Eingelullt
Vor dem Rückrundenauftakt in Fürth äußert sich der Noch-Vorstandsvorsitzende zur Lage beim VfB. Die öffentlichen Diskussionen über die zukünftige Besetzung des Vorstands will er dabei nicht kommentieren. Die volle Konzentration gelte dem Erreichen des Saisonziels. „Wir starten auf Platz 16. Das macht etwas mit den Spielern und allen Beteiligten“, gibt Hitzlsperger zu.
Einen Grund, an dem eingeschlagenen Weg zu zweifeln, sieht er aber nicht: „Das Entscheidende ist, dass wir alle im Verein Vertrauen in die Mannschaft und die sportliche Führung haben. Es braucht keine Korrekturen“. Die erste Möglichkeit, Hitzlspergers These zu untermauern, hatten Matarazzo und seine Mannschaft am Samstag beim abgeschlagenen Schlusslicht aus Fürth.
Eine Frage der Energie
Der Gegner hat bisher aus 17 Spielen gerade einmal 5 Punkte geholt und 13 Tore erzielt. In der Bundesligageschichte stand nur Tasmania Berlin nach der Hinrunde 1965/66 schlechter da. Im Vorfeld waren sich also alle Beobachter einig, dass ein Sieg Pflicht sei – auch angesichts des schweren Programms in den kommenden Wochen. Der Trainer sah die Mannschaft „auf einem guten Energielevel“.
Nach dem Spiel hallen uns diese Einschätzungen in den Ohren. Welche Energie? Bei manchen Spielern spüren wir pure Verunsicherung. So kann Roberto Massimo auf seiner rechten Seite gerade einmal ein Viertel seiner Zweikämpfe gewinnen – gegen einen Rookie namens Luca Itter. Hat er ein Dribbling gewagt? Ich kann mich nicht erinnern.
Was Förster und Führich auf der so genannten „Zehn“ veranstalten, ist eine Beleidigung für jeden Spielmacher alter Schule. Inspiration, Kreativität und Torgefahr gehen jedenfalls nicht von ihnen aus. Dabei ist es sinnlos, sich auf einzelne Akteure einzuschießen. Insgesamt bewegt sich die Partie nämlich höchstens auf mittlerem Zweitliganiveau.
Uns war klar, dass es in dieser Saison nur gegen den Abstieg gehen würde. Wir wissen auch, dass Abstiegskampf selten schön aussieht. Aber die Mut- und Harmlosigkeit, mit der die „Jungen Wilden 2.0“ gegen einen äußerst limitierten Gegner zu Werke gehen, ist schon erschreckend. Jung und was? Eine überfütterte Hauskatze ist ein Tiger dagegen.
Verletztenmisere oder fehlende Qualität?
Nicht zu Unrecht beschäftigt sich jeder Rückblick auf die Hinrunde mit den Verletzungsproblemen, die den VfB schwächten. Doch diese Argumentation verliert an Kraft, wenn man die aktuellen Corona-Ausfälle ligaweit betrachtet und sieht, dass Mohamed Sankoh inzwischen einsam seine Übungen in der Reha-Welt absolviert.
Gemeinsam mit Ata Karazor (Prellung am Mittelfuß) ist der 18-jährige Niederländer momentan der einzige Spieler aus dem 34er-Kader, der verletzungsbedingt fehlt. Natürlich hätte der Trainer zum Rückrundenstart gerne Marmoush (Afrika-Cup), Silas (Quarantäne) und Mavropanos (Trainingsrückstand) eingesetzt, aber wer kann in diesen Zeiten schon aus dem Vollen schöpfen?
In Fürth sitzen mit Beyaz, Tibidi, Egloff, Millot, Nartey und Mola stattdessen sechs Nachwuchskräfte auf der Bank, von denen bisher keiner richtig in der Bundesliga angekommen ist. Zusammen mit den Corona infizierten Klimovicz, Faghir und Ahamada würden sie sicher eine schlafkräftige Truppe für eine Nachwuchsrunde bilden. Ob sie im Abstiegskampf ein echter Faktor sein können, muss man bezweifeln. Im Kader fehlt es vor allem hinter den Spitzen an Qualität, aber auch im Sturmzentrum und auf den Außen fällt die zweite Reihe deutlich ab.
Mutmacher
Nach 20-wöchiger Verletzungspause gibt Sasa Kalajdzic auf dem Ronhof sein Comeback. Mit 6 Torschüssen, 12 gewonnenen Zweikämpfen und einer Passquote von über 82 % ist der lange Österreicher sofort wieder der lange vermisste Zielspieler und strahlt mit Abstand die meiste Torgefahr aus.
Auch Borna Sosa, der über seine linke Seite immer wieder nach vorne stößt, und Waldemar Anton, der als Abwehrchef sehr präsent wirkt, zeigen, dass man mit ihnen rechnen kann. U19-Talent Tibidi weiß nach seiner Einwechslung mit ein paar erfrischenden Aktionen zu gefallen und empfiehlt sich für weitere Einsätze.
Vor den schweren Spielen gegen Leipzig, Freiburg, Frankfurt und Leverkusen darf der VfB jetzt nicht den Kopf verlieren. Jeder Punktgewinn aus diesen Duellen wäre im Abstiegskampf wertvoll. Andererseits hilft es nicht weiter, sich mit Schönfärberei selbst einzulullen. Den Kurs bei Bedarf zu korrigieren, ist nämlich weder ein Eingeständnis des eigenen Scheiterns noch ein Zeichen von Schwäche.
SpVgg Greuther Fürth – VfB 0:0
Zum Weiterlesen:
In Sasa we trust – Rund um den Brustring findet, dass Sasa Kalajdzics 90-Minuten-Comeback mehr über das Spiel des VfB aussagt als über dessen Fitnesszustand.
reybucanero74
Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson