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Gig der Garagenrocker

Feurige Seitenlinienläufe sind uns von Markus Weinzierl nicht im Gedächtnis geblieben – verlorene Auftaktspiele dagegen schon. Nach zwei Jahren kehrte der Grantler aus Straubing in löchrigen Röhrenjeans ausgerechnet an seinen vorherigen Arbeitsplatz im Fußballzirkus zurück. Das Neckarstadion wird wahrscheinlich nicht mehr zu seiner Lieblingsarena, auch wenn er und seine Mannschaft am Freitagabend in Stuttgart einen soliden Gig ablieferten. Leidenschaftliche Riffs, nicht jeder Ton sitzt – passend zum Outfit spielte seine Mannschaft engagierten Garagenrock.

Bild: Getty / Imago / Avanti

Auf Reserve

Beim VfB wird zu dieser späten Saisonphase nicht mehr gerockt. Das „energetische Level“ lässt keine großen Sprünge mehr zu. So verstehe ich zumindest Trainer Matarazzo, der die Youngster Klimovicz und Coulibaly auf die Bank setzte, weil Einsätze für die Entwicklung eben manchmal auch kontraproduktiv sind. Die Leistung des jungen Franzosen nach seiner Einwechslung für den verletzten Massimo lässt erahnen, was er damit meint. Geradezu tragisch, dass Coulibaly Mitte der zweiten Halbzeit mit Verdacht auf eine Innenbandverletzung im Knie wieder runter musste.

Mit blinkender Tankanzeige rollt die Mannschaft Richtung Ziellinie und zeigt vor allem, dass sie im Vergleich zu letzter Saison viel dazugelernt hat. Mannschaftliche Geschlossenheit und Automatismen ergeben sich aus fleißiger Arbeit. Beharrlich, aber immer durchdacht ist Matarazzo mit seinem Team diesen Weg gegangen. Hut ab vor ihrer Leistung. Glückwunsch zum ungefährdeten Klassenerhalt im Haifischbecken Bundesliga.

Das Glück des Tüchtigen

Mit Blick auf die Spieldaten fällt es schwer, den Sieg gegen kämpferische Augsburger zu erklären. Doch für mehr Eckbälle und Torschüsse gibt es keine Punkte. Schon gar nicht, wenn du so verteidigst, wie beim Siegtreffer von Sasa Kalajdzic. Unsere Torgiraffe musste von zwei gegnerischen Verteidigern flankiert nicht einmal hochspringen, um den Ball aus Nahdistanz ins Tor zu köpfen. Dass der Torschütze von Krämpfen geplagt bis zum Abpfiff auf die Zähne biss, steht sinnbildlich für den Zustand der Mannschaft auf der Zielgeraden der Saison. Auch wenn vieles nicht mehr gelingt, den Siegeswillen und den Zusammenhalt haben sich die Jungs aus Cannstatt erhalten.

Zum Spieler des Spiels avancierte dabei wieder einmal der Torwart. Nein, nicht King Kobel, der Antreiber mit der Whiskey-Stimme, diesmal war es sein Vertreter Fabian Bredlow, der viele schöne Paraden zeigte. Dass ein Gegner, der nicht gerade für seine offensive Wucht bekannt ist, zu so vielen Abschlüssen kommt, stellt der Stuttgarter Hintermannschaft nicht das beste Zeugnis aus. Interpretieren wir es als Glück des Tüchtigen, dass die Slapstick-Nummern am Ende nicht bestraft wurden. Ein Schuss Unvermögen auf Seiten der bayerischen Schwaben war zweifellos auch dabei.

Neues aus dem Reallabor

Seit einigen Spielen darf sich beim VfB die zweite Garde präsentieren. Manche sprechen vom Reallabor Bundesliga, das inzwischen die ersten Forschungsergebnisse ausspuckt. Beginnen wir mit dem Zauberfuß Daniel Didavi. Gegen Dortmund hat er bewiesen, welche Impulse er dem Spiel noch geben kann. Aber würdet ihr eine große Expedition mit einem Motor wagen, der höchstens noch eine halbe Stunde auf Hochtouren läuft? Gestern wollte die Maschine bei dem Nürtinger partout nicht anspringen. Nicht die erste diskrete Leistung des 31-Jährigen.

Auch Philipp Klement hat ein feines Füßchen. Bei seinen gut getimten Außenristpässen würde ich mir am liebsten einen Ball schnappen und sie auf dem Bolzplatz direkt nachspielen. Allerdings fehlen dem Mittelfeldspieler Zweikampfhärte und Präsenz. Schwer vorstellbar, dass er in seiner dritten Saison voll einschlägt. Ich mag seine bescheidene Art und würde ihm den wohlmeinenden Rat geben, in Bochum oder Kiel einen neuen Anlauf zu wagen.

Natural Born Wingbacks

Im System Matarazzo kommt den Wingbacks eine wichtige Rolle zu. Sie sichern hinten ab und tauchen Sekunden später im Vollsprint am gegenerischen Strafraum auf. Borna Sosa ist für diese Rolle geboren. Silas hat sich das Verteidigen im Laufe der Zeit angeeignet. Alle weiteren Kandidaten für diese Position konnten bislang nicht wirklich überzeugen.

Massimo hat zwar die Anlagen, spielt aber noch zu inkonstant. Gestern machte er in der Anfangsphase einen guten Eindruck, bevor er mit einer Muskelverletzung ausgewechselt werden musste. Churlinov würde ich gerne einmal von Beginn an sehen. So sehr mir seine Art zu spielen gefällt, zweifle ich doch daran, dass er sich taktisch und spielerisch schon auf Bundesliganiveau befindet. Coulibalys Formkurve zeigt seit einigen Wochen bedenklich nach unten. Seine verwirrenden Laufwege mögen in vorderster Front Chaos beim Gegner stiften, aber als Flügelverteidiger kannst du dir solche Sperenzchen nicht erlauben. Trotz einiger guter Auftritte in dieser Saison sind seine Defizite unverkennbar.

Auf Sven Mislintat und sein Team kommt in der Sommerpause die schwierige Aufgabe zu, das VfB-Ensemble so zu optimieren, dass auch die nächste Saison möglichst sorgenfrei verläuft. Neben Castro deuten sich weitere sensible Abgänge an, die alleine mit Nachwuchsspielern nicht zu kompensieren sein werden. Allerdings lag ich mit einer ähnlichen Einschätzung bereits im letzten Sommer daneben.

Markus Weinzierl und seine Garagenrocker müssen ihrerseits darum bangen, ob sie in der nächsten Spielzeit wieder im Neckarstadion auftreten dürfen oder kleinere Bühnen bespielen müssen. Ich meine mich zu erinnern, dass Sandhausen weit oben auf seiner Wunschliste steht.

VfB – FC Augsburg 2:1

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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