Allgemein

Systemcrash im abgesicherten Modus

Als die VfB-Führung Anfang Dezember die strategische Kehrtwende bekanntgab, lief am Ende alles auf das eine Argument hinaus: Labbadia habe so viel Erfahrung, er wisse schon, was die Mannschaft braucht, um ihr Saisonziel zu erreichen. Nach fünf Spielen unter dem neuen Cheftrainer stehen nur zwei mickrige Pünktchen aus den Spielen gegen Mainz, Hoffenheim, Leipzig und Bremen auf der Habenseite. Der Auftritt gegen Werder Bremen ist dermaßen unfertig, als habe sich die Baustelle von der Haupttribüne einfach auf den Rasen verlängert. 

Doktor Labbadias Therapie

Ein akribischer Arbeiter ist der neue Chef auf der VfB-Bank. Einer, der seine Aufgabe mit viel Leidenschaft angeht und dabei auf bewährte Tugenden setzt. Gleich nach Amtsantritt verordnet er seiner Truppe Lauftraining. An den einfachen Dingen will er arbeiten, die Mannschaft stabilisieren. Wortreich rühmt er auf Pressekonferenzen seine eigene Erfahrung und erklärt, was die Spieler jetzt vermeintlich bräuchten. Das Problem bei Doktor Labbadias Therapie: Der Patient zeigt seit Wochen keine Besserung.

Höchstens ansatzweise ahnt man, was dem neuen Übungsleiter vorschwebt. Zum Beispiel in der Anfangsviertelstunde an diesem tristen Februarsonntag in Bad Cannstatt. Da kommt Guirassy aus ungefähr 20 Metern zum Abschluss, trifft den Ball aber nicht richtig. Wenig später profitiert Führich vom schlampigen Bremer Spielaufbau, scheitert aber wie so oft am unpräzisen Abschluss. Spätestens als die Stuttgarter Nummer 9 in der 25. Minute mit Beschwerden in der Leistengegend das Feld verlässt, ist der Mannschaft im Brustring der Stecker gezogen.

Das darf nicht wahr sein! Guirassy muss verletzt ausgewechselt werden. (Foto: Getty Images)

Der Aufbau soll über die Außenpositionen erfolgen, aber Anton und Nartey sind mit dieser Aufgabe hoffnungslos überfordert. Und selbst wenn die erste Pressinglinie des Gegners einmal überspielt ist, haben die Weiß-Roten keine Idee, wie sie Gefahr vor dem Tor von Jiri Pavlenka erzeugen können. Die Zuschauer stellen sich die Frage, welche offensiven Abläufe im Trainingslager einstudiert wurden. Perea, Pfeiffer und der erst kürzlich verpflichtete Dias wirken gleichermaßen wie Fremdkörper in einer ratlosen Mannschaft.

Fehlersuche

Nach einem so schwachen Auftritt suchen Beobachter und Fans natürlich nach Gründen. Warum ist die Mannschaft offensiv so harmlos und defensiv so fehleranfällig? Eine mögliche Antwort lautet: Die Qualität im Kader reicht schlicht nicht aus. Haben es Sportvorstand Wehrle und Sportdirektor Mislintat im Sommer versäumt, die richtigen Lehren aus der vergangenen Saison zu ziehen? Stehen einfach zu viele Spieler im Kader, die kein Bundesliganiveau erreichen? Der Auftritt der gesamten Offensivabteilung sowie die Nichtnominierung von Millot, Coulibaly und Beyaz stützen diese These.

Man könnte die Fehlersuche natürlich auch auf der Trainerbank beginnen. Warum spielt Anton erneut Rechtsverteidiger, obwohl er seine Seite mit dem Esprit einer Baumaschine bearbeitet? Warum tritt Ito immer noch die Ecken, wenn diese doch unter der Woche krachend durch die Qualitätskontrolle gefallen sind? Warum sichert Nartey bei eigenen Standards ab, wenn er die Souveränität eines aufgescheuchten Eichhörnchens ausstrahlt? Solche Dinge muss ein Trainer sehen – zumal ein so erfahrener wie Bruno Labbadia.

Schnurstracks in die Sackgasse

Natürlich könnte man auch einen Blick auf die Kommandobrücke werfen. Von dort aus hieß es Anfang Dezember, der sportliche Erfolg stehe über allem. Nach der Demission der ehemals sportlich Verantwortlichen wollte Alexander Wehrle den Rechner quasi im abgesicherten Modus hochfahren. Labbadia, Trares und Kern. Konservativer geht nicht. Seine Berater stießen wohl ins gleiche Horn – und jetzt haben wir den Salat. Die Fehlermeldungen häufen sich, viele Programme starten erst gar nicht mehr.

Die erhoffte Stabilisierung des Systems droht nicht nur zu scheitern, sondern bindet auch zusätzliches Kapital. Hinzu kommen Stadionumbau und KfW-Kredit. Es scheint, als habe sich der Vorstand in eine Sackgasse manövriert. Dabei kann wirklich niemand behaupten, die Probleme kämen aus dem Nichts. Acht Monate lang eierte Wehrle um die Vertragsverlängerung mit dem Sportdirektor herum. Den Stadionumbau rühmte er bei seiner Antrittspressekonferenz noch als Leuchtturmprojekt für eine goldene Zukunft. Wenn es blöd läuft, dürfen die VIPs in der nächsten Saison Zweitligakickern beim Einlaufen zusehen. Exklusiv aus dem Tunnelclub.

Motoguzzi?

Auch nach der ernüchternden Heimniederlage gegen ein keineswegs übermächtiges Werder Bremen hat der VfB noch alle Chancen, aus eigener Kraft die Klasse zu halten. Man sollte nur so langsam beginnen, aus seinen Fehlern zu lernen. Womöglich ist ja Anton als Innenverteidiger doch wertvoller, eine Dreierkette mit diesem Kader keine ganz dumme Idee und eine Doppelspitze vielversprechender als zwei verlorene Flügelstürmer. Ach, war das nicht die Formation, die sich dieser andere Italiener ausgedacht hatte? Wie hieß er noch gleich? Motoguzzi? Materazzi? Sorry, wir arbeiten eben im abgesicherten Modus.

VfB Stuttgart – SV Werder Bremen 0:2

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.