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Drei Engel für Bruno

Heimspiel gegen Köln – da war doch was! Neun Monate und vier Tage nach der Gefühlsexplosion am letzten Spieltag der Vorsaison trifft der VfB wieder auf den Traditionsklub vom Rhein. Und wieder hat das Spiel das Zeug dazu, richtungsweisende Entwicklungen anzustoßen.

Bei frühlingshaften Temperaturen sind es am Samstagnachmittag aber nicht Marmoush, Ito und Endo, die das Stadion zum Kochen bringen, sondern eine fantastische Kombination namens Borna Coulidias.

Die drei Torschützen zum verdienten 3:0-Sieg. (Fotos: Baumann, Adam Pretty/Getty, IMAGO/Sportfoto Rudel)

Eine Abwehr aus Granit!

So wie einst Real Madrid! Und so zogen wir in die Bundesliga ein und wir werden wieder Deutscher Meister sein! Es ist lange her, dass der alte Schlachtruf durchs Neckarstadion schallte. Es ist pure Erleichterung und gleichzeitig eine große Bestätigung für das Trainerteam. Sie haben dieses Mal ausnahmslos die richtigen Entscheidungen getroffen.

Eine stabile Defensive beginnt mit dem Keeper. Fabian Bredlow liefert wie vergangene Woche eine solide Leistung ab. Vor allem aber strahlt er Sicherheit auf seine Vorderleute aus. Kaum einer wird daran gedacht haben, dass die Stuttgarter Nummer 33 bei seinen 20 Pflichtspieleinsätzen nicht immer fehlerlos aufgetreten ist. Labbadias Torwart-Manöver ist zunächst einmal geglückt.

Auch bei der Besetzung der Abwehrkette trifft der Trainer die richtige Entscheidung, indem er den Unglücksraben von Freiburg auf die Bank setzt. Nachdem Hiroki Ito in der Hinrunde 21/22 bereits den Haudegen Marc Oliver Kempf verdrängt hat, bedeutet der Vorzug vor Dan Axel Zagadou einen weiteren Ritterschlag für den 23-jährigen Jung-Nationalspieler. Er dankt es dem Trainer mit einer erwachsenen Leistung. Erstaunlich, wie schnell ein japanischer Zweitligaspieler stabiles Bundesliganiveau erreichen kann.

Dass auch Dinos Mavropanos in die Startelf gehört, daran lässt der Grieche keinen Zweifel. Fragt doch mal bei Steffen Tigges nach. Oder schaut euch die Pirouette an der rechten Seitenlinie kurz vor Schluss noch einmal an. Auf dem Flügel liefert sich Waldemar Anton verbissene Duelle mit dem häufig aufrückenden FC-Kapitän Jonas Hector. Diese Hartnäckigkeit ist wohl einer der Gründe, warum der Trainer ihn einem spielstärkeren Rechtsverteidiger vorzieht.

Borna Sosa zirkelt den Ball zum vorentscheidenden 2:0 unter die Latte. (Foto: IMAGO/Pressefoto Baumann)

Und dann wäre da noch der dienstälteste Spieler im VfB-Kader: Sunnyboy Borna Sosa beweist erneut, dass er wenig Zeit braucht, um in Form zu kommen. Der verletzungsanfällige Kroate zeigt seinem Trainer mit einer beherzten Grätsche in höchster Not, dass er nicht umsonst als Verteidiger firmiert. Sein Freistoß in der 59. Minute passt dann genau unter das Dach des Tores in der Cannstatter Kurve. Der vierte Treffer für den kroatischen Nationalspieler in seinem 99. Einsatz im Brustring. Prädikat: besonders wertvoll.

