Erinnerung an Sonntag: Nach dem Führungstor führte Weinzierl seit Langem mal wieder so etwas wie einen zaghaften Freudentanz an der Seitenlinie auf. Da fieberte der Niederbayer richtig mit, schimpfte und gestikulierte. Umsonst. Nach Schlusspfiff stürmte er wie von der Tarantel gestochen auf Deniz Aytekin zu und bedachte ihn mit einem bairischen Wortschwall, der sicher wenig Druckreifes enthielt. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und ergriff die Flucht in die Katakomben. Seine Worthülsen auf der obligatorischen Pressekonferenz offenbarten später vor allem eines: Leere. Damit war er an diesem ernüchternden Abend nicht allein.

VfB – SC Freiburg 2:2

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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