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Meltdown in Belgrad

Joker Nemanja Radonjic trifft zum zweiten Mal. Der VfB ist bedient. (Foto: KEYSTONE/EPA/ANDREJ CUKIC)

Aus dem jüngsten Pflichtsieg gegen den VfL Bochum haben wir die Erkenntnis gezogen, dass defensive Stabilität in diesen kraftraubenden Wochen die Grundlage für den Erfolg ist. Bis zu Mannschaft und Trainerteam hat sich das offensichtlich nicht herumgesprochen.

Am fünften Spieltag der reformierten Champions-League kassiert der VfB jedenfalls fünf Treffer gegen eine engagierte, aber sicher nicht übermächtige Elf von Roter Stern. Die Gäste-Abwehr gleicht dabei eher einem Hühnerhaufen als einer Mauer aus Granit. Das Wichtigste zum Meltdown in der serbischen Hauptstadt lest ihr im kompakten Sixpack.

  1. Kein Mumm: Vor knapp drei Wochen drehte die Hoeneß-Elf das Spiel gegen die Eintracht um ein Haar – nach 0:3-Rückstand. Das dürfen wir nicht vergessen, wenn wir über den schlappen Auftritt von Mittwoch urteilen. Selbst diejenigen, die sonst verlässliche Säulen sind, verlieren in Belgrad komplett die Kontrolle. Für Sebastian Hoeneß geht nichts über mannschaftliche Geschlossenheit und Spielkontrolle – auch der Trainer dürfte also völlig bedient sein.
  2. Warum so offen? Zu Beginn der zweiten Hälfte liegen die Schwaben nur 1:2 zurück und haben alle Chancen, ihre Schludrigkeiten zu korrigieren. Die Naivität, mit der das Team dann ins offene serbische Messer rennt, ist bemerkenswert. Hat denn keiner auf der Trainerbank gesehen, dass es so nichts wird? Weder das defensive Mittelfeld noch die Innenverteidigung besitzen die Schnelligkeit, um die Konter der euphorisierten Gastgeber zu bremsen.
  3. Substanzverlust: Dass mit Malanga (18) und Boakye (19) zwei Offensive reinkommen, die auf diesem Niveau noch über keinerlei Erfahrung verfügen, sagt viel über die Reserven des Kaders aus. Zum Zeitpunkt der Einwechslung sind die Weiß-Roten allerdings schon so weit vom Weg abgekommen, dass nichts mehr zu retten ist. Nicht zuletzt fehlt die Kraft, um sich noch einmal aufzubäumen. Spieler wie Karazor, Stiller und Mittelstädt haben in dieser Saison schon um die 1500 Spielminuten in den Beinen.
  4. Ungewohnte Schwächen: Einige Defizite der Mannschaft sind schon seit Längerem bekannt: Einfallslosigkeit gegen tiefstehende Gegner, schlechte Strafraumbesetzung, fehlende Durchschlagskraft. Die haarsträubenden Löcher nach Ballverlusten sind jedoch neu. Dass Karazor das Spiel auf dem Platz beenden darf, ist schwer nachvollziehbar. Auch Millot zeigt, was ihm noch zu einem wirklich großen Mittelfeldspieler fehlt. Sorglos nach vorne, lustlos gegen den Ball liefert der Franzose wohl sein schlechtestes Saisonspiel ab.
  5. Knackpunkt Torverhältnis: Als VfB Stuttgart darf man bei Roter Stern Belgrad nicht verlieren. Wer so etwas sagt, muss entweder sehr jung oder ziemlich ahnungslos sein. Immerhin gewann der serbische Serienmeister 1990/91 den Landesmeister-Cup und qualifizierte sich in den letzten sechs Jahren vier Mal für die Champions-League. Spieler wie Spahic, Krunic und Radonjic sind international erfahrene Nationalspieler und kein Fallobst. Allerdings: Wenn im Stadion Rajko Mitić alles wackelt, dann schau wenigstens, dass du dir nicht komplett dein Torverhältnis ruinierst. Bei der Qualifikation zur Zwischenrunde könnte das nämlich zum Zünglein an der Waage werden. Die strategische Dummheit, in der zweiten Halbzeit drei weitere Tore gegen einen fußballerisch unterlegenen Gegner zu fressen, wiegt schwerer als die Niederlage an sich.
  6. Die Handschrift des Trainers: Genauso wie sich Hoeneß nach der Vizemeisterschaft zurecht als Kopf des Stuttgarter Kreisels feiern lassen durfte, muss er sich jetzt den Vorwurf gefallen lassen, die Mannschaft nicht ausreichend auf die Aufgabe in Belgrad vorbereitet zu haben. So viele taktische Unzulänglichkeiten wie in diesem Spiel hat man vom VfB länger nicht gesehen.

Für das Auswärtsspiel am Osterdeich muss das Trainerteam in die Mannschaft hineinhorchen, wer für diese Aufgabe bereit ist. In der Verfassung von Mittwoch ist auch an der Weser nichts zu holen.

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Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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