„El Presidente – Werd doch einfach Präsident“
„El Presidente – Regier doch gleich die ganze Welt. El Presidente – Du hast dafür genug Talent. […] Genieß deine Zeit bis zur Revolution.“
Marteria – El Presidente
„Ich halte heute die erste Rede, in der die Abwärtsspirale der letzten Jahre keine Rolle mehr spielen wird. Ab sofort geht der Blick nach vorn. Wir können uns endlich voll und ganz mit der Gegenwart und der Zukunft beschäftigen.“[1]
Mutige Worte, die Wolfgang Dietrich vor gut einem Jahr wählte. Mutige Worte deshalb, weil sie nach einer Saison geäußert wurden, die man dank einer sehr guten, gleichzeitig aber aufgrund einer sehr glücklich verlaufenden Rückrunde, auf Platz 7 beendete und nur knapp am europäischen Wettbewerb vorbeigeschrammt ist.
Ein Jahr später sieht die Welt ganz anders aus. Der VfB hat die schlechteste Saison der Vereinsgeschichte gespielt und musste das zweite Mal in drei Jahren den Gang in die Zweitklassigkeit antreten. Die „Abwärtsspirale der letzten Jahre“ sollte keine Rolle mehr spielen – und dennoch droht der VfB nun mehr denn je zu einer Fahrstuhlmannschaft zu werden – auch ohne Familie Aogo.[2]
Dietrich wollte sich mit der „Gegenwart und der Zukunft“ beschäftigen. Das sollten wir alle früh genug auch tun – doch davor lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit – aus der wir eventuell etwas lernen können.
Die Wahl zum Präsidenten
Dietrich polarisiert das Umfeld des Vereins wie kaum jemand zuvor. Im Vorfeld seiner Wahl wurde er von einigen Fans aufgrund seiner Tätigkeit als Sprecher für Stuttgart 21 als Spalter bezeichnet – einen Stempel, den er bis heute nicht loswerden konnte. Nicht wenige forderten einen Gegenkandidaten – doch diesem Wunsch kamen die Vereinsmächtigen nicht nach. Der damals dreiköpfige Aufsichtsrat, bestehend aus Martin Schäfer (Würth), Wilfried Porth (Daimler) und Hartmut Jenner (Kärcher) entschied sich, nur einen Kandidaten – ihren Kandidaten – ins Rennen zu schicken. Es folgte eine reine Bestätigungswahl, die Dietrich mit nur 57,2 % der Stimmen für sich entscheiden konnte. Das Ziel der Verantwortlichen: Das zerbrochene Lager sollte zusammengeführt werden. Dietrich sollte den Dialog suchen – etwas, das er bis heute nicht geschafft hat.
Selbstverständlich ist das auch keine besonders einfache Aufgabe, wenn die bei einem Großteil der Fans unerwünschte Ausgliederung der Profifußballabteilung höchste Priorität hat. Wer auch immer beim VfB sich hierbei dachte, man könne so zerbrochene Lager zusammenführen: Ihr habt euch getäuscht. Den Karren an die Wand gefahren sozusagen. Mit Anlauf voll in die Mauer.
Die Rolle Martin Schäfers
Martin Schäfer sprach einmal davon, dass ein Aufsichtsrat sich nicht zu wichtig nehmen dürfe. Er kontrolliere zwar den Verein, er regiere ihn aber nicht.[3] Ob das die Herren Dietrich, Porth, Jenner und Gaiser auch so sehen, ist durchaus infrage zu stellen. Franz Reiner, Vorstandsvorsitzender der Mercedes-Benz Bank AG und Vorstand der Daimler Financial Services AG, dürfte es wie Porth vordergründig um Daimler und zweitrangig um den VfB gehen. Wie groß die Einflussmöglichkeiten von Ohlicher und Sugg gegen diese fünf Personen sind, vermag ich nicht zu beurteilen.
Dass es sich bei Dietrich letztlich auch um den Kandidaten Martin Schäfers handelt, erklärt eventuell auch, weshalb er sich nun vor der Mitgliederversammlung pro Dietrich positioniert.[4] Wolfgang Dietrich sei damals die richtige Wahl gewesen, aber es wurden sportliche Fehler gemacht, die zu spät korrigiert wurden (er nennt hier das zu lange Festhalten an Reschke und Weinzierl). Man solle den Blick nun aber nach vorne werfen.
