Im Bayern-Strudel
Im Mai 2018 gelang unter Trainer Korkut der letzte Sieg in München. Die Schlüssel zur Krönung einer erfolgreichen Rückrunde damals: ein wirkungsvoller Matchplan, die Schnelligkeit eines Anastasios Donis und fehlende Schärfe seitens des FC Bayern. Damit sind wir auch schon in der Gegenwart: Dem VfB fehlen am Samstagabend taktische Klarheit und Geschwindigkeit gleichermaßen, während die Gastgeber den Sieg in der zweiten Halbzeit erzwingen wollen.
Wer seine Chance im U-Boot zu Fröttmaning nicht beim Schopfe ergreift, gerät leicht in einen gefährlichen Strudel, dem schon ganz andere Kaliber als der VfB zum Opfer gefallen sind. Harry Kane beendet jede Debatte über eine mögliche Formschwäche mit einem lupenreinen Hattrick, die Münchner Einwechselspieler zeigen dem Champions-League-Rookie wie Rotation geht. Am Ende ist die Hoeneß-Elf mit dem 4:0 sogar gut bedient.
Erst harmlos, dann chancenlos
In den ersten zehn Minuten schaffen es die Weiß-Roten, das Aufbauspiel der Bayern zu stören und hohe Ballgewinne zu erzwingen. Die dadurch entstehende Unordnung wissen Undav und Co. allerdings nicht zu nutzen. Die besseren Torchancen haben schon in dieser Phase die Gastgeber. Mit zunehmender Spieldauer verliert der VfB dann jede Kontrolle und geht nach dem Doppelschlag in der 57. und 61. Minute im Bayern-Strudel unter.
Der Trainer überrascht mit der Aufstellung von Ramon Hendriks als Mittelstädt-Ersatz. Der ehemalige Feyernoord-Verteidiger feiert sein Startelfdebüt im Brustring, kann aber nicht verhindern, dass sich auf der linken Abwehrseite wiederholt Lücken auftun. Mit Leweling ist der schnellste Offensivspieler als linker Schienenspieler hinten gebunden und kommt nicht ansatzweise so gut zur Geltung wie am Montag im Länderspiel auf einer offensiveren Position. Die VfB-Defensive verliert in der Schlussphase völlig die Übersicht und macht dem Rekordmeister das Toreschießen leicht.
Das deutliche Ergebnis täuscht allerdings darüber hinweg, dass der amtierende Vizemeister den so genannten Südschlager über weite Strecken ausgeglichen gestaltet. Das Team von Vincent Kompany kann nicht den Druck aufbauen, der schon so manchem Ligakonkurrenten zum Verhängnis wurde. Nur drei Minuten vor der Bayern-Führung haben Demirovic und Vagnoman sogar das 0:1 auf dem Schlappen. Zu diesem Zeitpunkt ahnt noch keiner, dass die Gäste in der Schlussphase auseinanderfallen würden.
Strukturelle Schwächen
Bislang lautete die Analyse des Trainers zum wechselhaften Saisonstart: Wir haben zu wenige Punkte, aber der Weg stimmt. Nach der deutlichen Niederlage in München muss man konstatieren: Die Schwächen des neuen VfB sind durchaus struktureller Natur. In der Abwehr fehlt gerade gegen starke Gegner die individuelle Klasse, um für Ordnung zu sorgen. Alex Nübel strahlt nicht mehr die Sicherheit der vergangenen Saison aus. Jeff Chabot ist zwar in puncto Einsatz und Zweikampfführung ein Vorbild, kann im Spielaufbau aber nicht die Rolle eines Anton oder Ito übernehmen. Nach dem erneuten Ausfall des fest eingeplanten Zagadou müssen Perspektivspieler wie Rouault, Hendriks und Chase mehr Verantwortung übernehmen, als dem Trainer lieb ist. Mit 15 Gegentoren aus 7 Spielen weist die Mannschaft von Sebastian Hoeneß den Wert eines Abstiegskandidaten auf.
In der Offensive harmonieren die Neuzugänge Demirovic und Touré noch nicht mit ihren Mannschaftskameraden. Gegen Wolfsburg, Prag und Hoffenheim rannte man sich in einem kompakten Abwehrriegel fest, in München kann niemand die zahlreichen langen Bälle festmachen. Der Abgang von Guirassy macht sich an allen Ecken und Enden bemerkbar. Ohne seinen früheren Sturmpartner ist auch Deniz Undav leichter zu kontrollieren. Der Doppeltorschütze vom Länderspiel gegen Bosnien reibt sich häufig in aussichtslosen Zweikämpfen auf. Außerdem vermissen die Fans die Flankenläufe eines Chris Führich, der weit von seiner Bestform entfernt ist. Die Neuzugänge können diese Lücken nicht schließen, weil sie völlig andere Profile aufweisen. Der Trainer muss also einen neuen Plan entwerfen, wie seine Mannschaft offensiv gefährlich werden kann – im Spielrhythmus der englischen Wochen kein leichtes Unterfangen.
In der Liga zählt´s
Die Niederlage gegen den Klassenprimus von der Isar darf niemanden überraschen, trotzdem wird es Zeit, dass der VfB in der Liga seinen Rhythmus findet. Die Punktverluste gegen Mainz und Hoffenheim schmerzen umso mehr, wenn man auf das Programm der kommenden Wochen blickt. Das Heimspiel gegen Kiel muss fast schon gewonnen werden, wenn man den Anschluss an das vordere Tabellendrittel nicht früh verlieren will. Danach warten nämlich Double-Sieger Leverkusen und die formstarke Eintracht aus Frankfurt. Bis dahin sollte sich Sebastian Hoeneß mit seinem Trainerteam überlegt haben, wie er die Abwehr stabilisieren und das Puzzle im Offensivspiel zu einem stimmigen Bild zusammensetzen will.
FC Bayern München – VfB Stuttgart 4:0
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reybucanero74
Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson