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Kampfeslust in Weiß und Rot

Angelo Stiller muss nach Essendes rücksichtslosem Foul früh ausgewechselt werden. (Foto: Volker Mueller)

Zum Muttertag ist der Himmel in Cannstatt blankgeputzt. In den Straßencafés und Biergärten warten die VfB-Fans auf das letzte Heimspiel der Saison. Dass ihre Lieblinge nach sechs Heimniederlagen hintereinander etwas gutzumachen haben, facht die Vorfreude zusätzlich an. Im erneut ausverkauften Neckarstadion will man gemeinsam einen Schlussstrich unter eine misslungene Rückrunde ziehen, ohne dabei den Höhepunkt in Berlin aus den Augen zu verlieren.

Gleichzeitig bewerben sich einige Spieler noch um einen Platz in der Startelf im Pokalfinale. Die steht zwar in weiten Teilen schon, aber im Fußball weiß man eben nie. Das muss am Sonntagabend Angelo Stiller erfahren, dessen Aufstieg seit zwei Jahren unaufhaltsam scheint. Im Sixpack lest ihr, was vor den beiden letzten Spielen der Saison wichtig ist.

1. Schreckgespenster

    Vor einigen Jahren galt der FC Augsburg in Stuttgart noch als Trainerkiller, inzwischen bringen die bayerischen Schwaben gegen ihre württembergischen Rivalen kein Bein mehr auf den Boden. Aus den letzten acht Duellen ging der Brustring sieben Mal als Sieger hervor, zuletzt sogar fünf Mal zu null.

    Trotzdem kann man nicht behaupten, dass Spiele gegen die Fuggerstädter ein Vergnügen seien. Mit großer physischer Präsenz, immer an der Grenze des Erlaubten haben die Thorup-Schützlinge ihren ganz eigenen Stil geprägt. Bisweilen schießen sie in punkto Körperlichkeit aber über das Ziel hinaus: Der kongolesische Angreifer Samuel Essende trifft Angelo Stiller auf Höhe der Mittellinie mit offener Sohle so heftig an Wade und Sprunggelenk (10.), dass der Spielgestalter früh ausgewechselt werden muss. Sein Einsatz im Pokalfinale ist fraglich.

    2. Panzerknacker

    Wie bereits Heidenheim und St. Pauli dient auch der FCA als Sparringspartner in Vorbereitung auf das Duell gegen die Arminia in Berlin. In Unterzahl igeln sich zehn Augsburger am eigenen Strafraum ein und halten die Räume eng. Der VfB versucht es mit Hereingaben von den Flügeln, direkten Kombinationen durch die Mitte und Schnittstellenpässen – oft ohne Erfolg. Bis zur Pause bleibt es beim 1:0 aus der 8. Minute durch Karazors Abstauber.

    Nick Woltemade – wer sonst? – erlöst die Gastgeber schließlich mit einem präzisen Abschluss von der Strafraumgrenze (51.). In der Schlussphase sind die Gäste mit den beiden weiteren Treffern von Millot (80.) und Demirovic (88.) gut bedient. 29:7 Torschüsse zugunsten des VfB sprechen eine klare Sprache.

    3. Bangen um Stiller

    Der Tritt gegen Angelo Stiller versetzt das Stadion in einen Schockzustand. Zunächst haben viele den Zweikampf von ihrem Platz auf der Tribüne kaum gesehen, nach Ansicht der Bewegtbilder über die Smartphones wird die Rücksichtslosigkeit des Fouls aber schnell klar. Der völlig berechtigte Platzverweis gegen Essende interessiert kaum jemanden, ein möglicher Ausfall des wichtigsten Spielers im System Hoeneß wirkt deutlich schwerer.

    Nicht zum ersten Mal wird der Mittelfeldlenker überhart angegangen. Bereits im Hinspiel in Augsburg hätte Frank Onyeka für sein Foul an Stiller die rote Karte sehen müssen. Wie durch ein Wunder konnte der Stuttgarter damals weiterspielen. Ausgerechnet vor dem Spiel des Jahres scheint es den Musterschüler des Cheftrainers jetzt schlimmer erwischt zu haben.

    4. Bewerbungen

    In den vergangenen Wochen hat Sebastian Hoeneß seine Stammelf weitgehend gefunden. Nur zwei Plätze in der Startelf sind offen: Rechts in der Viererkette batteln sich „Fußballgott“ Stenzel und Modellathlet Vagnoman, im Angriff hat der Trainer die Wahl zwischen dem spielstarken Undav und dem robusten Demirovic. Sollte sich Stiller bis in zwei Wochen nicht erholen, darf sich Millot auf einen Platz im zentralen Mittelfeld Hoffnung machen. Jaquez oder Hendricks könnte Jeltsch in der Innenverteidigung ersetzen. Nächste Woche in Leipzig ist die letzte Gelegenheit, sich zu empfehlen.

    5. Kick it like Stenzel

    Pascal Stenzel gehört zu den dienstältesten Spielern beim VfB. Schon oft hat sich der geborene Ostwestfale in der Vorbereitung in den Vordergrund gespielt und die ersten Partien einer Saison bestritten. In insgesamt 137 Spielen im Brustring stehen für den 29-Jährigen 2 Tore und 11 Vorlagen zu Buche. Seine Stärken: Übersicht, Ruhe am Ball und viel Gefühl im rechten Fuß.

    Gegen Augsburg feuert er den Ball in der 59. Minute von der Strafraumgrenze Richtung linkes Toreck – doch Finn Dahmen pariert bravourös. Er wäre einer, dem man ein Tor im Pokalendspiel besonders gönnen würde. Calle der Pokalheld – es wäre die Krönung eines Spielers, der für die Mannschaft so wertvoll ist, weil er über den Tellerrand hinausblickt.

    6. Eine Ode an Cannstatt

    Immer wenn auf dem Cannstatter Wasen ein Volksfest stattfindet, könnte man meinen, es gebe im Kurbad außer bayerischen Trachten und besinnungslosen Gemütern nichts anderes mehr. Doch die Cannstatter Kurve beschwört mit ihrer beeindruckenden Choreografie eine Bürgerschaft, welche ihre Kampfeslust in Weiß und Rot auslebt. Der Verein für Bewegungsspiele war selten so lebendig wie in diesen Tagen, in denen ein großer Pokal durch die Träume aller Dunkelroten geistert.

    Zum Weiterlesen:

    Ein Tritt mitten ins Herz des VfB – Vertikalpass

    Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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