Nach mir die Sintflut
Diese Worte kommen einem sehr bekannt vor, schließlich ist seit Wochen und Monaten die Rede davon, man wolle nach vorne schauen. Eine Aufarbeitung der Vergangenheit? Findet, wenn überhaupt, nur intern statt. Dennoch scheint ein Umbruch im Gang zu sein. Doch handelt es sich um einen vollständig vollzogenen Umbruch, wenn keine personellen Konsequenzen in der Führungsebene gezogen werden? Diese Frage kann jeder für sich selbst beantworten. Oliver Trust schreibt:
„Funktionäre wie Präsident Dietrich oder der seit seinen Attacken gegen Vereinsikone Guido Buchwald (58) umstrittene Vize-Aufsichtsrats-Vorsitzende und Daimlervorstand Wilfried Porth (60) bleiben im Amt. Porth hatte das kritische Aufsichtsratsmitglied Buchwald mit respektlosen Vorwürfen zum Rücktritt getrieben. Nicht nur Porth und Dietrich waren durch herabwürdigende Kommentare gegen Schindelmeiser und andere aufgefallen. VfB-Fans und zahlreiche Vereinsikonen beklagten die katastrophale Außendarstellung des Vereins, der als Klub der Wahrheitsbeuger und Blender verspottet wurde. Es bleiben Zweifel, ob mit Hitzlsperger die Wende gelingt. Der gilt als leicht beeinflussbar und ist im Bereich Management völlig unerfahren. Der Ex-Nationalspieler suchte stets die Nähe zu Dietrich und hat so indirekt viele der fatalen Entscheidungen mitgetragen.“[5]
Dietrich fordert Kontinuität. Doch Kontinuität unter Dietrich scheint nicht besonders einfach zu sein: Tim Walter ist der fünfte Trainer (nach Wolf, Korkut, Weinzierl, Willig) und Sven Mislintat zusammen mit Thomas Hitzlsperger der dritte Sportdirektor (nach Schindelmeiser, Reschke) in der Ära Wolfgang Dietrich. Insbesondere zu der Trennung von Jan Schindelmeiser gibt es nach wie vor einige offene Fragen.
Schindelmeiser und sein denkwürdiger Abgang
Jan Schindelmeiser wurde im Juli 2016 als Sportvorstand vorgestellt. Auf der Homepage des VfB Stuttgart konnte man damals lesen, Schindelmeiser würde sich als Teamplayer sehen. Ein Verein könne nur dann erfolgreich sein, „wenn jeder einzelne sich dem Mannschaftsgedanken unterordnet“.[6] Schindelmeiser wurde zu Dietrichs Zugpferd für die Ausgliederung – mit Erfolg. Denn mit Hannes Wolf und Jan Schindelmeiser besetzten zwei Personen Stellen im operativen Geschäft, die sich mit dem VfB Stuttgart identifizieren konnten und mit denen sich viele Fans identifizieren konnten – etwas, das viele Jahre fehlte.
Die Ausgliederung und der sportliche Erfolg
Über das Vorgehen des VfB bei der Ausgliederung ist viel geschrieben worden – der damalige Slogan „Ja zum Erfolg“ ist bei aktueller Betrachtung ein absoluter Fehlschlag: der VfB spielt in der zweiten Bundesliga und seine Reserve kickt in der neuen Saison in der Oberliga. Das ist die Realität. Eines der häufigsten Argumente von Dietrich-Befürwortern ist, dass wir ohne die Ausgliederung keinerlei Erfolge vorzuweisen hätten.
Dazu ganz kurz: Das können wir erstens nicht überprüfen und zweitens halten sich die „Erfolge“ doch sehr in Grenzen: Der Aufstieg gelang vor der Ausgliederung, es folgte eine mäßige Saison, die man auf dem glücklichen siebten Platz beendete und ein erneuter Abstieg. Die zweite Mannschaft des VfB spielt wie angesprochen inzwischen in der Oberliga. Den einzigen sportlichen Erfolg kann man aktuell im Jugendbereich verzeichnen. Das ist selbstverständlich erfreulich und sollte entsprechend gewürdigt werden, aber: Jugendspieler benötigen eine Perspektive. Da hört sich Bundesliga/Regionalliga doch deutlich klangvoller an, als die Perspektive, die der VfB momentan bereitstellen kann. Es besteht also die Gefahr, dass sich zukünftige Talente trotz der stets gelobten sehr guten Rahmenbedingungen entscheiden, ihre fußballerische Karriere nicht in Stuttgart anzutreten oder fortzusetzen.
