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Die Krönung

Die Mannschaft und ihre stolzen Fans feiern eine sensationelle Saison. (Foto: vfb.de)

Fünf Jahre ist es her, da erlebte der VfB einen schmerzhaften Doppelabstieg. Die Profis scheiterten in der Relegation an Union Berlin, die zweite Mannschaft an mangelnder Wertschätzung im Verein. Seither ist viel passiert. Das Ergebnis ist am Samstag zu bestaunen: Während im ausverkauften Neckarstadion bereits der Hoeneß-Kreisel brummt, fiebert die Elf von Markus Fiedler an der Reutlinger Kreuzeiche dem Abpfiff entgegen. Vizemeister und Drittliga-Aufsteiger an ein und demselben Tag? Das wäre wohl jedem Drehbuchautor zu kitschig.

Auch einen Tag nach der Party ist schwer zu begreifen, was da am letzten Spieltag passiert ist. Mitte der zweiten Halbzeit führen die Bayern in Sinsheim mit 2:1. Das Spiel in Bad Cannstatt plätschert zu dieser Zeit beim Stande von 2:0 vor sich hin, als sich plötzlich die Nachricht vom Hoffenheimer Ausgleich verbreitet. Geht da noch was? Zwanzig Minuten später schallt der Klassiker durch die Arena: „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“. Der VfB setzt in dieser unfassbaren Saison immer noch einen drauf. Obwohl es diesmal eigentlich der dreifache Hoffenheimer Torschütze Kramaric ist, der für die unerwartete Wendung sorgt.

Silas Katompas Homerun

Sebastian Hoeneß bietet gegen Gladbach seine offensivste Formation auf: Dreierkette, Leweling und Führich als Wingbacks und vorne drin Millot, Undav und Guirassy. Neue Rekorde haben die Weiß-Roten im Visier, aber in erster Linie geht es um eine schöne Party, um einen würdigen Abschluss einer sensationellen Saison. Und es werden Abschiede gefeiert: Physiotherapeut und VfB-Urgestein Gerhard Wörn geht in den verdienten Ruhestand, Techniktrainer Nate Weiss sowie Li Egloff, Flo Schock, Roberto Massimo, Genki Haraguchi und Mo Dahoud verlassen den Verein.

Auf dem Platz entwickelt sich ein munteres Spielchen mit Torchancen auf beiden Seiten. Nach einer für sie enttäuschenden Saison kombinieren die ganz in Grün gekleideten Gäste gefällig bis zum Strafraum, können sich vor dem Tor von Publikumsliebling Nübel aber nicht entscheidend durchsetzen. Ganz anders der VfB: Rekordtorschütze Guirassy schnürt schon in der ersten Hälfte einen Doppelpack (23. und 31.), Jeong (75.) und Silas (83.) machen in der Schlussphase den Deckel drauf.

Silas lässt erst alle stehen und wird dann zurecht gefeiert. (Foto: IMAGO/Eibner)

Viel wichtiger als das Ergebnis ist an diesem Nachmittag allerdings die Spielfreude, die den Akteuren im Brustring bei jeder Aktion anzusehen ist. Führich präsentiert an der Seitenlinie ein Kabinettstückchen, Undav schießt aus allen Lagen aufs Tor und Edeljoker Silas legt vor dem 4:0 einen Homerun hin, der an seine besten Zeiten erinnert: Trickreich und pfeilschnell tankt er sich durchs Mittelfeld, wildentschlossen knallt er die Kugel ins kurze Eck. Das letzte von insgesamt 78 VfB-Toren darf in keinem Saisonrückblick fehlen.

Eine Mannschaft für die Geschichtsbücher

Wie schon so oft in den letzten Monaten ist es schwer, einzelne Spieler aus dieser homogenen Mannschaft hervorzuheben. Die Aufstellung des VfB 23/24 haben ab sofort alle Kinder der Region in der Schule auswendig zu lernen. Wenn einer eine gesonderte Erwähnung verdient, dann ist es König Serhou von Cannstatt. Wie er sich immer wieder fallen lässt, um Angriffe einzuleiten, wie er seinen Mitspielern anzeigt, wohin er den Ball haben will, wie er scheinbar mühelos Tore mit rechts, links und dem Kopf erzielt, ist für jeden Fußballfan eine Augenweide. 28 Tore in 28 Spielen: Guirassy spielt ohne Zweifel die beste Saison seines Lebens.

Guirassy eröffnet den Torreigen. (Pressefoto Baumann)

Auch Maxi Mittelstädt beweist am Samstag noch einmal, warum er bei der EM wohl einen Stammplatz auf der linken Abwehrseite sicher hat. Kompromisslos im Zweikampf, mutig am Ball und dynamisch auf dem Weg nach vorne zeigt sich der Aufsteiger der Saison gegen Gladbach von seiner besten Seite. In der Nachspielzeit hätte der gebürtige Berliner seine Leistung fast noch mit dem dritten Saisontor gekrönt – sein strammer Distanzschuss kracht jedoch an den Pfosten.

Mit Hiroki Ito verdient sich am 34. Spieltag ein weiterer Spieler aus dem Defensivverbund zum wiederholten Mal Bestnoten. Der 25-jährige Japaner ist der Prototyp eines modernen Verteidigers: schnell, stellungssicher, stark im Aufbauspiel. Alles, was der Nationalspieler macht, sieht cool und lässig aus, weil er meistens richtig steht. Sein linker Fuß gehört neben dem von Enzo Millot zu den besten im Team. Wenn Ito dem Mitspieler einen Pass über 40 Meter in den Fuß spielt, klatscht selbst Asgeir Sigurvinsson begeistert Beifall.

Und wir holen den Su-Su-Supercup

Am Ende einer spektakulären Saison wird die zweitbeste Mannschaft der Liga verdient Vizemeister. Mit 73 Punkten stellt die Mannschaft von Sebastian Hoeneß einen neuen Vereinsrekord auf. Die zweite Mannschaft überholt am letzten Spieltag den Lokalrivalen aus Degerloch und steigt überraschend in die Dritte Liga auf. Wohlgemuth und Co. werden jetzt versuchen, so viele Spieler wie möglich zu halten und gezielt Verstärkungen zu verpflichten. Die Perspektive für die weiß-roten Talente könnte besser kaum sein. Wenn es für die Champions-League noch nicht reicht, können sie sich gegen Dynamo Dresden, Rot-Weiß Essen und 1860 München in der dritten deutschen Profiliga beweisen.

Nach 2007 ist sogar wieder ein Titelgewinn in Reichweite. Sollten die Seriensieger aus Leverkusen das Pokalfinale gewinnen, hätte der VfB die Möglichkeit, am 17. August den Supercup in den Cannstatter Nachthimmel zu strecken. Unabhängig davon dürfen alle Verantwortlichen, Spieler und Fans schon jetzt genießen, dass der Brustring landauf landab wieder mit Stolz getragen wird.

VfB Stuttgart – Borussia Mönchengladbach 4:0

Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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