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Raus aus der Geisterbahn

Fast auf den Tag genau drei Jahre ist es her. An einem ungemütlichen Dezembermontag verliert der VfB sein letztes Zweitligaheimspiel des Jahres gegen Hannover mit 1:2. Kurz vor Abpfiff verhilft Mitch Langerak dem Aufstiegskonkurrenten mit einer Slapsticknummer zum Siegtor, wenig später fliegt auch noch Timo Baumgartl wegen vermeintlich absichtlichen Handspiels vom Platz. Mit 32 Punkten steht die Mannschaft von Hannes Wolf am 16. Spieltag noch auf Platz 2, den sie eine Woche später nach indiskutabler Leistung beim Aufsteiger Würzburger Kickers verspielt. Sportvorstand Schindelmeiser rührt bereits Seite an Seite mit Präsident Dietrich die Werbetrommel für die geplante Ausgliederung.

Zum Glück ist das menschliche Gedächtnis – vor allem mit den Älteren unter uns – gnädig. Oder war euch dieser Durchhänger der Meistersaison noch ohne weiteres präsent? Die Punktzahl der damaligen Hinrunde kann Tim Walters Mannschaft kommenden Montag mit einem Auswärtssieg in Darmstadt erreichen und bei gleichzeitigem Punktverlust des HSV in Sandhausen sogar auf einen Aufstiegsplatz klettern. Kontrollieren wir also für einen Moment unsere Schnappatmung und versuchen das Licht am Ende des Tunnels zu erkennen.

Nach drei Jahren Geisterbahn mit den Fratzen verschlissener Verantwortungsträger an den Wänden und finsteren Abgründen, die unseren VfB fast verschlungen hätten, scheint es, als würde sich der Verein so langsam wieder berappeln. Dabei spiele ich gewiss nicht auf den Arbeitssieg gegen einen erschreckend schwachen FCN an, sondern auf die neue sportliche Führung und das zarte Pflänzchen eines besseren Miteinanders.

Bei der anstehenden außerordentlichen Mitgliederversammlung gilt es, diesen Weg zu bestätigen und die Geister der Vergangenheit abzuschütteln. Zunächst steht kommenden Sonntag in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle die Abstimmung über die Veränderung des Abstimmungsverfahrens auf der Tagesordnung. Dutzende Helfer trainieren wohl schon seit Wochen das unfallfreie Abscannen der Stimmkarten. Der WLAN-Gate wird als Gespenst noch einmal durch die Halle schweben.

Nach den Berichten der Gremien erwartet uns die allgemeine Aussprache, die weniger kontrovers und emotional ablaufen dürfte als im Juli. Dennoch begleiten einen Neuanfang immer unterschiedliche Vorstellungen über die einzuschlagende Richtung. Sollen künftig mehr als zwei Präsidentschaftskandidaten zur Wahl stehen? Darf der Vereinsbeirat auch weiterhin eine Vorauswahl treffen? Macht es Sinn, die Gründung einer Frauen- und Mädchen-Fußballabteilung von den Mitgliedern beschließen zu lassen? Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass Mitglieder versuchen, zusätzliche Anträge per Abstimmung auf die Tagesordnung zu setzen. Von einer Doppelspitze über ein Wahlrecht für Kinder bis zu einer Absage der geplanten Präsidentschaftswahl stehen kreativste Ideen im Raum.

Wir sollten allerdings nicht vergessen, dass der Hauptgrund für die Versammlung eben jene Wahl des Präsidenten und eines weiteren Präsidiumsmitglieds sowie die Besetzung eines vakanten Platzes im Vereinsbeirat ist. Die Kandidaten werden die Möglichkeit bekommen, die Mitglieder vor Ort durch eine überzeugende Rede auf ihre Seite zu ziehen. Mit besonderer Spannung werden die Auftritte von Christian Riethmüller und Claus Vogt erwartet, die nach einem kurzen, aber intensiven Wahlkampf noch einmal für ihre Ideen werben wollen. Die meisten Mitglieder dürften sich bereits im Vorfeld ein Bild gemacht haben, allerdings ist die Wahl zwischen zwei Kandidaten ein Novum in der Vereinsgeschichte und der Ausgang schwer vorherzusagen.

Wenn wir am Sonntag mit dem guten Gefühl nach Hause fahren, dass der VfB dabei ist, die Geisterbahn zu verlassen, und die Mitglieder einen wichtigen Beitrag dazu geleistet haben, könnte das vielleicht schwärzeste Jahr der Vereinsgeschichte doch noch einen versöhnlichen Abschluss finden. Mit einem Sieg am Böllenfalltor natürlich.

VfB – 1. FC Nürnberg 3:1

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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