Der sportliche Erfolg sollte sich möglichst bald also einstellen – nicht nur im Jugendbereich. Die finanziellen Mittel, um eine Grundlage für diesen sportlichen Erfolg zu schaffen, sind (oder waren) durch die Ausgliederung da. Jan Schindelmeiser dagegen musste keine zwei Monate nach der Ausgliederung gehen. Der Beschluss erfolgte einstimmig und wurde vom Vorstand uneingeschränkt mitgetragen[7].
Warum musste er nun gehen?
Aus der offiziellen Stellungnahme geht außerdem hervor, dass der Vorstand des VfB diesen Schritt bedaure, aber letztlich nicht mehr davon überzeugt gewesen sei, „dass die Umsetzung unserer Ziele und der getroffenen Absprachen in der bisherigen Personalkonstellation zu erreichen sind.“[8] Viel wurde über Alleingänge Schindelmeisers und mangelndes Vertrauen berichtet und geschrieben, aber bis heute gab es kein konkreteres Statement. Schindelmeisers Transfers boten rückblickend Licht und Schatten, aber man darf sich schon die Frage stellen, wer aus dem damaligen Vorstand über das nötige Know-How verfügte, um beurteilen zu können, ob der von Schindelmeiser zusammengestellte Kader erstligareif sei oder nicht. Denn dies war laut Wolfgang Dietrich der Hauptgrund für seine Entlassung.[9]
Sportliche Kompetenz konnten von den in den Gremien vertretenen Menschen meiner Meinung nach nur Hermann Ohlicher und Guido Buchwald vorweisen, bei den restlichen Vertretern des Aufsichtsrats und des Vorstandes handelte es sich nicht um Experten des sportlichen Gebiets. Bei einem Fanclubtreffen im Februar diesen Jahres reagierte Wolfgang Dietrich genervt auf eine Nachfrage zu Schindelmeiser:
„Er war von seinem Engagement bei uns fünf Jahre ohne Job im Fußball und ist es jetzt seit zwei Jahren auch nicht mehr. Die Nachfrage nach ihm ist offenbar nicht sonderlich groß.“[10]
Die Nachfrage nach Schindelmeiser
Dass es für Schindelmeiser zumindest vor seiner Zeit beim VfB mehrfach die Möglichkeit gab, in der Bundesliga zu arbeiten, berichtete damals sogar die Homepage des VfB Stuttgart:
„Nach seinem Ausscheiden in Hoffenheim gab es für Jan Schindelmeiser mehrfach die Möglichkeit, bei einem Verein in der Bundesliga Verantwortung zu übernehmen.“[11]
Nur, weil er in dieser Zeit keinen Job bei einem Bundesligaverein annahm, heißt das nicht gleichzeitig, dass er kein gefragter Mann gewesen ist. Wie kann Wolfgang Dietrich überhaupt wissen, wie groß die Nachfrage zu Schindelmeiser ist? Er bedient sich hier einer Wortwahl, die versucht, Halbwahrheiten oder gar alternative Fakten zu schaffen, wo keine sind, indem verfälschte Rückschlüsse aus vorhandenen Fakten gezogen werden. Besteht eventuell die Möglichkeit, dass Schindelmeiser gehen musste, weil er intern zu viel Kritik äußerte und damit aneckte? Schindelmeiser war der demütige Ruhepol zu Dietrich, der sehr früh begann, ganz große Pläne zu schmieden. In einem Interview mit der Sportbild sagte Dietrich:
„Mein Traum ist, dass wir uns dann [in den nächsten Jahren] im oberen Drittel der Tabelle etabliert haben und bestenfalls nur zwei Vereine größer sind als wir. Der eine sitzt im Süden [Bayern München], der andere im Westen [Borussia Dortmund].“[12]
Der Traum vom Erfolg
2 Jahre später ist der VfB wieder in der zweiten Liga angekommen und man muss befürchten, dass diese Aussage Dietrichs uns allen noch ganz schön um die Ohren fliegen wird.
