Ein wackeliges Versprechen
Vor zwei Wochen vermeldete die Presse die gute Nachricht: Der Präsident übernimmt beim VfB Stuttgart wieder den Vorsitz des Aufsichtsrates. Ist damit der Bruch des Ausgliederungsversprechens geheilt und wieder alles in Butter? Um diese Frage zu beantworten, muss man zwischen den Zeilen lesen und ein wenig mit der bewegten vereinspolitischen Geschichte des Traditionsklubs aus Cannstatt vertraut sein. Da sind die Dinge nämlich selten so klar, wie sie scheinen.
Die Ruhe vor dem Sturm
In diesem Fall haften dem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Dietmar Allgaier zwei Makel an: Der Landrat des Landkreises Ludwigsburg bekleidet das Präsidentenamt nur auf Zeit und verfügt außerdem über keine demokratische Legitimation durch die Mitglieder. Umso erstaunlicher muten da die ausnahmslos positiven Kommentare aus den Gremien, der Presse und dem Vereinsumfeld an.
„Im Aufsichtsrat bestand Einigkeit darüber, dass der Vorsitz wieder in die Hände des Präsidiums übergehen soll, sobald die Voraussetzungen dafür wieder vorliegen und der Verein wieder auf Kurs ist“, lässt sich zum Beispiel Allgaiers Vorgängerin Tanja Gönner zitieren. Welche Voraussetzungen? Und welcher Kurs?
Genau genommen befindet sich der Verein nach den Rücktritten zweier Präsidiumsmitglieder und der Abwahl des Präsidenten in einem Schwebezustand. Vom Schaden, den das Präsidentenamt durch die unwürdigen Vorgänge vor und während der Mitgliederversammlung im Juli genommen hat, ganz zu schweigen.
Immerhin ist es dem Interimspräsidenten und seinem gewählten Präsidiumskollegen seither gelungen, die Vereinspolitik aus den Schlagzeilen zu halten. Doch spätestens im neuen Jahr wird es damit vorbei sein. Am 22. März 2025 werden nämlich der Vereinsbeirat, das Präsidium und der Präsident gewählt. Aus einem Kandidatenkreis, der von einem Wahlausschuss nominiert wird, der sich selbst erst einmal orientieren muss.
Wer beaufsichtigt hier wen?
Im Aufsichtsgremium sieht man diese unberechenbare Situation offensichtlich ganz entspannt. Die Damen und Herren Aufsichtsräte denken sich wohl: Wenn uns der Kurs der neuen Vereinsspitze nicht passt, lassen wir Althoff und Co. eben wieder die Dreckschleuder anwerfen. Auf diese Weise wurde zuletzt nicht nur gegen den Willen der Vereinsvertreter der Vorsitz des Aufsichtsrates gewechselt, sondern letzten Endes auch der Präsident des Muttervereins.
Als Beobachter kann man da leicht vergessen, wen der Aufsichtsrat eigentlich kontrollieren soll. Und erst recht, wer die Mehrheit der Aufsichtsräte eigentlich entsendet. Mit Schymon (Mercedes) und Meschke (Porsche) fungieren neuerdings gleich zwei Investorenvertreter als stellvertretende Vorsitzende, über die Besetzung des Präsidialausschusses möchte öffentlich keiner reden. Wäre es nicht an der Zeit, die Satzung dahingehend zu ergänzen, dass die Mitglieder bei der Besetzung des Aufsichtsrates mitsprechen dürfen? Nicht wenige Profiklubs lassen das Gremium direkt wählen.
Härten statt aufweichen
Im Zuge der Ausgliederung wurde den VfB-Mitgliedern versichert, dass sie mithilfe des Aufsichtsratsvorsitzes jederzeit die Kontrolle über die Fußball-AG behielten. Heute wissen wir, auf was für wackeligen Beinen dieses Versprechen steht. Warum setzen wir uns nicht dafür ein, dass der Aufsichtsrat den Anteilen an der AG gemäß mit Personen besetzt wird, die tatsächlich Vereinsbelange vertreten?
Auf diese Weise würde das höchste Organ des Vereins diejenigen berufen und abberufen, die ihrerseits die Vorstände in der AG beaufsichtigen. Tanja Gönner wäre so wohl nicht in das Gremium gelangt. Das Ausgliederungsversprechen bekäme auf einmal eine Substanz, die Dietrich und Co. wohl nie beabsichtigt hatten.
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reybucanero74
Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson