Allgemein

Lippenbekenntnisse

Vorstandschef Wehrle und Präsident Vogt bei der Mitgliederversammlung 2023. (Foto: IMAGO/Pressefoto Rudel/Herbert Rudel)

Das Thema Vereinspolitik ist immer mehr zu einem roten Tuch für Mitglieder, Fans und Berichterstatter geworden, sicher auch für so manchen innerhalb des Klubs. Sobald von Streit in den Gremien, Abwahlanträgen oder Zirkelbezügen die Rede ist, schalten die Leute auf Durchzug. Mit Desinteresse an vereinspolitischen Themen hat das nicht unbedingt zu tun. Eher mit einer unendlichen Geschichte voller Enttäuschungen: Guerilla-Marketing, Datenskandal, falsche Versprechungen und Intrigen. Das Kapitel am kommenden Sonntag lässt keine Besserung erwarten.

Aus der Zeit gefallen

Während sich die VfB AG professionalisiert hat und die Zahl der Vereinsmitglieder rapide gewachsen ist, konnte die Entwicklung der Vereinsstrukturen nicht Schritt halten. 1,5 festangestellte Mitarbeiter beschäftigt der Verein, in der ausgegliederten Kapitalgesellschaft sind es inzwischen über 400. Der Vereinspräsident erhält eine eher symbolische finanzielle Entschädigung dafür, dass er regelmäßig von hochbezahlten Vorständen öffentlich vorgeführt wird. Aus der Vereinsmeierei von früher ist ein schlecht gescripteter Politthriller geworden.

„Sommer, Sonne, Sonnenschein, zieh ich mir furchtbar gerne rein“, rappten vor 30 Jahren die Fantastischen Vier. Das gleiche gilt wohl auch für viele VfB-Mitglieder am ersten Wochenende der Sommerferien, an dem nun die vorgezogene Mitgliederversammlung stattfinden wird. Der Grund für den ungeschickten Termin: Ein Präsidiumsmitglied ist nach einer Amtszeit voller Misstöne zurückgetreten, gegen die beiden anderen liegen Abwahlanträge vor. Als ob das nicht genug wäre, befindet sich der Aufsichtsratsvorsitz seit März in der Hand der schwarzen Mamba und im Hintergrund ziehen neue Palpatines die Fäden.

Problemfall Satzung

Die nach der Ausgliederung zusammengezimmerte Vereinssatzung ist zwar eine Art Grundgesetz des eingetragenen Vereins, enthält aber so viele Fehlkonstruktionen, dass selbst hundert Satzungskommissionen mit ihrer Reparatur überfordert wären. So stehen die Verfahren zur Wahl der Gremien schon seit Längerem in der Kritik. Am Sonntag soll daher ein neunköpfiger Wahlausschuss gewählt werden, der künftig die Nominierung der Kandidaten für die Gremien vornimmt.

Einen weiteren Konflikt kann die Satzung des e.V. gar nicht lösen, da der Aufsichtsrat der VfB AG nach dem Aktiengesetz in seinen Entscheidungen unabhängig ist. Wer Aufsichtsratsvorsitzender wird, können die Mitglieder also nicht beeinflussen, die Zusammensetzung des Aufsichtsgremiums allerdings schon. Leider steht ausgerechnet dieser Punkt nicht auf der Tagesordnung.

Der Wahlausschuss in allen Ehren, aber sollten die Mitglieder nicht auch darüber entscheiden, wer künftig über den Vorstand der AG Aufsicht führt und im Aufsichtsrat die Interessen des Vereins vertritt? Diese Einflussmöglichkeit wird immer wieder als Begründung angeführt, dass 50 plus 1 beim VfB umgesetzt werde.

Nur ein VfB?

Als Alexander Wehrle im Frühjahr 2022 sein Amt antrat, betonte er, dass es nur einen VfB gebe. Nach 28 Monaten müssen wir feststellen, dass Verein und AG in entscheidenden Punkten bis heute eher gegeneinander als miteinander arbeiten. Als Zugeständnis an einen Investor hat der AG-Vorstand in Kauf genommen, das Amt des Präsidenten zu beschädigen und ein zentrales Ausgliederungsversprechen zu brechen. Der Präsident selbst hat es zugelassen und das Vertrauen der Mitglieder nachhaltig verspielt.

Hinzu kommt, dass die verantwortlichen Vorstände im operativen Geschäft gegen ihre eigenen, im Positionspapier festgeschriebenen Werte handeln. Winamax, Jokerstar und Lucky Block lassen grüßen. Man kann den Eindruck bekommen, dass die schönen Worte nicht mehr als wertlose Lippenbekenntnisse sind. Vielleicht ist das ja der Grund, warum viele Mitglieder nichts mehr von diesem Laientheater wissen wollen.

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.