Schindelmeiser fand schon damals keinen Gefallen an dieser Aussage. Er wusste, dass der VfB den anderen Vereinen organisatorisch und strukturell hinterherhinkt – daran konnten auch einmalige Millionen durch die Ausgliederung so schnell nichts ändern.[13] Schindelmeiser machte sich bei Beratern unbeliebt, weil er alle gleich behandelte. Er hielt nichts von Vetterleswirtschaft und Symboltransfers, weshalb er von einer Rückkehr Didavis bereits sehr früh Abstand nahm. Jörg Runde schreibt, dass Schindelmeiser „seine klare Linie und seine Beliebtheit bei den Fans zum Verhängnis“ wurde.[14] Er wählt deutliche und harte Worte:
„Mit Dietrichs Wunsch nach der ganz großen Nummer war Schindelmeiser Kurs scheinbar nicht kompatibel! Dass der Sportvorstand auf seinem Weg und auf seinem Zuständigkeitsbereich beharrte, brachte bei Dietrich wohl das Fass zum Überlaufen. Fachlich konnte man Schindelmeiser wirklich nichts vorwerfen. Entsprechend dünn ist auch die Presseerklärung des Vereins zur Trennung von ihm. Auch in einem Interview kann Dietrich keine schlüssigen Gründe für die Entlassung nennen. Es bleibt der Eindruck, dass es dem Präsidenten einzig und allein um persönliche Eitelkeiten ging. Der Aufsichtsratsboss, das dürfte spätestens seit dem Rauswurf Schindelmeisers jedem klar sein, sieht sich als starken Mann an der Spitze. Soll heißen: Es gibt nur einen Chef – und der heißt Dietrich.“[15]
Auch der vertikalpass schrieb in einer Art offenem Brief an Wolfgang Dietrich:
„Wir alle wollen den Erfolg. Das muss nicht gleich das erste Tabellendrittel sein, wir wollen einfach mal eine ruhige Saison spielen. Und vor allem wollen wir nicht das Gespött der Liga sein. Aber es scheint sich immer mehr herauszustellen, dass dieser Erfolg mit Ihnen schwer möglich ist.“[16]
Davon können auch die Stuttgarter Kickers in Person des früheren Präsidenten Edgar Kurz ein Lied singen:
„Herr Dietrich hat sich massiv eingemischt und uns Michael Zeyer als Sportdirektor aufs Auge gedrückt […]. Herr Dietrich duldet keinen Widerspruch.“[17]
Dietrichs Kampf um Macht
Die Verbindung zu den Stuttgarter Kickers kam übrigens durch Quattrex zustande – ein Punkt, auf den ich im nächsten Abschnitt eingehen möchte. Zu den bisherigen Ausführungen und dem Verhalten Dietrichs passt ein Bericht der Stuttgarter Zeitung, in dem es heißt:
„Der Präsident [Dietrich] fühlte sich offenbar bei Transfers übergangen, während Schindelmeiser ihn daran erinnert hat, dass es nun einmal die ureigenste Aufgabe des Sportvorstands sei, die sportlichen Entscheidungen zu treffen. […] Zudem, so heißt es, habe es Unstimmigkeiten um die Verpflichtung von Holger Badstuber gegeben. Die wurde dann gestern auch noch gleich verkündet. Schindelmeiser habe sich für den Transfer des verletzungsanfälligen Abwehrspielers starkgemacht, während der VfB-Chef von dieser Personalie nicht begeistert gewesen sei. Dass der ablösefreie Ex-Nationalspieler nun unter Vertrag genommen wird, kann als Dietrich’scher Kompromiss verstanden werden. Nach dem Motto: Badstuber kann kommen, aber Schindelmeiser muss gehen.“[18]
Die Personalie Badstuber ist im Rückblick definitiv ein Konfliktthema, aber: Wenn Dietrich zu Schindelmeisers Zeit von Badstuber nicht überzeugt war, klingt es zumindest nicht besonders sinnvoll, dass sein Nachfolger, Michael Reschke, den Vertrag mit selbigem verlängern darf. Oder? Schindelmeiser war überzeugt von dem neuen Weg und den dafür getätigten Transfers:
„Wir haben konsequent das gemacht, was wir seit einem Jahr gesagt haben. Ziel war, Gegenwart und Zukunft miteinander in Einklang zu bringen. Das war der Schlüssel, um die Menschen in Stuttgart wieder für den VfB zu gewinnen.“
Außerdem könne er doch nicht „plötzlich etwas komplett anderes machen und nur erfahrene Profis holen, auch wenn das die kurzfristige Etablierung in der Bundesliga erleichtern würde.“[19] Zur Thematik Jan Schindelmeiser sei dieser Artikel von Rund um den Brustring zur weiteren Lektüre empfohlen: https://rundumdenbrustring.de/lasst-jan-schindelmeiser-ruhe. Außerdem veröffentlichte Lennart von rundumdenbrustring erst kürzlich einen Artikel, der sich detailliert mit Dietrichs Kommunikation auseinandersetzt: https://rundumdenbrustring.de/wolfgang-der-profi.
