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Ein Auswärtssieg von der Stange

Guirassy erzielt mit seinem 26. Saisontor den Siegtreffer. (Foto: vfb.de)

Die weiß-rote Karawane erwartet das Auswärtsspiel in Bayerisch-Schwaben so entspannt wie lange nicht mehr. Die Qualifikation für die Champions-League und Platz vier in der Abschlusstabelle sind bereits sicher. In diesem Hochgefühl zählen die VfB-Fans für unerreichbar gehaltene Rekorde oder basteln in Gedanken schon am Kaderpuzzle für die kommende Saison.

70 Punkte haben 2006/07 für die Meisterschaft gereicht, 22 Siege hat noch kein VfB-Team in der 60-jährigen Bundesligageschichte errungen, 10 Auswärtssiege gelangen in den letzten drei Spielzeiten zusammen. Mit dieser Erfolgsmannschaft würde man natürlich gerne geschlossen in die nächste Saison gehen. Aber so funktioniert der moderne Profifußball nicht. Längst haben nationale und internationale Spitzenklubs ihre Fühler nach den VfB-Stars ausgestreckt.

Viel Kontrolle

Die WWK-Arena haben die VfB-Fans in schlechter Erinnerung. Die 6:0-Klatsche im Frühjahr 2019 kostete Markus Weinzierl den Job und führte letztlich zum Abstieg. Nach der 4:1-Niederlage im Herbst 2021 ging die Reise wieder Richtung Tabellenkeller, wo sie erst am letzten Spieltag mit Endos goldenem Tor glücklich endete. Außerdem ist der FC Augsburg für seine unangenehme Spielweise gefürchtet: überfallartige Konter, fiese Zweikampfführung nebst ständiger Belagerung des Schiedsrichters. All das kommt am Freitagabend allerdings nicht zum Tragen. Die Mannschaft von Sebastian Hoeneß ist in punkto Spielanlage und Passspiel dermaßen überlegen, dass die Gastgeber kaum zu Torchancen kommen.

Leweling scheitert an Koubek und dem Pfosten. (Foto: IMAGO/MIS)

Der VfB verpasst es aber zunächst, seine Überlegenheit in Zählbares umzumünzen. Im letzten Drittel fehlen Tempo und Präzision, um die kompakte Augsburger Abwehr auszuhebeln. Führich (13.), Undav (30.) und Leweling per Linksschuss aus spitzem Winkel (35.) nähern sich an, bevor Guirassy nach Millot-Traumpass die verdiente Führung erzielt (48.). Das Zusammenspiel der beiden französischsprachigen Offensivspieler gehört zum Besten, was die Bundesliga in dieser Saison zu bieten an.

In der Folge macht die Hoeneß-Elf das, was jeder Jugendtrainer seinen Schützlingen beizubringen versucht: „s´Bälla laufa lau“. 77 % Ballbesitz zeigen, dass die ganz in Weiß gekleideten Hausherren über weite Strecken mit der Zuschauerrolle vorliebnehmen müssen. Dem künftigen Champions-League-Teilnehmer reicht in Augsburg eine durchschnittliche Leistung zu einem ungefährdeten Auswärtssieg.

Niemand ist unersetzlich

Die größte Stärke der Mannschaft besteht in dieser Saison darin, dass andere in die Bresche springen, wenn Leistungsträger ausfallen. Ohne die Verletzungen von Zagadou, Rouault und Vagnoman wäre Leonidas Stergiou womöglich zu keinem Startelfeinsatz gekommen. In den vergangenen Wochen stellt der junge Schweizer aber unter Beweis, dass er mit seiner Schnelligkeit und Zweikampfstärke eine echte Alternative auf der rechten Abwehrseite darstellt.

Leonidas Stergiou setzt sich gegen Demirovic durch. (Foto: Eduard Martin via augsburger-allgemeine.de)

Eine andere Statistik aus dem Augsburg-Spiel zeigt allerdings auch eine Schwäche im Kader: 64 % der Luftzweikämpfe gehen an die Gastgeber. Die großgewachsenen Angreifer Demirovic und Tietz können immer wieder lange Bälle mit dem Kopf ablegen. Ein Neuzugang wie Jeff Chabot vom 1. FC Köln könnte dem Abwehrzentrum mehr Robustheit für die Herausforderungen des internationalen Wettbewerbs geben.

Auch bei der Torgefahr aus dem Mittelfeld sowie bei Defensiv- und Offensivstandards gibt es noch Entwicklungspotenzial. Sollte sich der eine oder andere Spieler für eine neue Herausforderung entscheiden, können die Kaderplaner Elemente hinzufügen, die das Ensemble im besten Fall noch stärker machen. Außerdem schafft jeder Abgang Raum für die Entwicklung von Spielern, die sich zuvor in die zweite Reihe einordnen mussten. Die Reaktion auf den Wechsel von Wataru Endo nach Liverpool kann hier als positives Beispiel dienen.

Abschlussparty gegen Gladbach

Am kommenden Samstag steht der Abschluss dieser überragenden Saison bevor. Statt einer Zitterpartie wie in den beiden vergangenen Jahren soll es eine rauschende Party geben. Der Mannschaft ist es ein Anliegen, das Erreichte mit den Anhängern gemeinsam zu feiern. Einige Spieler wollen sich außerdem für die EM-Teilnahme empfehlen. In gut einem Monat findet in München schon das Eröffnungsspiel zwischen Deutschland und Schottland statt.

Ein bisschen Schwermut dürfte auch dabei sein, wenn Fanlieblinge wie Silas und Egloff womöglich zum letzten Mal den Brustring tragen werden. Trotz des überraschenden Erfolgs muss allen bewusst sein, dass dem Klub und der Mannschaft noch viele Entwicklungsschritte bevorstehen. Wenn man mindestens acht Mal unter der Woche auf internationaler Bühne auftritt, kann nicht jedes Spiel ein Feuerwerk sein. Ein Auswärtssieg von der Stange wie am Freitag in Augsburg wird dann umso wertvoller.

FC- Augsburg – VfB Stuttgart 0:1

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Der VfB kennt keine Grenzen – Vertikalpass

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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