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Auf Platz drei in die Ferien

Der VfB sendet Weihnachtsgrüße ganiert mit einem 3:0-Sieg. (Foto: IMAGO/kolbert-press/Christian Kolbert)

Wisst ihr noch, als Niederlechner Zagadou düpierte und in der vierten Minute zum 0:1 für die Gäste aus Augsburg traf? 14 Monate ist das her, aber es kommt einem vor wie ein halbes Jahrzehnt. 8 Punkte hatte der VfB damals auf dem Konto und drei Wochen vorher Trainer Matarazzo entlassen.

Der Jahresabschluss 2023 findet in völlig anderer Atmosphäre statt. Im weihnachtlich erleuchteten Stadion applaudieren 54 000 Zuschauer mit vor Ergriffenheit glänzenden Augen. Der VfB geht mit einem überzeugenden 3:0-Sieg gegen den früheren Angstgegner in die Winterpause. Mit einem guten Zeugnis in der Hand lassen sich die Ferientage bekanntlich noch mehr genießen. Oder frei nach Alice Cooper: School’s out for winter, school’s out forever, school’s out with fever.

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Nach dem Dämpfer in München stellt Trainer Hoeneß die Startelf auf zwei Positionen um: Der spielstarke Stenzel verteidigt hinten rechts für Vagnoman, und Leweling interpretiert die rechte Mittelfeldposition dynamischer als Millot. Auf seinen Doppelsturm möchte der Trainer dagegen nicht verzichten, was im Rückblick eine gute Entscheidung ist.  Guirassy und Undav wechseln häufig die Positionen und sind für die Gästeabwehr nie zu kontrollieren.

Schon früh im Spiel strahlt der VfB die Dominanz aus, die er sich in den letzten Monaten erarbeitet hat: konstruktives Aufbauspiel über die beiden eng stehenden Sechser, regelmäßige Balleroberungen im Gegenpressing und immer wieder gefährliche Zuspiele auf die beiden Angreifer. Die Schützlinge von Jess Thorup kommen im Neckarstadion auf keinen grünen Zweig. Das ist insofern bemerkenswert, als uns die bayerischen Schwaben in der Vergangenheit mit ihrer unangenehmen Spielweise größte Probleme bereitet haben.

Mit 17 bzw. 9 erzielten Toren ist das VfB-Sturmduo das zweitgefährlichste der Liga, trotzdem bleibt die Chancenverwertung ein Makel der vergangenen Wochen. Guirassy vergibt Einschussmöglichkeiten, die er zu Beginn der Runde noch im Schlaf verwandelt hätte, Undav entscheidet sich einige Male erfolglos gegen den Torabschluss und für das uneigennützige Abspiel. Die Augsburger hätten sich über ein noch deutlicheres Ergebnis nicht beschweren dürfen.

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Beim Spitzenspiel am Sonntag gelang ihm kaum etwas, am Mittwoch zeigt er sich von seiner besten Seite: Deniz Undav. Eine spektakuläre Direktabnahme zum 1:0, eine Kopfballvorlage für seinen Sturmpartner zum 2:0, dazu sehr umtriebig und mit guter Übersicht. Erstaunlich, wie sich die Brighton-Leihe innerhalb einer Halbserie zum Publikumsliebling aufgeschwungen hat.

Auch Angelo Stiller kann sich gegenüber dem Bayern-Spiel deutlich steigern. Tuchel hat schon gewusst, warum er den Mann mit der Nummer 6 besonders eng decken ließ. Seine Passsicherheit, seine Fähigkeit, das Spiel zu lesen, sein Traumpass auf Führich zum 3:0 – Stiller ist rundum ein würdiger Legendo-Ersatz.

Etwas überraschend mag für manchen die Startelf-Nominierung von Jamie Leweling gekommen sein. Der Trainer weiß seinen Speed und seine Robustheit im Zweikampf zu schätzen. Zu einem vollwertigen Bundesligastürmer fehlt ihm eigentlich nur die Qualität im Abschluss. Irgendjemand wird ihm gesagt haben: Baller doch einfach mal Vollspann drauf, statt immer mit der Innenseite zu schieben. In der 34. Minute folgt er dem Rat und knallt Gästetorwart Dahmen den Ball aus 12 Metern ins Gesicht. Nächstes Mal ist er drin, Jamie.

Nach Stiller-Traumpass macht Führich den Deckel drauf. (Foto: AFP via Getty Images)

Was nun?

In diese Hinserie kann man sich als VfB-Fan eigentlich direkt reinlegen. 11 Siege (mehr als jemals zuvor) entschädigen die leidgeprüften Anhänger für viele Jahre Pleiten, Pech und Pannen. Die beiden Heimsiege gegen Dortmund, die sensationelle erste Hälfte gegen Leverkusen, aber auch ungefährdete Pflichtsiege gegen Bremen und Augsburg belegen den Entwicklungssprung, den die Mannschaft unter Sebastian Hoeneß gemacht hat. Man gewinnt solche Spiele einfach, weil man besser ist. Das gab es lange nicht.

Der Trainer hat jetzt die anspruchsvolle Aufgabe, das Team zu erden, weiter zu stabilisieren und Nachwuchsspieler einzubauen. 34 Punkte bedeuten praktisch schon den Klassenerhalt, allerdings müssen seine Spieler die Rückrunde als neue Herausforderung sehen. 20 bis 25 Punkte sollten es auch da sein, gerne mit begeisterndem Fußball und voller Hingabe. Stillstand bedeutet Rückschritt. Wer sollte das besser wissen als ein Spross aus der Hoeneß-Familie?

Was der Fußballlehrer auch weiß: Gefeiert wird erst, wenn man etwas erreicht hat. Auf dem dritten Platz in die Weihnachtsferien zu gehen, ist toll. Abgerechnet wird aber am Ende des Schuljahrs – also im Mai. Wenn das Trainerteam, die Mannschaft und der Staff weiter so akribisch arbeiten, dürfen wir uns auf Sebastian Hoeneß auf dem Zaun der Cannstatter Kurve freuen. Dann werden aber keine Weihnachtslieder angestimmt sondern ein zünftiges: Stuttgart international – Europapokal.

VfB Stuttgart – FC Augsburg 3:0

Zum Weiterlesen:

Ganz große Kunst! – Vertikalpass

VertikalGIF #VfBFCA: Das Weihnachtswunder von Cannstatt – Vertikalpass

VfB Stuttgart: Superglückliche Schwaben nach 3:0 gegen Augsburg – Sport – SZ.de (sueddeutsche.de)

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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