Dietrich und die Wirtschaft
Wolfgang Dietrichs Karriere als Geschäftsmann begann so richtig, als er sich Anfang 20 mit einem Programmierbüro selbstständig machte. Kurze Zeit später stieg er bei Strässle ein, ein Stuttgarter Software- und Systemhaus, wo er zum Geschäftsführer aufstieg. 1995 stieg er aus und Strässle meldete zwei Jahre später Insolvenz an. Dietrich selbst wechselte ins Sportmarketing und übernahm 2005 Anteile an der Ventric AG mit Sitz in der Schweiz.
Ventric investierte Geld in verschiedene Profivereine, darunter Mainz 05, Eintracht Frankfurt, Rot-Weiß Oberhausen, und: der VfB Stuttgart. Je erfolgreicher die Vereine, desto höher die Einnahmen der Ventric AG.[20] Der VfB Stuttgart soll Berichten zufolge 2007 „relativ schmerzfrei aus dem Vertrag ausgestiegen sein.“[21]
Quattrex
Dietrich gründete 2010 die Quattrex-Sports AG, die verschiedene Vereine finanziert und erfolgsabhängig an den Einnahmen aus Fernsehgeldern partizipiert. Dort schied er 2011 als Vorstand aus. Seit Februar 2016 gibt es eine Quattrex-Finance GmbH. Dort war Wolfgang Dietrich bis Ende August 2016 Geschäftsführer. Wolfgang Dietrichs Sohn Christoph übernahm den Geschäftsvorsitz in Teilen. Dies alles kann dem Handelsregister entnommen werden.[22]
Mit seiner Berufung zum Präsidenten im Oktober 2016 hat Wolfgang Dietrich der DFL wie dem VfB offen gelegt, dass er keine Anteile mehr an der Quattrex Sports AG hält. Dies wurde geprüft und für gut befunden. Das heißt allerdings erstens nicht, dass es dadurch auch keinen Interessenkonflikt mehr gibt, da Dietrich zweitens noch durch die VMM Consulting GmbH am Gewinn der Quattrex Sports AG beteiligt ist. Darauf machte der Kicker jüngst aufmerksam. Die Quattrex Finance GmbH wird zu 50% von der VMM Consulting GmbH gehalten. Diese gehörte allein Wolfgang Dietrich.[23] Dem Kicker erklärte der VfB, „dass Dietrich den zuständigen Gremien und Personen all seine Beteiligungen vor der Wahl zum Präsidenten offengelegt habe.
