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Auf der Suche nach der Form

Sechs Heimniederlagen am Stück: Der VfB taumelt dem Saisonende entgegen. (Foto: Pressefoto Baumann)

Bad Cannstatt platzt am Freitagabend aus allen Nähten. Betrunkenes Jungvolk in bayerischen Trachten tummelt sich auf dem Frühlingsfest, Teenager in knappen Röckchen warten auf den Einlass zu einem Konzert in der Schleyer-Halle, während 60 000 Fußballfans das Neckarstadion erneut bis auf den letzten Platz füllen. Der VfB zieht die Massen an, obwohl der Vizemeister der Vorsaison nur eines der letzten zehn Ligaspiele gewonnen hat. Auch gegen den Tabellensechzehnten von der Ostalb kassiert die Hoeneß-Elf einen späten Knockout. Alle Hoffnungen fokussieren sich nun auf Berlin.

Auf dem Boden der Realität

Es gibt nicht viele Spieler, die nach der überragenden Vorsaison ihr Niveau halten konnten. Undav und Führich gehören nicht dazu. „Deniz the Menace“ kommt längst nicht mehr so gut gelaunt daher wie früher. In der Mixed Zone verteidigt er sich nach dem Union-Spiel gegen den Vorwurf, die verkorkste Rückrunde habe entscheidend mit ihm zu tun. Gegen Heidenheim setzt er seine Mitspieler zwar einige Mal gekonnt in Szene, strahlt aber selbst wenig Torgefahr aus.

Gleiches gilt für Chris Führich, der vergangene Woche noch drei Unioner ins Kino schickte, bevor er den Ball ins kurze Eck hämmerte. Dem Linksaußen ist zwar das Bemühen nicht abzusprechen, doch mit seinem immergleichen Move in die Mitte kann er niemanden mehr überraschen.

Auf dem rechten Flügel hatte der Trainer zeitweise mit Vagnoman, Leweling, Millot, Rieder und Bruun Larsen ein veritables Überangebot. Zuletzt blieb die Position in Köpenick unbesetzt, weil Millot immer wieder in die Mitte zog. Am Freitag darf sich Fabian Rieder vor dem Ende seiner Leihe von Stades Rennes noch einmal zeigen. Sein Freistoß in der 63. Minute ist zwar nicht schlecht getreten, aber nicht platziert genug, um FCH-Keeper Müller zu überwinden. Der Schweizer bleibt insgesamt den Nachweis schuldig, dass er eine echte Verstärkung sein kann.

Rising stars

Neben den Problemfällen haben sich aber auch Spieler ins Rampenlicht gespielt, die vor der Saison die wenigstens auf der Rechnung hatten. „Big Nick“ liegt in der vereinsinternen Scorerliste hinter Demirovic (20) mit 16 Punkten auf Platz zwei. Seine Sperre schmerzte gegen Union vor allem nach der Pause, als den Schwaben jede Durchschlagskraft fehlte. Gegen Heidenheim muss der formstärkste Angreifer zunächst auf der Bank Platz nehmen – eine Trainerentscheidung, die schwer zu verstehen ist.

Finn Jeltsch stand seit seinem Wechsel aus Nürnberg in sieben von zehn Partien in der Startelf. Für seine 18 Lenze beweist er bereits eine erstaunliche Reife und fußballerische Klasse. Seine Konkurrenten Al Dakhil und Hendricks sind derzeit zurecht nur zweite Wahl auf der Innenverteidigerposition.

Zu den Konstanten in der Hoeneß-Elf gehören auch Stiller, Mittelstädt und Chabot. Auf ihren jeweiligen Positionen zählen sie selbst in dieser schwierigen Saison zu den Besten der Liga. Trainer-Liebling „Ange“ lenkt inzwischen nicht nur das Spiel, sondern setzt auch entscheidende Akzente in der Offensive (13 Scorer).

Maxi überzeugte zuletzt mit Leidenschaft und konstant guten Leistungen. Wäre der gebürtige Berliner nicht einer für das Siegtor am 24. Mai? „Chef“ Chabot hat derweil die Fanherzen im Sturm erobert. Wer hat nicht gerne einen Abwehrhünen in seinen Reihen, der jeden Ball aus dem Strafraum schädelt? Die Älteren fühlen sich an einen gewissen Marcelo Bordon erinnert.

Alle Augen auf Berlin

Mit nur drei Siegen steht der VfB in der Rückrundentabelle auf Platz 14. Die Platzierung entspricht der Gefühlslage der VfB-Fans. Aus dem Überraschungsteam, das fußballerisch Maßstäbe setzte, ist eine instabile Truppe mit Hang zu Ungeschicklichkeiten geworden. Aus den Fehlern dieser Saison müssen Spieler, Trainer und Verantwortliche ihre Lehren ziehen.

51 Gegentore nach 31 Spieltagen sind deutlich zu viele. Die Abgänge von Anton und Ito sowie die ständig wechselnden Abwehrformationen entfalten hier ihre Wirkung. Fabian Wohlgemuth und sein Team müssen genau hinschauen, mit welchen Spielern sie über den Sommer hinaus weiterarbeiten wollen. Womöglich müssen die Weiß-Roten auch in der kommenden Saison mit Dreifachbelastung und gestiegener Erwartungshaltung zurechtkommen.

Zunächst steht in vier Wochen aber das Highlight an, das alle in seinen Bann zieht. Das DFB-Pokalfinale in Berlin ist allein als Erlebnis schon ein Meilenstein für alle Beteiligten, der Pokalsieg würde die Saison zu einer historischen machen. Bei Juventus triumphiert, im Bernabeu dagegengehalten und als Krönung noch einen Titel gewonnen. Diese hoffnungsfrohe Aussicht verhindert größere Unmutsbekundungen nach der sechsten Heimniederlage in Folge. Vielleicht ist das Publikum aber auch nur betäubt vom Bierzeltbesuch.

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Mein erstes Spiel im Stadion: 1980 VfB – HSV 3:2 (Tore: Müller, Kelsch, Allgöwer) Mein schönstes Stadionerlebnis: 1991 VfB – BVB 7:0 (Allgöwer 2, Sverrisson 3, Walter 2) Meine erste Auswärtsfahrt: 1991 BVB – VfB 0:0 Emotionalster Erfolg: 1992 Deutscher Meister, letzter Spieltag B04 – VfB 1:2 (Tore: Walter, Buchwald) Lieblingsspieler: Helmut Roleder, Asgeir Sigurvinsson

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