Über den Kampf zum Spiel

Die Gäste aus Köln – vor allem ihr Coach mit der putzigen Mütze – gehen nach Abpfiff ziemlich angefressen vom Platz. Der VfB verteilt diesmal nämlich keine Geschenke und hält nach 31 Spielen zu Hause endlich wieder die Null. Wenn man nicht gerade lauter Zaubermäuse hat, dann muss man sich die Punkte in der Bundesliga hart erarbeiten. Dazu gehören auch Trashtalk und eine rustikale Zweikampfführung: Mit vereinten Kräften verhindern die Mitspieler, dass die Duelle Silas – Chabot, Mavropanos – Chabot und Millot – Skhiri in die zweite Runde gehen. Und man braucht ein Publikum, das jeden gewonnenen Zweikampf und jede Balleroberung frenetisch feiert. Vor allem aber muss die Körpersprache stimmen. So entschlossen wie am Samstag habe ich die Mannschaft mit dem Brustring schon lange nicht mehr gesehen.

Der VfB erfüllt die alte Plattitüde mit Leben: über den Kampf zum Spiel finden. Über die gesamte Spielzeit laufen die Weiß-Roten ihre Gegenspieler aggressiv an und siehe da – die resultierenden Ballgewinne sorgen immer wieder für Gefahr vor dem Tor von Martin Schwäbe. Endlich sehen die nicht gerade erfolgsverwöhnten Zuschauer in Stuttgart mal wieder so etwas wie richtigen Fußball.

Sehenswert die Kombination von Haraguchi und Dias vor dem 1:0, dynamisch die Vorstöße von Sosa und Führich über links, traumhaft der öffnende Pass von Wataru Endo auf den Torschützen Coulibaly. Dass der fast schon abgeschriebene Franzose ein Tor erzielt, darf der gesamten zweiten Reihe Mut machen. Wer sich im Training zeigt und nicht aufsteckt, bekommt von Labbadia seine Chance.

Wehrles Kommunikationsoffensive

Im Dezember hatte AG-Chef Wehrle eine kommunikative Mammutaufgabe zu stemmen: Er musste der Öffentlichkeit erklären, dass die sportliche Situation so prekär sei, dass nur noch Labbadia helfen könne. Seither laufen die Dinge nicht gerade in seinem Sinne. Die öffentlichen Aussagen kommen als Bumerang zurück. Vergangene Woche stellt sich Alexander Wehrle dann ausführlich der Kritik. Seine Botschaft: Es sei noch zu früh, um über die strategischen Entscheidungen zu urteilen. Von Bruno Labbadia ist er nach wie vor voll überzeugt.  

Wenn der studierte Verwaltungsfachwirt im Podcast Bruddelei über Eigenkapitalerhöhung und strategische Partnerschaften spricht, wird deutlich, dass er einen vernünftig klingenden mittelfristigen Plan verfolgt. Anders sieht es bei der sportlichen Entwicklung aus. Da verlässt sich der 48-jährige Bietigheimer auf die Expertise seiner neuen Berater. Per Videocall tausche er sich unter anderem mit dem „Team Lahm“ über strategische Fragen der Nachwuchsförderung und Kaderplanung aus. Dass deren Empfehlungen erheblich von der zuvor verfolgten Strategie abweichen, versucht er kleinzureden. Doch auch ihm dürfte klar sein: Sollte die Personalie Labbadia nicht den gewünschten Erfolg bringen, gerät schnell das Gesamtkonstrukt ins Wanken.   

Erst der Anfang

Der überzeugende Heimsieg gegen Wehrles Ex-Klub, bei dem der Labbadia-Fußball endlich Wirkung zeigt und die Neuverpflichtungen Haraguchi und Dias die wichtige 1:0-Führung besorgen, verschafft dem VfB erst einmal ein wenig Luft im Abstiegskampf. Um die Fans davon zu überzeugen, dass die neue sportliche Führung mehr kann, als einen Brand zu löschen, werden aber weitere Auftritte wie am Samstag notwendig sein.

Mindestens fünf Siege braucht der VfB noch, um sein Saisonziel zu erreichen. Am besten machen Kapitän Endo und seine Crew gleich nächste Woche auf Schalke damit weiter.

VfB Stuttgart – 1. FC Köln 3:0

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Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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