„Insofern war den Gremien des VfB bekannt, dass Wolfgang Dietrich an Erträgen, die aus diesen Engagements fließen könnten, partizipieren kann. Entscheidend ist, dass hierbei keine Interessenskollisionen vorliegen und die Integrität in jeglicher Hinsicht gewährleistet ist. Dies wurde durch die DFL vollumfänglich bestätigt“, teilt Stuttgarts Finanzvorstand Stefan Heim mit. Eine erstaunliche Definition von Wettbewerbsintegrität, gerade weil in der Saison 2016/17 direkte Konkurrenten des damals zweitklassigen VfB mit Quattrex-Millionen arbeiteten: der FCK, Heidenheim und Union.“[24]
Verwirrung um die Beteiligungen
Jan Schindelmeiser widerspricht diesen Auslegungen zumindest in Teilen:
„Allgemein bekannt war, dass Wolfgang Dietrich über die Firma Quattrex in geschäftlichen Beziehungen zu einigen Fußball-Clubs stand. Inwieweit dies über verschiedene Tochtergesellschaften verlief, war mir nicht bekannt.“
Indirekte Beteiligungen Dietrichs seien „niemals Gegenstand von Gesprächen oder gar offiziellen Sitzungen“ gewesen.[25] Bereits vor der Wahl Dietrichs zum Präsidenten und somit während der Saison 2016/2017 (VfB und Union Berlin in Liga 2) schreibt Peter Stolterfoht:
„Man stelle sich vor: In der Winterpause haben sowohl der VfB als auch der Quattrex-Club Union Berlin gute Aussichten am Ende der Saison Aufstiegsplatz zwei in der zweiten Liga zu erreichen. Union Berlin fragt bei der Quattrex Sports AG um eine Erhöhung des Darlehens an, um einen Stürmer zu verpflichten, der die Chancen auf den Aufstieg deutlich verbessern würde. Was antwortet da der VfB-Präsident?“[26]
Johannes Seemüller vom SWR bezieht sich in einem aktuellen Artikel auf die Brisanz der Relegationsspiele gegen Union Berlin:
„Bis zum 14. Mai 2019 war der VfB-Präsident als Gesellschafter der VMM Consulting GmbH zu 50 Prozent an der Quattrex Finance GmbH beteiligt. Gerade noch rechtzeitig vor den Relegationsspielen gegen Union Berlin wurde seine Beteiligung also im Handelsregister gelöscht. […] Formaljuristisch mag es also spätestens seit der Änderung im Handelsregister vom 14. Mai stimmen, dass Wolfgang Dietrich nicht mehr vom Sieg oder einer Niederlage eines Fußballvereins profitiert.
Denkbar ist am Montag trotzdem folgendes Szenario im Hause Dietrich: Union Berlin hat den VfB Stuttgart in der Relegation besiegt, den Bundesliga-Aufstieg geschafft und die Schwaben in die Zweite Bundesliga geschossen. Der Vater, VfB-Präsident Wolfgang Dietrich, ist wohl untröstlich. Trotz Personalinvestitionen in Millionenhöhe muss sein Klub nach 2016 erneut den Gang in die Zweite Liga antreten. Sohn Christoph dagegen wird finanziell profitieren. Denn durch den Aufstieg von Union Berlin steigen mit dem Deal die Einnahmen für Quattrex. Und Christoph Dietrich ist mit 50 Prozent an der Quattrex Finance GmbH beteiligt. Dieses Relegationsspiel hat einen faden Beigeschmack. Auf Schwäbisch: ein Gschmäckle.“[27]
Juristisch vertretbar – und moralisch?
Ja, juristisch scheint sich Dietrich auf dem Papier nicht vorwerfen zu müssen, doch wie sieht es mit dem moralischen Aspekt aus? Und hätte Dietrich seine Beteiligung an der VMM Consulting GmbH auch dann gelöscht, wenn der Kicker mit seiner Recherche das Fass Quattrex nicht geöffnet hätte? Es wirkt so, als hätte Wolfgang Dietrich gerade rechtzeitig noch den Kopf aus der Schlinge ziehen können. Doch im moralischen Sumpf steckt er weiterhin bis zum Hals. Auf der kommenden Mitgliederversammlungen wird er sich unangenehmen Fragen stellen müssen – schließlich hatte Dietrich selbst angekündigt, sich nach dem Saisonende einer Diskussion zu stellen.[28]
Zum Schluss noch eine kleine Bitte: Ich erlebe in den letzten Tagen viele Beleidigungen und unsachliche Diskussionen. Dabei wollen wir als VfB-Fans alle dasselbe: Das Beste für den Verein. Daher appelliere ich an ein respektvolles Miteinander – insbesondere, wenn unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallen. Bei der kommenden Mitgliederversammlung wird über einen Antrag auf Abwahl Dietrichs abgestimmt. Sollten Sie stimmberechtigtes Mitglied bei der Mitgliederversammlung sein und planen, daran teilzunehmen, fällen Sie Ihre Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen.
Wenn Sie überzeugt davon sind, dass Wolfgang Dietrich der beste Mann für den VfB ist, sollten Sie für ihn stimmen und ihn im Amt bestätigen. Sollten Sie nicht genau wissen, was Sie tun sollen, so sollten Sie Ihre Entscheidung auf Basis von Fakten und der aktuellen Lage des VfB fällen. Lassen Sie sich aber bitte nicht von Wolfgang Dietrichs oft leeren Versprechungen überzeugen. Denn es ist beispielsweise höchst unrealistisch, dass der VfB – wie von Dietrich angekündigt – die drittstärkste Kraft in Deutschland wird. Darüber hinaus konnte er seinem Wahlversprechen, der Präsident aller sein zu wollen, nicht einmal annähernd gerecht werden. Sich auf seine Versprechen zu verlassen, wäre meiner Meinung nach schlichtweg naiv.
Quellen:
[1] https://twitter.com/vfb/status/1005774438766448646?lang=de
[2] https://twitter.com/aogosaufzug
[3] https://www.bild.de/sport/fussball/vfb-stuttgart/martin-schaefer-macht-nie-die-welle-45208656.bild.html
[4] https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.ex-vfb-kontrolleur-martin-schaefer-die-kritik-zielt-bewusst-unter-die-guertellinie.4f1623dc-aec4-47da-97c8-74bc2f7378b8.html?reduced=true
[5] https://www.waz.de/sport/thomas-hitzlsperger-soll-den-vfb-stuttgart-befrieden-id216427659.html
[6] https://web.archive.org/web/20160712020319/http://www.vfb.de/de/verein/verein-meldungen/2016/jan-schindelmeiser-neuer-sportvorstand_portrait/page/11739-1-8-.html?f8
[7] https://www.vfb.de/de/vfb/aktuell/neues/club/2017/trennung-jan-schindelmeiser/
[8] Ebd.
[9] https://www.swrfernsehen.de/sport-im-dritten/Sport-im-Dritten-Sport-im-Dritten-mit-Wolfgang-Dietrich,av-o1120855-100.html (ab Minute 15.00).
[10] https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.vfb-stuttgart-wolfgang-dietrich-zu-besuch-beim-fanclub-highlander.894ff78d-34d1-46c8-8c0b-0774038934c0.html
[11] https://web.archive.org/web/20160712020319/http://www.vfb.de/de/verein/verein-meldungen/2016/jan-schindelmeiser-neuer-sportvorstand_portrait/page/11739-1-8-.html?f8
[12] https://sportbild.bild.de/bundesliga/vereine/vfb-stuttgart/wolfgang-dietrich-vfb-praesident-interview-52513904.sport.html
[13] https://www.echo24.de/sport/vfb-stuttgart/vfb-fans-sorge-dietrich-schindelmeiser-8590798.html
[14] Ebd.
[15] Ebd.
[16] https://vertikalpass.de/sehr-geehrter-herr-dietrich/
[17] https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.vfb-stuttgart-verhindert-die-dfl-die-vfb-praesidentschaft-von-wolfgang-dietrich.281ce118-85bf-4544-a65c-24c0355536ee.html
[18] https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.vfb-stuttgart-entlaesst-schindelmeiser-raetselhafter-rauswurf.cd15c95a-fea4-42ef-a5ac-6a177ac2e910.html
[19] https://rp-online.de/sport/fussball/vfb-stuttgart/vfb-stuttgart-jan-schindelmeiser-wehrt-sich-gegen-kritik_aid-19582337
[20] https://www.swr.de/sport/wolfgang-dietrich-ein-spalter-fuer-den-vfb-stuttgart/-/id=1208948/did=18107550/nid=1208948/urdh96/index.html
[21] Ebd.
[22] https://www.online-handelsregister.de/personen/Dietrich-Wolfgang-Leonberg/143e77f40fd65ec445a687ce61fe5e7f
[23] https://www.kicker.de/746903/artikel
[24] Ebd.
[25] https://www.zvw.de/inhalt.quattrex-geschaefte-von-vfb-chef-dietrich-ex-vorstand-jan-schindelmeiser-meldet-sich-zu-wort.29da52a1-4921-46f7-ae10-9670b5405a90.html
[26] https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.vfb-stuttgart-verhindert-die-dfl-die-vfb-praesidentschaft-von-wolfgang-dietrich.281ce118-85bf-4544-a65c-24c0355536ee.html
[27] https://www.swr.de/sport/fussball/vfb-stuttgart/Bundesliga-VfB-Stuttgart,dietrich-quattrex-geschmaeckle-100.html
[28] https://www.vfb.de/de/vfb/aktuell/neues/mitglieder-mitteilung/mitteilung-des-praesidenten/